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Demo gegen KillerspielverbotGamer auf der Straße

Computerballerer wollen nicht länger für Amokläufe und Kettensägenmorde herhalten. Deshalb demonstrieren sie in drei Großstädten gegen ein geplantes Verbot.

Gamer-Models auf einer Spielemesse in Los Angeles. Bild: ap

BERLIN taz | Bislang haben sie sich allenfalls auf Online-Foren zu Wort gemeldet. Nun wagen sie auch den Schritt aus der virtuellen Welt heraus. Am Samstag wollen sogenannte "Gamer" gleich in drei Städten auf die Straße gehen. Sie rufen dazu auf, in Berlin, Köln und Karlsruhe gegen das geplante Verbot von Killerspielen zu demonstrieren. Erwartet werden mehrere Tausend Teilnehmer.

In den vergangenen Monaten hätten Spiele wie "Counterstrike" zu oft für Amokläufe, "Super Smash Bro.Brawl" für gebrochene Schädel im Kinderzimmer und "Gears of War" für brutale Kettensägemorde herhalten müssen, heißt es in dem Aufruf. "Das ist selbstverständlich Blödsinn", so die Organisatoren. Vielmehr gebe es bei den Leitmedien ein "veraltetes Bild von soziopathischen Nerds, die nur darauf warten, den angestauten Hass auf die Vorstadt loszulassen". Unter dem Motto "Wir sind Gamer" wollen sie der Öffentlichkeit zeigen, dass Computer- und Videospiele genauso ihre Berechtigung haben wie Film, Fernsehen oder Literatur.

Interessant ist die Zusammensetzung des Demobündnisses: In allen drei Städten haben sich Redner von den Grünen ebenso angekündigt wie Vertreter von der Linken, der SPD, der FDP und der Piratenpartei. Zu glauben, dass mit einem Verbot von Spielen tragische Ereignisse wie der Amoklauf in Winnenden verhindert werden könnten, sei naiv, sagt der Landeschef der Berliner Grünen, Stefan Gelbhaar.

Entscheidend seien ganz andere Faktoren, wie zum Beispiel die psychische Verfassung gerade der jungen Täter. Es sei deshalb wichtiger, soziale Aus- und Abgrenzung schnell zu erkennen und diese entsprechend anzugehen, so Gelbhaar.

Fabio Reinhardt von der Piratenpartei spricht von "Sündenbockpolitik" und kritisiert vor allem die Beschlüsse der jüngsten Innenministerkonferenz, auf der sich für ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot von Killerspielen ausgesprochen wurde. Dies zeige bloß, wie hilflos die Politiker sind, auf gesellschaftliche Probleme zu reagieren, die sie nicht verstehen oder für die sie keine Lösung parat haben, so Reinhardt.

Während jedoch Waffenbesitzer über eine starke Lobby verfügen, sei dies bei Spielern nicht der Fall. Reinhardt bemängelt, dass es ein großes Unverständnis für das Freizeitverhalten der jungen Generation gibt. So wie in den 50er Jahren gegen Comics gewettert wurde, werde dies nun mit Computerspielen getan.

Die Demonstrationen sollen am Samstag in allen drei Städten um 14 Uhr beginnen. In Köln rufen die Organisatoren die Demo-Teilnehmer zudem dazu auf, ihre "Killer"-Tastaturen mitzubringen - "um den Leuten ihre tatsächliche Bewaffung zu zeigen".

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6 Kommentare

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  • F
    Flo

    Ich finde das auch eine tolle Idee. Nur:

    Bitte buht die SPD'ler von der Bühne. Das könnte am Ende noch die Glaubwürdigkeit kosten. Die SPD sitzt genau so im Boot wie die CDU. Beiden haben dort nix verlohren.

     

    An sonsten bin ich echt mal gespannt wie die Demos am Ende aussehen. Ich bin leider selbst verhindert.

     

    @Taz: Bitte neben dem Bericht auch eine Fotostrecke. :)

  • F
    FMH

    @S. Geis

    Entschuldigung, aber bei solchen Aussagen kommt mir immer wieder die Galle hoch.

    Zuersteinmal kommt hier von Ihnen die Unterstellung, dass sie jene Demonstranten für nichts anderes Interessieren würden als Computerspiele. Woher nehmen sie diese Erkenntnis?

    Zum Zweiten verstehe ich auch nicht, wieso die Betroffenen auf andere Demonstrationen gehen sollten _anstatt_ ihre eigenen zu organisieren? Erstens würde ihr Anliegen dabei vollkommen in den "sozial-politischen" Forderungen untergehen und zweitens werden diese Demonstrationen nicht selten von Organisationen und Parteien getragen, die offen für ein Verbot von Computer- und Videospielen sind.

     

    Natürlich hat die Forderung nach einem Computerspielverbot tiefere Gründe. Eine passende Bewegung dagegen existiert mit den "Freiheit statt Angst"-Demonstrationen bereits und es gibt gute Gründe zu behaupten, dass ein großer Teil der Menschen, die sich dort angagieren auch im Protest gegen ein Verbot von Computerspielen involviert sind.

    Wenn das Computerspielverbot, wie Sie es ausdrücken, "ein weiterer Sproß auf der Leiter zum Polizeistaat" ist, wieso sollte man dann genau gegen dieses Thema nicht demonstrieren und sich stattdessen, (-wieso muss sich dass den überhaupt ausschließen?-) einer "sozial-politischen" Demonstration, meinetwegen gegen soziale Ungerechtichkeit, anschlißen?

  • SG
    S. Geis

    Tja...ich finde es sehr schade, dass es anscheinend Menschen gibt, die sich keine anderen Sorgen machen, als dass "Killerspiele" verboten werden könnten. Anstatt bei den sozial-politischen Demonstrationen, die wohl auch die "Gamer" betreffen, zu besuchen, nun solch eine aberwitzige Demonstration.

     

    Lieber sollte man sich mal die Frage stellen warum es der sogenannten Regierung überhaupt erlaubt ist sich derart in unser Leben einzumischen und ob das so noch mit unserem Grundgesetz konform ist.

    Man sollte dann zu dem Entschluss kommen, dass ein "Killerspiel-Verbot" nur ein weiter Spross auf der Leiter zum Polzeistaat ist...

  • O
    onkelklaus

    Sogar die SPD ist aufgesprungen. Herrlich, die schrecken doch vor nichts mehr zurück. Hoffentlich wird deren Redner von der Bühne gebuht. Die hätten bei keiner Gesetzesverschärfung zustimmen müssen.

  • K
    karl

    halte ich für eine sehr gute idee diese demo, meiner meinung nach hat aber vor allem die esl (turtled entertainment, organisator der größten online liga in europa, ca 500.000 mitglieder) sich viel zu lange geduckt (aus angst, politischen rückhalt insbesondere in köln (cdu) zu verlieren).

    wird schwierig, jetzt im nachhinein viel zu reißen - das thema ist bei bildlesern schon wieder aus dem blickfeld und deswegen auch nicht mehr ernsthaft interessant für cdu und auch spd.

  • N
    nyck

    Hihihi! Schade, dass die Jungs nicht so verkleidet wie die Messe-Models oben auf dem Bild auf die Demo gehen.

     

    Ansonsten freue ich mich auf eine Ansammlung von Nerds in Gamer T-Shirts. Und es würde mich mal interessieren was die Vertreter der Politischen Parteien so spielen… Grüne: BioShock, FDP: Ports of Call, SPD: Sophies Ponyhof?