Schwarze Liste der Gotteskrieger: Der Krieg um Somalias Köpfe

In Somalia leben Journalisten gefährlicher denn je - aber auch die Leser der beliebtesten Nachrichtenwebsite Waagacusub.

Waagacusub.com geht nicht zimperlich mit den Islamisten um, die die Webseite deshalb gerne vom Schirm verschwinden sehen wollen. Bild: screenshot: Waagacusub.com

Die Stimme von Hassan Yacub schepperte ein bisschen. Davon abgesehen war der Sprecher der radikalislamischen Shabaab-Miliz gut zu verstehen, als er mit einem Lautsprecherwagen durch die südsomalische Hafenstadt Kismayo fuhr. Niemand sollte später etwa sagen können, er habe das Verbot nicht vernommen. "Achtung, Internetbetreiber! Achtung, jedermann! Ab sofort ist das Lesen der Website waagacusub.com bei Strafe verboten", sagte Yacub. "Die Seite gehört zu den Feindesmedien, die Berichte gegen unseren Dschihad verbreiten." Da waren in Jowhar im Zentrum Somalias, wie Kismayo unter islamistischer Kontrolle, bereits fünfzig Leser verhaftet worden. "Die Shabaab führt regelmäßige Kontrollen in den Internetcafés durch", bestätigt Abdi Nur Baadshaa von Somalias Journalistenvereinigung Asoj.

Im "heiligen Krieg" zwischen der Shabaab, der verbündeten Hisbul Islam und Somalias Übergangsregierung, der seit Anfang Mai immer heftiger tobt, gehören unabhängige Informationen zu den wichtigsten Waffen. Waagacusub, Somalias beliebteste und meistgelesene Website, steht auf der schwarzen Liste der Gotteskrieger ganz oben. Die Reporter nehmen kein Blatt vor den Mund: Unmittelbar vor Yacubs Fahrt im Lautsprecherwagen hatte die Seite den von der Shabaab ernannten Bürgermeister von Mogadischu als ausgemachten Lügner verunglimpft, der mit dem wirklichen Islam nichts am Hut habe. Auch über die Menschenrechtsverletzungen der Milizen berichtet Waagacusub so plastisch wie ausführlich. Das macht die Seite beliebt - und bringt ihre Macher in Lebensgefahr. Schon im November 2007 veröffentlichte die Shabaab auf ihrer Website Morddrohungen gegen Redakteure.

Nicht umsonst gilt Somalia als das gefährlichste Land für Journalisten überhaupt. Mindestens fünf somalische Reporter sind in diesem Jahr ermordet worden. Mukhtar Mohammed Hirabe, der Direktor von Somalias einflussreichstem Radiosender Shabelle, wurde Anfang Juni durch Schüsse in die Brust und in den Kopf regelrecht hingerichtet. "Es waren drei maskierte Männer", sagt ein Augenzeuge, der den Mord am helllichten Tag auf dem belebten Bakara-Markt im Zentrum Mogadischus beobachtet hat. Programmchef Achmed Tajir erlitt Bauchschusswunden und liegt immer noch im Krankenhaus. Der Sender ist im Propagandakrieg so bedeutend, weil er vielen westlichen Journalisten als verlässliche Quelle gilt.

"Das Jahr hat schon tragisch für uns begonnen", sagt Dahir Abdulle Alasow, der Vorsitzende des somalischen Journalistenverbandes Asoj. "Am 1. Januar wurde ein Shabelle-Reporter erschossen, und nicht mal einen Monat später ist der Direktor von Radio HornAfrik, einem anderen beliebten Sender, ermordet worden." Mit bereits fünf Toten zur Jahresmitte hält Alasow es für wahrscheinlich, dass die Zahl der Opfer über die acht Toten des Vorjahres steigen wird. Dazu kommen Dutzende, die verletzt, gefoltert oder verschleppt wurden. Mindestens fünfzig Reporter sind alleine im vergangenen Jahr aus Somalia geflohen.

Auch die gegen die Islamisten kämpfende Übergangsregierung ist an der Verbreitung von Nachrichten uninteressiert. Vizepremier Abdirahman Ibbi kündigte kürzlich an, die unabhängigen Medien seien Teil des Problems in Somalia. "Man muss mit harter Hand gegen sie vorgehen", sagte Ibbi. Seit ihrem Einmarsch an der Seite äthiopischer Truppen vor mehr als zwei Jahren hat die Übergangsregierung immer wieder Sender geschlossen und Journalisten verhaftet, jedes Mal mit der Begründung von "Falschmeldungen". Unter dem jetzigen Präsidenten Sharif Sheikh Achmed wurde zudem vor drei Jahren jeder bestraft, der es wagte, die Fußball-WM im Fernsehen zu verfolgen.

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