piwik no script img

Israelische SiedlungenDie letzte Baulücke

Östlich von Jerusalem will Israel die Siedlung Mevasseret Adumim bauen, die das Westjordanland endgültig in zwei Hälften trennen würde.

Die Bagger der israelischen Siedlungen zerschneiden die Palästinensergebiete immer weiter. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Das Ausfahrtsschild nach Mevasseret Adumim steht schon an seinem Platz. Nur wenige Kilometer östlich von Jerusalem, an der Landstraße Richtung Jericho, ist der Bau von 3.000 Wohnungen geplant, außerdem ein Friedhof, Hotels, Park- und Industrieanlagen. Von einer Zufahrtsstraße abgesehen, steht vorläufig nur das Hauptquartier der Polizei in der kargen Landschaft.

Diese Siedlung sei dazu geeignet, "dem Friedensprozess ein Ende zu machen", warnt Saeb Erikat, seit 1993 Chefunterhändler der PLO für die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen. Wenn Erikat über das rund 12 Quadratkilometer große Gebiet spricht, benutzt er nur den alten Namen, der noch aus britischen Mandatszeiten stammt: "East 1" oder kurz "E 1".

Diese neue Siedlung ist für die Palästinenser aus zwei Gründen problematisch: Zum einen würde sie den Norden des Westjordanlandes vom Süden abschneiden; zum Zweiten würde Mevasseret Adumim den Palästinensern in Ostjerusalem die letzte Möglichkeit nehmen, sich auszubreiten und neuen Wohnraum zu schaffen. Jerusalem wäre damit nahezu komplett von Siedlungen umgeben.

Die USA lehnen den Bau ab. Premierminister Benjamin Netanjahu und seinem sozialdemokratischen Verteidigungsminister Ehud Barak gilt die Siedlung hingegen als strategisch unverzichtbar. Über den "geheimen Deal" der beiden Politiker, "3.000 neue Wohneinheiten zu bauen", berichtete die linkslibetale Tageszeitung Haaretz vor wenigen Wochen.

Noch haben die Minister dem Plan nicht zugestimmt, was jedoch bei der aktuellen Konstellation der rechten Regierung eine Formalität sein dürfte. Sogar die Arbeitspartei unterstützt den Plan, der schon vor zehn Jahren entwickelt wurde. Dass er bislang nicht verwirklicht wurde, lag in erster Linie am Widerstand der USA. Mit der Unterzeichnung des internationalen Friedensplans ("Roadmap") verpflichtete sich Israel im Sommer 2003 zudem zum Baustopp der Siedlungen.

Mevasseret Adumim soll eine "urbane Kontinuität" von Jerusalem bis zu der Siedlung Maale Adumim schaffen, wo heute schon rund 35.000 Menschen leben. Zusammen mit den beiden Siedlungsblocks Gusch Etzion im Süden der Stadt und Givat Seew im Norden wäre das Siedlungssicherheitspolster nahezu perfekt. Ohne den Bau in E 1 sei außerdem die "israelische Kontrolle über die Jerusalem-Jericho-Straße bedroht", schreibt der nationalreligiöse Journalist Nadav Shragai in der Haaretz. Diese "Arterie" sei "von höchster strategischer Bedeutung für Israel, um im Kriegsfall Truppen und militärische Ausrüstung über das Jordantal nach Osten und Norden zu transportieren".

"Der geplante Bau von Mevasseret Adumim wirft einen dunklen Schatten auf die Zwei-Staaten-Lösung", mahnt Haim Erlich, Aktivist der israelischen Friedensinitiative Ir Amim (Stadt der Völker). Erlich hält Lösungen für die beiden anderen Siedlungsblöcke bei Jerusalem durch einen Gebietsaustausch für möglich.

Die Regierung von Olmert hatte einen Handel über 7 Prozent des Landes angedeutet, die Palästinenser wollen nicht mehr als 2 bis 3 Prozent austauschen. "Wir sind im Nahen Osten - man wird sich irgendwo in der Mitte einigen", meint Ehrlich. "E 1 gehört aber in eine andere Liga." Denn der Verwaltungsbezirk von Maale Adumim inklusive E 1 sei größer als Tel Aviv. SUSANNE KNAUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • K
    kelsensfreundin

    Nein, Israel will keinen Frieden sondern Landnahme. Ich empfehle die Lektüre der website http://www.juedische-stimme.de/!

  • H
    Hanna

    Die Siedlungen werden nicht nur in Jerusalem und Umgebung gebaut, sondern auch weiterhin in der Westbank, wo ja ein palästinensischer Staat entstehen soll:

    58,800 Wohnungseinheiten wurd in den letzten 40 Jahren in der West Bank gebaut. 46,500 sind vom israelischen Verteidigungsministerium bereits genehmigt worden. Seit dem Beginn des Friedensprozesses hat sich die israelische Bevölkerung in der West-Bank verdreifacht auf jetzt 300.000. Jährlich entstehen 1500 bis 2000 Wohneinheiten in der West-Bank.

    Zusätzlich erhalten diese Siedler bessere Ausstattungen als viele Orte in Israel, weil der Staat sich hier individueller an die Ortgegebenheiten anpassen muss. Es ist kein Wunder, dass viele Leute in diese Siedlungen ziehen wollen.

  • N
    Nadi

    Die israelischen Politiker wollen schon Frieden - nur nach ihren Konditionen und das bedeutet nichts Gutes für die Palästinenser. Der Sicherheitsgürtel um Jerusalem macht auch unmöglich, dass Jersusalem zu einer Stadt der zwei Staaten wird. Für die Palästinenser ist diese Stadt unverzichtbar - muslimische und christliche Palästinenser achten sie auch aus religiösen Gründen und wollen dort eine Hauptstadt - wie sie die Israelis auch wollten.

    Die Siedlungen im Osten Jerusalems zerschneiden die arabischen Wohngebiete und sehen nicht nur aus wie Sieldungen, manche sehen auch aus wie Festungen, Burgen oder Abschussrampen.

    Und Israel hat kein Vertrauen in seine Nachbarn, aber noch viel weniger in seine Nachbarn die Palästinenser.

    Mit jeder Siedlung, mit jedem Bauantrag und jeder Ausweisung von Baugebieten sinkt doch die Chance, eine Zwei-Staaten-Lösung zu schaffen. Und es sinkt die Chance, Frieden für beide Völker zu erreichen. Welcher Palästinenser sieht täglich diese Siedlungen und die SIcherheitskontrollen und denkt nicht, warum machen sie das?

    Israel übt einen psychologischen Druck auf die Palästinenser aus, in dem es stetig wiederholt und unterstreicht, dass Palästina nicht vorhanden, die Palästinenser schwach sind. Und aus der Ohnmacht der Schwachen wächst die Gewalt.

  • P
    Potzblitz

    Und jetzt sag noch einer, dass die Israelis qua Geburt die unschuldigen Opfer im Palästinakonflikt sind.

    Was Israel tut, spricht jedem Völkerrecht Hohn (und, entschuldigung, Zensur, hat was faschistisches). Davon, dass die israelischen Politiker wirklich Frieden wollen, braucht niemand mehr zu reden.