Kommentar Uiguren in China: Ohne Autonomie keine Lösung

In der Provinz Xinjiang reagieren die überlegenen Han-Chinesen mit anti-uigurischer Gewalt. Bei einer weiteren Eskalation würde sich Pekings politisches Scheitern vollends zeigen.

Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao wird sich als Gast des G-8-Gipfels sicher andere Bilder aus seiner Heimat wünschen als die von ethnischer Gewalt in Ürümqi. Nicht zuletzt der Aufstieg Chinas ist ein Grund dafür, warum der G-8-Gipfel einer der letzten in dieser Konstellation sein und durch ein Treffen der G 20 ersetzt werden dürfte. Wie 2008 vor den Olympischen Spielen, als Peking bei seiner Reaktion auf die Unruhen in Tibet die Wirkung nach innen und außen abwägen musste, hat Hu in LAquila eine Gratwanderung vor sich. Man wird ihn auf die Lage der Uiguren ansprechen. Hu aber muss seine Worte mit Blick auf deren Wirkung in der Heimat wählen.

2008 hatten die Unruhen in Tibet und ihre Unterdrückung in China und außerhalb Chinas konträre Reaktionen ausgelöst. International beschädigte Chinas Umgang mit den Tibetern seinen Ruf, während sich innenpolitisch die KP-Führung selten auf einen so starken Konsens auch mit ihren Kritikern berufen konnte. Die jahrelang mit nationalistischer Propaganda gefütterten Chinesen erboste vor allem, dass die antichinesische Gewalt der Tibeter im Ausland nicht kritisiert und China vor allem durch westliche Medien zum Alleinschuldigen gemacht wurde. Umgekehrt verstand die Welt nicht, dass Peking - die deklarierte Autonomie Tibets sowieso nie ernstnehmend - das Scheitern seiner Politik nicht sehen wollte, sondern den harten Kurs unbeirrt fortsetzte.

Das gegenseitige Unverständnis zeigt sich auch jetzt im Falle der Uiguren und wird ihnen so wenig helfen wie vor einem Jahr den Tibetern. Pekings neue Medienstrategie, ausländische Korrespondenten nach Ürümqi einzuladen, ist nicht mit Pressefreiheit zu verwechseln, zeigt aber, dass Peking sich um sein internationales Image sorgt. In Ürümqi reagieren die überlegenen Han-Chinesen mit anti-uigurischer Gewalt. Bei einer weiteren Eskalation würde sich Pekings politisches Scheitern vollends zeigen.

Um die jahrzehntealten Konflikte in Tibet und Xinjiang zu lösen, braucht es nicht nur eine andere internationale Medienpolitik, sondern echte Autonomie. Dazu ist aber die KP, die auch keine Autonomie für chinesische Organisationen kennt, nicht in der Lage. Solange sie an der Macht ist und ein Nationalismus dominiert, der einen Ausgleich mit Uiguren und Tibetern nicht zulässt, wird es immer wieder zu Gewalt kommen. Das sollte Hu in LAquila klargemacht werden.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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