Umgehungssoftware "Al Kasir": Geheime Pfade

Eine Software ermöglicht arabischen Oppositionellen das Öffnen verbotener Websites - wie Facebook oder Yahoo.

"Al Kasir" hingegen - arabisch für Umgehung - soll nur die Seiten öffnen, die bei seinen Entwicklern als gesperrt gemeldet wurden. Bild: screenshot alkasir.com

Was verbindet internationale Internetportale wie Facebook oder Yahoo mit dem Web-Auftritt der jemenitischen Zeitung Al-Ayam oder privaten Blogs saudischer Oppositioneller? Es hat sie alle schon erwischt: In vielen Staaten der arabischen Welt greift die Regierung mit technischen Blockaden in die Internetnutzung ihrer Bürger ein. So sollen Kritik an der Regierung und soziale Konfliktthemen außerhalb der Landesgrenzen bleiben.

Um arabischen Internetnutzern diese Seiten trotzdem zugänglich zu machen, hat eine Internetorganisation arabischer Studierender, die sich "MideastYouth" nennt, die Software "Al Kasir" entwickelt. Sie ist speziell für die Bedürfnisse arabischer Staaten ausgelegt. Das Programm hat einen Schwerpunkt in dieser Region, kann jedoch weltweit eingesetzt werden, erklärt Esra al-Schafei, eine der Gründerinnen der Organisation.

Technische Wege, eine Blockade zu umgehen, gab es schon vor "Al Kasir". Die Nutzer dieser Anwendungen werden jedoch häufig mit Werbefenstern zugespamt oder die Software verlangsamt das Laden aller aufgerufenen Seiten - auch jener ohne Blockade. Das ist in vielen arabischen Staaten ein großes Problem, denn User müssen dort wegen schlechter technischer Bedingungen beim Surfen sowieso schon geduldig sein. Der kostenlose Download des Programms von der Seite alkasir.com wird auf Arabisch erklärt und erleichtert so den Zugang für alle, deren Englisch nicht für technische Anweisungen ausreicht.

Einige konventionelle Programme haben zudem in arabischen Staaten einen schmuddeligen Ruf, weil sie für Pornoseiten genutzt werden. "Al Kasir" hingegen - arabisch für Umgehung - soll nur die Seiten öffnen, die bei seinen Entwicklern als gesperrt gemeldet wurden. Der Schwerpunkt liegt bei alternativen, politischen, gesellschaftlichen und religiösen Themen; auch Seiten von Oppositionsgruppen können gelesen werden.

Die aktuelle Entwicklung in vielen arabischsprachigen Staaten macht den Einsatz solcher "Umgehungen" notwendig: Die Netzzensur hat zugenommen. "Mittlerweile sehen viele arabische Regierungen das Internet nicht mehr nur als Chance, sondern auch als Gefahr", sagt Carola Richter, Expertin für arabische Mediensysteme an der Universität Erfurt. Nachdem die Nutzung des Internets von vielen Staaten anfangs als Anschluss an die Moderne gefördert wurde, gebe es seit einigen Jahren die Tendenz, dies wieder einzuschränken.

Das Internet gebe all jenen eine Plattform, die in staatlich kontrollierten Mediensystemen an den Rand gedrängt werden: Oppositionelle, aber auch Islamisten. Zudem sei die Bloggerkultur etwa in Ägypten sehr stark ausgeprägt. Dabei werden neben privaten auch politische Inhalte veröffentlicht. Professionelle Internetauftritte einiger Gruppen ermögliche diesen zudem, in Zeitungen Themen zu bestimmen - und so Einfluss auf öffentliche Debatten zu nehmen, sagt Richter.

Aber die Macher von "Al Kasir" verfolgen auch ein Forschungsinteresse: So soll die Software ermitteln, welche Themen die Zensoren besonders beunruhigen. Man wolle genau festzustellen, welche Seiten aus politischen, sozialen und gesellschaftlichen Gründen gesperrt werden, erklärt Esra al-Schafei von MideastYouth. So könne das Programm genaue Aussagen über das Zensurverhalten staatlicher Sicherheitsdienste geben.

Unwirksam ist Al Kasir dort, wo Regierungen allzu kritische Blogger ohne Informationstechnik zum Schweigen bringen. Wie etwa in Ägypten: Dort würden politische Blogger durch Verhaftungen oder Verurteilungen zu Geldstrafen eingeschüchtert und damit am Verbreiten weiterer Informationen gehindert.

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