Streit mit Ureinwohnern: Perus Präsident lenkt ein
Bei dem Konflikt zwischen Regierung und Ureinwohner wurden Anfang Juni Dutzende getötet. Das peruanische Parlament annuliert jetzt offiziell zwei umstrittene Dekrete.
PORTO ALEGRE taz | Durch sein Einlenken hat der peruanische Präsident Alan García den Konflikt zwischen der Regierung und den Indígenas des Amazonasgebietes, bei dem vor zwei Wochen Dutzende getötet wurden, zunächst entschärft. Am Donnerstag annullierte das Parlament in Lima mit 82 zu 12 Stimmen zwei umstrittene Dekrete zur Ressourcennutzung, durch die die Erschließung Amazoniens für die Holzwirtschaft oder den Anbau von Agrotreibstoffen weiter erleichtert worden wäre.
"Es ist ein historischer Sieg für alle Ureinwohner", erklärte Daysi Zapata, die Sprecherin der Indígenaorganisation Aidesep. "Wir hoffen nur, dass die Regierungen künftig die indigenen Völker anhören", sagte Zapata und kündigte an, die seit 70 Tagen bestehenden Fluss- und Straßensperren in Amazonien würden nun aufgehoben.
Tags zuvor hatte Präsident Alan García "Fehler und Übertreibungen" eingeräumt sowie Kurskorrekturen angekündigt. Insbesondere würden die Indianer künftig besser informiert, gelobte der Staatschef. Nun sieht er in ihnen keine "Terroristen" mehr, sondern nur noch Naivlinge, die die "guten Absichten" der Regierung missverstanden hätten und von "Agitatoren, Gewaltanhängern und miesen Politikern" in die Irre geführt worden seien. Wen die Regierung damit meint, erläuterte Außenminister José Antonio García Belaunde: Boliviens Präsident Evo Morales sei "ein Feind Perus", sagte Garcías Chefdiplomat. Morales hatte der peruanischen Regierung am Wochenende "Völkermord" vorgeworfen. Zweiter Sündenbock ist der langjährige Aktivist und Aidesep-Vorsitzende Alberto Pizango, der auf der Flucht vor einem Haftbefehl in Nicaragua eingetroffen ist.
Das Amazonasgebiet, in dem über 300.000 Indígenas leben, macht 60 Prozent der Fläche Perus aus. Durch die Dekrete sollte ein Freihandelsabkommen mit den USA umgesetzt werden. Dass Alan García allerdings einen echten Kurswechsel plant, bezweifelt der Politologe Martín Tanaka: Zwar habe der Präsident einen herben Rückschlag erlitten, doch er werde wohl kaum die richtige Lehren daraus ziehen, meint der Forscher aus Lima. Wenn er allerdings weiterhin mit Repression drohe, werde er seine Präsidentschaft und die Stabilität Perus gefährden.
Offen sei aber auch, ob die indigene Bewegung gestärkt aus dem Konflikt hervorgeht: "Sie hat einen zu hohen Preis bezahlt", so Tanaka. Die Indígenas hätten zwar im kollektiven Bewusstsein zugelegt, aber um in der politischen Arena zu punkten, müssten sie sich noch besser organisieren und klare Entwicklungsalternativen aufzeigen: "Für Amazonien bedeutet die Rücknahme der Dekrete erst einmal keine Verbesserung. Das ist nur eine Rückkehr zum sehr schlechten Status quo."
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