Klage gegen Gesundheitsreform: Privatkassen wollen Arme loswerden

Die privaten Krankenversicherer wollen wieder leichter Geschäfte mit gut verdienenden Angestellten machen können - und klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.

Höhere Prämien für Kranke als Gesunde - solche Innovationen bieten nur Privatkassen. Bild: dpa

KARLSRUHE/BERLIN taz | Die privaten Krankenversicherer klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Gesundheitsreform von 2007. Sie wollen den Basistarif wieder abschaffen und leichter Geschäfte mit gut verdienenden Angestellten machen können. Am heutigen Mittwoch entscheiden die Richter in Karlsruhe, ob die Reform verfassungswidrig ist.

Die private Krankenversicherung (PKV) in Deutschland steht Selbständigen, Beamten und besser verdienenden Angestellten offen. Bei Letzteren muss das Einkommen seit der Reform drei Jahre lang über 48.600 Euro liegen, bevor sie die gesetzliche Krankenversicherung verlassen dürfen. Weil die Frist vorher bei nur einem Jahr lag, jammert die PKV-Branche über fehlende Neukunden. Sie bemängelt allerdings nur den Schwund in ihrem klassischen Geschäft.

Dort müssen Kranke höhere Prämien zahlen als Gesunde - die Versicherung kann sich sogar weigern, die Behandlung bestimmter Leiden überhaupt abzusichern. Auch längerfristige Preissteigerungen haben es in sich: Die Zeitschrift Finanztest ermittelte 2007 eine Verdoppelung der Beiträge in rund 12 Jahren.

Die Reform sollte den Kunden Abhilfe bieten - unter anderem mit dem sogenannten Basistarif. In den müssen die Privatversicherer seit 2009 jeden aufnehmen, der grundsätzlich infrage kommt. Zuschläge für Kranke sind nicht erlaubt. Für die Prämien gilt eine Obergrenze.

Die Branche hat ihren Spielraum ausgeschöpft, das Angebot unattraktiv zu gestalten - trotzdem gibt es nach PKV-Angaben mindestens 5.000 Kunden. Schon ab 21 Jahren zahlen sie die Maximalprämie von knapp 570 Euro. Für Ältere kann der Preis ein guter Deal sein.

Währen sich die PKV über die Pflicht zum Basistarif beschweren, ist dieser auch für die Kunden nicht immer vorteilhaft. Wer auf umfangreiche PKV-Leistungen gesetzt hat, wird enttäuscht. Das Angebot im Basistarif entspricht nämlich dem der gesetzlichen Kassen. Wer einen Arzt gewählt hatte, der nur Privatpatienten behandelt, muss ihn womöglich wechseln. Nur Kassenärzte seien verpflichtet, die Basistarif-Versicherten zu behandeln, sagt Charlotte Henkel von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Honorare für die Mediziner liegen unter denen für Privatpatienten.

Misslich für die PKV: Anders als früher bleiben ihr mittlerweile alle Kunden erhalten, die aus einer Selbständigkeit in den Hartz-IV-Bezug rutschen. Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 2009. Zuvor konnten neue Hartz-IV-Empfänger, die privat versichert waren, in eine gesetzliche Kasse wechseln. Der Schritt in die PKV sei eine "Lebensentscheidung", erklärte das Bundesgesundheitsministerium zu der Regelung.

Dass die PKV die Armen nicht einfach loswird, mögen viele gutheißen. Die Betroffenen aber haben mit vielen Tücken zu kämpfen. Ihnen wird ein Wechsel in den Basistarif nahegelegt. Die Jobcenter zahlen einen Zuschuss von knapp 130 Euro. Die Privatversicherung muss die Basistarif-Prämie für die Arbeitslosen halbieren. Doch auch dann bleiben noch 155 Euro, die die Hartz IV-Empfänger selbst für die Krankenversicherung zahlen sollen.

Da das kaum funktioniert, sind private Hilfe oder gute Nerven gefragt: Ein Gesetzespassus verpflichtet die PKV nämlich, Hartz IV-Empfängern den Krankenversicherungschutz des Basistarifs auch dann zu gewähren, wenn sie im im Zahlungsrückstand sind. Über eine weniger verschlungene gesetzliche Regelung wird noch gestritten.

KATJA SCHMIDT

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.