Höhenflug der Ökopartei: Grüne gönnen SPD keine Stimme

Das gute Ergebnis bei der Europawahl hat den Grünen Schub verschafft. In Umfragen steht sie gut da, ihre Mitgliederanzahl wächst. Doch es fehlt die Machtoption.

Viel Gesicht, wenig Inhalt: Grünen-Spitzenkandidaten mit Plakaten. Bild: dpa

BERLIN taz Für den Bundestagswahlkampf, sagte Jürgen Trittin am Mittwoch, wollen die Grünen "etwas vielleicht auch Untypisches tun". Seine Partei sei fähig, erklärte der Spitzenkandidat, "das grüne Programm in drei Wörtern zu buchstabieren: Eine Million neuer Jobs. Jobs, Jobs, Jobs."

Das waren zwar sieben Worte. Doch welche drei Trittin meinte, ging spätestens aus dem Plakat hervor, das er dann gemeinsam mit Kospitzenkandidatin Renate Künast von seiner grünen Verhüllung befreite. "Jobs Jobs Jobs" stand darauf. Eine Sonne, ein Bauarbeiterhelm und ein Windrad sollen darauf hinweisen, in welchen Bereichen die Grünen ihre ökologischen und sozialen Arbeitsplätze gewinnen wollen.

Zur Zündung der Wahlkampf-Stufe "Plakatvorstellung" hatten die Grünen in ein Berlin-Kreuzberger Designer-Loft im Industrieambiente geladen. Es sei dies ein Ort der "kreativen Selbstständigen", sagte Künast und konnte so an ihre aktuelle Lieblingsbotschaft anknüpfen, wonach die Grünen das "moderne Bürgertum" erobern wollen.

Das gute Ergebnis der Europawahl von 12,1 Prozent, nach dem es sogar gelang, in den Medien die Vorstellung einer "grünen Volkspartei" zu nähren, hat der Partei Schub verschafft. Geschäftsführerin Steffi Lemke vermeldet eine "Eintrittswelle" von 100 Neumitgliedern pro Woche. Die frische Forsa-Umfrage, wonach die Grünen zum zweiten Mal in diesem Jahr bei 13 Prozent liegen, hob die grüne Laune am Mittwoch zusätzlich.

Da ersparten die Kandidaten sich auch die Antwort darauf, wie sich der vermeldete "Gestaltungs- und Machtanspruch" mit den miesen Werten einer rot-gelb-grünen "Ampel-Koalition" verträgt. Diese ist die einzig vorstellbare grüne Machtoption, fällt in den Umfragen aber hinter Schwarz-Gelb zurück.

Keineswegs haben die Grünen deshalb die Absicht, sich in der erneut hochgekochten Atomdebatte von einem plötzlich so entschlossenen SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel Stimmen klauen zu lassen. Das Atomthema "nimmt uns die SPD nicht weg", sagte Trittin. Gabriel greife "immer mit einem halben bis dreiviertel Jahr Verspätung grüne Thesen auf". Bislang habe er etwa vehement dagegen gekämpft, sieben Schrottreaktoren vom Netz zu nehmen. Erst nach dem jüngsten Vorfall in Krümmel habe es "einen Lernprozess gegeben."

Doch wollte Trittin auch die Kritik am Atomkonsens aus dem Jahr 2000 nicht zulassen, wonach Gabriel sich jetzt überhaupt erst profilieren könne, weil Rot-Grün damals die großzügige Verschiebung von Restlaufzeiten möglich gemacht hat. Immerhin laufen im Jahr neun nach dem Konsens noch 17 von 20 Reaktoren. Von den drei übrigen lag Mülheim-Kärlich seit 1988 - nach nur 100 Tagen normaler Laufzeit - still, das AKW Stade wollte der Betreiber sowieso wegen Unrentabilität abschalten. "Kein Land hat ein dermaßen geordnetes Vorgehen in dieser Hinsicht", sagte Trittin.

In den kommenden vier Jahren aber "müssen sieben weitere vom Netz", erklärte der Exumweltminister. Die parlamentarische Mehrheit für den Ausstieg aus dem Ausstieg, "die sehe ich noch nicht". ULRIKE WINKELMANN

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