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Kommentar KanzlerinMerkels Schwachstellen

Kommentar von Ralph Bollmann

Bei der Vorstellung des CDU/CSU-Programms drückt sich Angela Merkel um die Atomfrage.

W ie sie sich die Zeit bis zur Bundestagswahl vorstellt, ließ die Kanzlerin bei der Vorstellung des CDU/CSU-Programms deutlich erkennen. Es gehe "nicht um das Wir einer Partei, sondern um das Wir eines ganzen Landes", sagte sie da - und rief aus: "Macht alle mit!" Von einem Wahl-"Kampf" im engen Sinn des Wortes war jedenfalls nicht die Rede.

taz

Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der taz.

Da sind Themen gefährlich, die allzu sehr polarisieren. Dazu zählt die Atomfrage. Die Zahlen von Befürwortern und Gegnern schwanken in Umfragen zwar beträchtlich, je nach genauer Fragestellung und aktueller Themenlage. Selbst auf dem Höchststand der Energiepreise im vorigen Sommer sprachen sich aber immer noch 40 Prozent der Bevölkerung gegen längere Laufzeiten aus. Für die Mobilisierung einer rot-grünen Kernwählerschaft, die sich SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel jetzt erhofft, reicht das trotz mancher Selbstzweifel über die künftige Energiepolitik allemal aus - im Unterschied zu den Versuchen, veraltete Industrien mit Steuergeldern am Leben zu halten.

Die Gefahr für Merkel liegt vor allem in der Verknüpfung des Atomthemas mit der Perspektive, das Wahlergebnis im Herbst könne eine schwarz-gelbe Koalition ermöglichen oder erzwingen. In einer neuerlichen großen Koalition oder gar bei schwarz-grünen Gedankenspielen wäre der Unionswunsch nach längeren Laufzeiten vor allem Verhandlungsmasse. Einen Verzicht würde sich die Union bezahlen lassen.

Bislang hat Merkel hauptsächlich davon profitiert, dass sie der Konkurrenz ein Thema nach dem anderen wegnehmen konnte. Das geschah teils absichtsvoll, teils ließ sie sich zu ihrem Glück auch zwingen. So stürzte seinerzeit der Wunsch ihres Parteifreundes Jürgen Rüttgers, das Arbeitslosengeld für Ältere wieder zu verlängern, den sozialdemokratischen Koalitionspartner in jene heillose Verwirrung, von der er sich bis heute nicht erholen konnte.

In Richtung wirtschaftsliberale Klientel blinkt das aktuelle Wahlprogramm nur noch in zwei Fragen - mit dem Versprechen auf weitere Steuersenkungen, mit dem sich die Kanzlerin schon genügend Ärger eingehandelt hat, und eben dem Wunsch nach längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke. Beide Themen können für Merkel unangenehm werden, wenn sie mit der FDP regieren und ihre Wahlversprechen auch umsetzen muss.

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