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Kolumne KlatschGeschichten aus dem Kofferraum

Als vor 20 Jahren die Mauer fiel, schmeckten die gerösteten Kastanien nicht mehr.

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Philipp Mausshardt
Journalist, Mitbegründer der Zeitenspiegel-Reportageschule, hält Brandenburg für die neue Toskana.

1 Kommentar

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  • A
    anke

    Sie haben recht, Herr Mausshardt, Ihre Chancen stehen ziemlich gut, aus Anlass des 50. Mauerfall-Jubiläums in die Aula einer gesamtdeutschen Grundschule gerollt zu werden. Sie stehen mindestens so gut, wie die Chancen ihres Freundes Axel auf staatlich geförderte Beachtung stehen. Es sind halt immer die am höchsten dekorierten Kriegsveteranen, denen man ein Rederecht gewährt vor dem hoffnungsvollen Nachwuchs. Schließlich: Die am höchsten dekorierten Kriegsveteranen sind immer die, denen jeder offizielle Sieger seinen (kurzzeitigen) Triumph und die Nachgeborenen ihr (spätes, stilles) Glück zu verdanken haben.

     

    Sie mögen mich jetzt vielleicht für neidisch halten, aber was mich wirklich ärgert an der tradierten Form deutscher Geschichtspflege, ist ihre offensichtliche Einseitigkeit. Ich kann mir nämlich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein sächsischer Gänsefleich-Zöllner zu Wort kommt aus Anlass des Anlasses. Genau so wenig, wie ich mir vorstellen kann, dass ein seinerzeit mit Spitzeldiensten beauftragter Koma-Trinker oder Kneipenwirt zu Wort kommt, der Angestellte einer Visastelle oder ein sonst irgendwie mit dem real existierenden Unrechtsstaat DDR Verbandelter. Und ich finde das ausgesprochen schade. Nämlich: Wo kein Feind, da keine Ehr.

     

    Die DDR war, so weit ich mich erinnere, vor allem eines: Eine durch erheblichen äußeren und nicht geringeren, vorbeugend ausgeübten inneren Druck zusammengehaltene Ansammlung kaum miteinander kompatibler Lebensentwürfe. Nicht, dass irgend eine Gesellschaft auf dieser Erde etwas anderes wäre als eine Ansammlung nicht miteinander kompatibler Lebensentwürfe, die DDR allerdings hat Geschichte geschrieben mit ihrem Untergang. Auch wenn sie nicht namentlich als Sieger aufgeführt wird in den Geschichtsbüchern dieser Republik. Sie hat nämlich nicht bloß sich selbst ruiniert, sondern darüber hinaus auch das Selbstbewusstsein einer ganzen politischen Zunft. Der Zunft der westeuropäischen und insbesondere der deutschen Linksintellektuellen nämlich. Ich finde, sie hat es sich damit durchaus verdient, ernst genommen und hinterfragt zu werden.

     

    "Wie konnte es eigentlich dazu kommen?" sollte man sich als redlicher Intellektueller eigentlich fragen, bevor man die Flinte ins (längst noch nicht reife) Kornfeld schmeißt um wieder die Hände frei zu haben. (Nein, nicht für den Griff an die eigene Nase. Nur für den Griff an den Turban Irakischer Möchtegern-Präsidenten.) Und gleich im Anschluss (nicht an den Griff sondern an die erste Frage) sollte man sich überlegen, was die Alternative hätte gewesen sein können. Eigentlich. Die Antwort auf diese Frage nämlich, das gebe ich gern zu, ist gar nicht so leicht, wenn man nur den strahlenden Siegern zujubelt, satt die zu verhören, die den ganzen Schlammassel angerichtet haben. Besonders dann nicht, wenn man intellektuell auf dem Niveau aggressiv-verstörter Sechzehnjähriger stehen geblieben ist, deren Väter den Nationalsozialisten zugejubelt haben.

     

    "Kein Forum den Nazis!", heißt es allenthalben, seit die NPD in die Land- und Kreistage einzieht. Die Erfolge dieser Strategie sind überschaubar. So lange sich niemand dafür interessiert, wieso die Rattenfänger immer wieder punkten, werden sie genau das tun: bundesweit in die Land- und Kreistage einziehen. Und so lange sich deutsche Linksintellektuelle an ihren geistigen und natürlichen Bürger-Vätern abarbeiten, wird es auch keine Alternative zum bestehenden System geben.

     

    Kein Alkohol ist auch keine Lösung, das ist wahr. Nur: Besoffen hat noch nie einer die Welt befreit – außer vielleicht von der eigenen überflüssigen Existenz.