Debatte Südafrikas neuer Präsident: Machtwille pur

Ein ungestümer Präsident mit einer krassen Lebensgeschichte für das mächtigste Land Afrikas: Der Kontinent kann sich auf etwas gefasst machen.

Mit Jacob Zuma als neuem Staatschef in Südafrika beginnt eine neue Ära für das Land. Erstmals regiert kein unantastbarer Heiliger mehr wie Nelson Mandela, kein entrückter Intellektueller wie Thabo Mbeki, sondern ein Mann des Volkes, ein Macher, ein Präsident zum Anfassen. Wenn das mächtigste Land Afrikas einen Präsidenten kriegt, der ungestüm etwas bewegen will - dann kann sich der Kontinent auf etwas gefasst machen: auf ein Südafrika, das auftaut und seinen Status als regionale Großmacht reklamiert.

Es hat seit dem Ende der Apartheid fünfzehn Jahre gedauert - aber nun könnte der Moment gekommen sein. Was das bedeutet, ist so offen wie Zumas politische Intentionen überhaupt. Der ANC-Vorsitzende mag ein Populist sein, aber er ist kein Visionär: Er verkörpert Machtwillen pur. Der Weg ist das Ziel. Angesichts seiner Biografie kann man diese Haltung verstehen: Es gehört viel dazu, vom Zulu-Viehhirten ohne Schulbildung aufzusteigen zum ANC-Geheimdienstchef, also zum Hirn einer Untergrundbewegung, die zu Zeiten der Apartheid eines der brutalsten Mörderregime der Welt bekämpfte und deren Führer dafür unvorstellbare persönliche Opfer bringen mussten. Zuma organisierte Untergrundzellen in Feindesland, er versorgte herumirrende Flüchtlinge, er saß im Gefängnis, er baute Exilstrukturen unter lebensgefährlichen Umständen auf. Im Vergleich dazu ist alles, was er als Präsident erleben kann, ein Kinderspiel.

Für Politiker mit solchen Lebensgeschichten, und davon gibt es in Afrika noch immer eine ganze Menge, ist es eher befremdlich, wenn sie am Ziel ihrer Träume plötzlich einen Instinkt für Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit entwickeln sollen. Zumas Aufstieg nach dem Ende der Apartheid gestaltete sich gar nicht so anders als sein Wirken davor, nur mit neuen Gegnern: ein schier endloser Machtkampf mit der Justiz und mit seinen innerparteilichen Rivalen. Diese Kontinuität macht deutlich, wie groß die Widersprüche zwischen Südafrikas lichtem Regenbogen-Anspruch und seiner finsteren schwarz-weißen Geschichte noch sind. Man darf nicht vergessen, dass Südafrikas ANC bis heute von seiner Vergangenheit als bis aufs Blut verfolgter Untergrundorganisation geprägt bleibt - eine Kaderpartei voller Skrupellosigkeit und beharrlich klandestinem Gebaren, mit gnadenlosem Innenleben und wölfischen Machtinstinkten.

Nach dem Ende der Apartheid 1994 hat der ANC die neue südafrikanische Demokratie weniger als eigene Errungenschaft angesehen denn als von außen auferlegten Reifetest, mit dessen Respektierung er seine Regierungsfähigkeit beweist. Genau gegen diese Sakralisierung der Politik, die immer auch ein Stück weit verlogen war, rebelliert Zuma. Er benutzt die Institutionen als Mittel zum Zweck. Er macht aus dem sorgsam gepflegten Oldtimer namens "neues Südafrika", immer blitzblank poliert und möglichst nur zum Angucken da, einen Alltagswagen, der ruhig ein paar Kratzer verträgt und den man bedenkenlos über Schlaglöcher steuert. Zuma bricht mit der Lebenslüge des ANC, dass die Schwarzen doch eigentlich immer nur die besseren Weißen sein wollen. Im Grunde ist das für alle eine Erleichterung.

Allerdings hat der Waffenskandal, der seit einem Jahrzehnt Südafrikas Politik vergiftet, schon gezeigt, was dies in der Praxis bedeuten kann. Nach dem Ende der Apartheid standen Rüstungskonzerne aus aller Welt Schlange, um den neuen ANC-Herren ihre Dienste anzubieten und sich mit großzügigen Angeboten von ihren Apartheidverquickungen reinzuwaschen. Gewisse ANC-Politiker nutzten dies, um fette Schmiergelder und Folgeaufträge abzuzweigen - auch Freunde Zumas. Der ANC hätte die Transformation von Untergrundbewegung in Staatspartei, von verfolgten Guerillaführern in neureiche Elite ohne diese Deals nicht geschafft. Das schillernde Nebeneinander von revolutionärer Rhetorik mit knallhartem Kapitalismus in Zumas Umfeld ist aus dieser Sicht kein Widerspruch, sondern ein Ausweis politischer Beständigkeit.

Der Verwandlungskünstler

Dazu passt ein Präsident Zuma, der sich selbst endlos verwandeln kann, vom traditionellen Zulu-Tänzer mit vielen Frauen über den plumpen Agitprop-Jugendaufhetzer mit Maschinengewehrliedern bis zum beanzugten Vortragsredner mit geschliffener Globalisierungsrhetorik. Jedes Publikum hört und sieht in ihm sich selbst.

Ein wenig erinnert Jacob Zuma daher an zwei der katastrophalsten Herrscher Afrikas in neuerer Zeit - an Idi Amin, den Diktator Ugandas aus den 70er-Jahren, der rasch vom geliebten Volkstribun zum gefürchteten Massenschlächter wurde, und an Laurent-Désiré Kabila, den Befreier der Demokratischen Republik Kongo in den 90er-Jahren, der erst frenetisch bejubelt wurde und dann so schnell ein so unfähiges Willkürregime errichtete, dass ihm die Kontrolle des Landes sofort entglitt und einer der schlimmsten Kriege Afrikas aufflammte.

Südafrika ist sicherlich zu stabil für solche Abwege, aber die Parallelen sind da, beispielsweise in der Uneindeutigkeit Zumas über seine langfristigen Pläne und der unklaren Struktur seiner Machtzirkel. So ist nicht zu erwarten, dass Zuma sich besonders viele Freunde machen wird. Denn Afrika erinnert sich noch daran, wie einst das weiße Minderheitsregime am Kap auf dem halben Kontinent den Terror schürte, um seine schwarzen Feinde zu destabilisieren. Bis heute sind viele Länder daher misstrauisch, wenn eine südafrikanische Regierung beginnt, ihre ökonomische und wirtschaftliche Überlegenheit auszuspielen. Und ein triumphierender Zuma bedeutet immer ein auftrumpfendes Südafrika.

Der Bedarf nach einer starken afrikanischen Stimme im Weltmaßstab ist groß, und Südafrika kann ihn erfüllen. Aber genauso wenig wie Libyens Gaddafi dürfte Südafrikas Zuma dabei die Interessen der Schwachen vertreten. Ein verschärftes Freund-Feind-Denken, wie es Zuma aus alten Kaderzeiten in die Gegenwart hinübergerettet hat, aber würde die Rivalitäten in Afrika weiter anstacheln. Für ein Afrika, das nach mehr Einheit sucht, wären Führungsmächte, die andere zur Unterwerfung zwingen, ein Rückschritt.

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