piwik no script img

Jan Delay über sein neues Funk-Album"Ich bin direkter geworden"

Der Hamburger Rapper spricht über die Motivation, seine neue Platte "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" mit Liebesliedern auszustatten, seine Wut anlässlich der Bankenkrise und warum er gläubig ist.

"Ich wähle einfach das kleinste Übel" - Rapper Jan Delay glaubt nicht an die Wahlprogramm der Parteien. Bild: ap
Interview von Dagmar Leischow

taz: Herr Delay, wer Ihr neues Album "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" hört, fragt sich, warum sind Ihre Songs nicht mehr so zornig wie früher?

Jan Delay: Klar gibt es Dinge, die mich wütend machen. Aber ich habe eben schon vieles in meinen alten Liedern thematisiert - da will ich mich jetzt nicht wiederholen. Der einzige politische Song ist diesmal "Kommando Bauchladen", ansonsten sind meine Texte persönlicher geworden.

Was ärgert Sie denn derzeit?

Eine Menge. Wir leben ja in einer Zeit, in der Manager, die tausende Leute entlassen haben, fette Millionenabfindungen kassieren. Wie kann sich unter diesen Bedingungen das ganze Land über eine Dienstwagen-Affäre aufregen, frage ich mich. So was nervt mich genauso wie die Wirtschaftskrise und die Art und Weise, wie wir da reingerutscht sind.

Sind Sie unzufriedener als vor zehn Jahren?

Wenn ich mir die Kids angucke, dann blicke ich schon ein bisschen optimistischer in die Zukunft. 13-Jährige sind heute einfach cooler, reflektierter, ich kann mich mit ihnen richtig gut über Subkultur unterhalten. Das war 1999 völlig anders. Zu "Bambule"-Zeiten standen bei den Beginner-Konzerten Teenager mit Zahnspangen in den ersten drei Reihen. Vorher waren sie bei Scooter, dann bei Blümchen und in dem Moment halt bei uns, bei den "Liebeslied"-Typen. Die hatten überhaupt keine Ahnung von HipHop oder von irgendwas.

Jan Delay

wurde 1976 als Jan-Philipp Eißfeldt in Hamburg geboren. Als Teenager entdeckte er HipHop für sich. Darum gründete er 1991 seine Band Absolute Beginner, die heute Beginner heißt. Neben ihm sind Denyo und DJ Mad weitere Mitglieder.

Der Durchbruch gelang dem Trio 1998 mit der CD Bambule. Sein Label Eimsbush rief er 1997 ins Leben, um junge Rapper zu fördern; es musste 2003 Insolvenz anmelden. Trotzdem ist er ein erfolgreicher Solokünstler. Sein Debüt "Searching for the Jan Soul Rebels" nahm er mit der Sam Ragga Band auf, es erschien 2001.

Im Jahr 2006 folgte das Album Mercedes Dance, mit "Wir Kinder vom Bahnhof Soul" (Universal) gibt es jetzt die Fortsetzung. Ab 9. Oktober geht Jan Delay mit seiner Band Disko No. 1 auf Tournee.

Was hat Sie eigentlich bei HipHop angezogen?

Nicht nur die geile Musik. HipHop ist eine Jugendkultur, in der sich letztlich alle über ihren ganz persönlichen Style definieren. Du saugst dir überall was raus, was du gut findest, und machst daraus dein Ding. Dieses Prinzip lässt sich übrigens auch auf andere Bereiche wie Politik übertragen. Ich bin nicht der Linke von den Grünen oder aus der PDS, ich habe mein eigenes linkes Spektrum. Dafür sampele ich aus allen Ideologien das Beste und bringe das mit meiner Identität zusammen. Das ist Janarchie!

Studieren Sie vor der Wahl alle Parteiprogramme?

Nee. Was soll das bringen? Ich weiß doch eh, dass Politiker nie ihre Versprechen halten. Interessiert mich auch nicht, was sich CDU oder SPD so vornehmen. Weil ich mit keiner Partei hundertprozentig daccord bin, wähle ich einfach das kleinste Übel. Leider darf ich ja nicht für mich selber stimmen. (lacht)

Es sei denn, Sie gingen in die Politik…

Viel zu anstrengend, da habe ich echt keinen Bock drauf. Ich bleibe bei meiner Musik. Plus: Als Musiker, der halbwegs cool aussieht und ihren Slang spricht, komme ich eher an die Kids ran als so ein dröger Politiker. Wenn es um Anti-G8-Aktionen geht, oder um Proteste gegen das Kohlekraftwerk Moorburg, dann bin ich dabei. Ich sage ganz ehrlich meine Meinung dazu, damit kann ich am Ende mehr bewirken als mit politischen Songs. Die erreichen nämlich nicht die Leute, die ich bekehren will. Sondern nur diejenigen, die sowieso mit mir auf einer Wellenlänge liegen.

Gemessen an Ihren bisherigen Plattenverkäufen scheinen Sie zahlreiche Fans zu haben. Wodurch Sie ziemlich viel verdienen.

Zugegeben: Geld ist mir verdammt wichtig. Wobei ich nicht von Yachten oder so einem Scheiß rede. Gott sei Dank stelle ich keine hohen Ansprüche, ich habe weder Auto noch Führerschein. Ich möchte einfach die Freiheit haben, mein Leben so leben zu können, wie ich will - ohne zu knausern. Ab und an in den Urlaub fahren, in Restaurants gehen, in denen ich nicht gleich erkannt werde, und so weiter.

Heißt das, Sie hätten sich einen anderen Job gesucht, wenn es mit der Karriere als Popstar nicht geklappt hätte?

Absolut. Ich bin in Hamburg-Eppendorf aufgewachsen, da waren alle reich, nur meine Familie nicht. Darum habe ich als Junge gesagt: Ich werde Börsenmakler. Das war mir damals tatsächlich ernst. Ich wollte auf jeden Fall die Gewissheit haben, dass ich genug verdiene und nicht am Hungertuch nagen muss. Diesen Plan mit meiner Musik zu verwirklichen, war natürlich hunderttausend Mal geiler. Zumal ich mich für den Erfolg kein bisschen verbogen habe.

Weshalb haben Sie dann Ihre Sprache vereinfacht und verzichten weitestgehend auf HipHop-Slang?

Ich dachte mir: Es wäre halt nicht schlecht, mit diesem Album möglichst viele Menschen anzusprechen. Ich bin direkter geworden, statt mit krassen Reimen und Rap-Insiderwitzen aufzutrumpfen, die einen Großteil der Leute ausschließen. Da braucht man ziemliches Szenewissen, um die überhaupt zu verstehen. Das wollte ich jetzt umgehen.

Aber Liebeslieder hätte man von Ihnen wirklich nicht erwartet. Wieso haben Sie plötzlich Ihre romantische Ader entdeckt?

Na ja, so abrupt kam das gar nicht. Gefühlvolle Sachen habe ich schon vor zehn Jahren geschrieben. Allerdings war es mir irgendwie unangenehm, die auch selber zu performen. Wenn ich mal in einem Konzert so eine Ballade gesungen habe, dann habe ich mir Kompositionen von anderen rausgepickt. Selbst dabei habe ich mich ein wenig geschämt, nun bin ich - hoffentlich - entspannter und mutiger.

Wo ist Ihr Selbstbewusstsein geblieben?

Ich kann durchaus aus einem gesunden Selbstvertrauen schöpfen. "Bambule" war quasi das Fundament meiner musikalischen Selbstsicherheit. Ich hab gleich gewusst: Das ist sehr gut, was wir da machen. Wir waren einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort - mit der nötigen Portion Talent. Es hat also alles gestimmt. Und später, bei meinen Solosachen, wurde ich auch ein paar Mal gelobt. Daran bin ich gewachsen. Im Studio verzettele ich mich nicht mehr. Ich weiß genau, wann bei einem Song 120 Prozent erreicht sind.

Apropos "Bambule": Was empfinden Sie, wenn Sie auf Ihre Eimsbush-Tage zurückblicken?

Am Schluss gabs nur noch Stress und Schulden. Aber anfangs hatte ich eine sehr geile Zeit mit meinem Label. Wir waren um die 20 Leute, die ständig auf einem Fleck hockten. In zwei Jahren hatten wir ein gigantisches Output. Daran ist nie wieder irgendwer in diesem Land rangekommen. Einen Raptrack macht man eben ganz locker an einem Tag. Kein Vergleich zu meinen Funk-Songs, an denen ich etliche Monate penibel gefeilt habe.

Weil Sie extrem ehrgeizig sind?

Sehr, sehr ehrgeizig. Ich reiße mir komplett den Arsch auf, um meine Platten wirklich perfekt zu machen. Das heißt aber nicht, dass ich völlig spaßfrei durchs Leben gehe. Aus Spaß und Glück ziehe ich die Kraft für meine Arbeit, für Protest oder Widerstand. Deswegen finde ich es völlig okay, kleine Sünden zu begehen. Solange sie sich in einem gewissen Rahmen bewegen und ich sie mir selbst verzeihen kann, ist alles super. Schließlich darf man auf dem Weg zum Gutmenschen nicht verkrampfen.

Was sind denn für Sie kleine Sünden?

Das zähle ich ja in dem Lied Oh Jonny auf. Zum Beispiel keine Energiesparbirnen zu verwenden. Bild-Zeitung lesen fällt sicher auch darunter. Trotzdem würde ich keinem die Freundschaft kündigen, bloß weil der mal in der Bild blättert - das wäre mir zu kleingeistig. Ich würde das eher mit einem bösen Spruch abtun.

Sünde ist ein religiöser Begriff. Sind Sie gläubig?

Ja. Wenn man nicht glaubt, hat man keine Hoffnung, keine Ziele. Darum ist Religion eigentlich eine gute Idee, leider hinkt die Umsetzung. Wer Regeln und Gebote aufstellt, verrät den Glauben. Es darf halt keinen geben, der diktiert, woran man glauben soll. Jeder kann sich doch seinen ganz persönlichen "Flashgott" suchen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

12 Kommentare

 / 
  • A
    aka

    "Bullenpropaganda auf Kabel 1" ?

    Hab kein Fernseh - bitte um Aufklärung!

  • P
    Peter

    Schön, daß Herr Eißfeldt jetzt auch

    in der Neuen Mitte angekommen ist.

     

    Wann gibt's die erste Homestory?

  • U
    unikum

    mein gott, er ist aber einfach auch ein extrem hohles brot, dieser herr delay. das seine hohlheit seinen stuss in ein diktiergerät der taz sabbeln darf schmeichelt natürlich deshalb so, weil der ja mal irgendwas mit der raf zu tun hatte. gähn! seine musik ist geschmackssache. seine schlecht sitzenden anzüge auch. aber der hohlheitsfaktor ist unstrittig hoch.

  • B
    Benjamin

    @ Dennis

    Doch ich habe den Song gehört und ich kenne die Beginner seit "Flashnizm". Das ändert aber auch nichts an der Tatsache, dass sie eben nicht so "Anti" waren / sind, wie sie es vorgaben zu sein. Da kommt es halt einfach lächerlich, wenn jemand was von Fakern, Sellout etc. erzählt, aber selbst beim großen Major hockt und die - wie Delay / Eißfeld sagt "Scooterfraktion" in der ersten Reihe stehen hat. Ich beziehe mich auch nicht_nur auf die Beginner Sachen, sondern auch explizit auf die Delay Sachen, die ja teils noch "kritischer" waren.

     

    Was die Kritik an "Rap" bzw. diesen Figuren mit einem "Faschistenland" zu tun hat, entzieht sich meiner Logik. Aber wahrscheinlich ist jeder ein Faschist, der nicht auf derselben Welle reitet.

     

    Als Rapper / Person lob ich mir da jemanden wie Frederik Hahn (die coolen Rapkenner sollten ja wissen wer das ist), der zumindest aus meiner Sicht heraus keine dieser Kommerzaluren hatte, aber trotzdem sehr gute Musik wie Texte geschrieben hat.

  • BH
    Björn Hens

    Die Songs sind geil, die Texte zum großen Teil auch. Vielfältig ist er. Aber man hat manchmal das Gefühl, dass man den Jan beim erwachsen werden beobachten kann. Die Gesellschaftskritik ist wirklich nicht sehr authentisch, zu mal der Herr ja am liebsten NIKE trägt, so weit ich weiß. ;) Aber gut, er geht offen damit um. "Denn ich weiß eins, wer weniger weiß, der kann besser schlafen!" (Ahn ich gar nicht, Mercedes Dance)

  • E
    ede

    ich bin jan delay- fan.

     

    na klar stellt er eine figur dar und ist in gewissen hinsichten inkonsistent. aber das sind alle musiker. würden sie das umsetzen wollen was sie in ihren songs vertreten, hätten sie auch gar keine zeit mehr zum musik machen sondern wären am ende selbst politiker und müssten sich auch für alles und jeden beschimpfen lassen. ich find seine inputs gut, zeugt alles von gesundem menschenverstand.

  • D
    Djinn

    Wie schön Rosi, dass du so viel Ahnung hast.

     

    Ich nehme an, dass du sämtliche Rapper und ihre Texte kennst und deshalb auch zweifelsfrei beurteilen kannst, ob jemals ein Rapper etwas Vernünftiges formuliert hat.

     

    Zum Thema Jan Delay und Politik muss ich euch leider Recht geben. Alles nicht mehr das, was es mal war...

  • D
    dennis

    auch wenn ich eissfeldt persoenlich nicht mag, ist er mir noch tausendmal sympathischer als die meisten leserkommentarschreiberlinge hier.

     

    wenn ich das schon lese, er haette "liebeslied" nicht rausbringen sollen und bla, ihr habt doch diesen song noch nie richtig gehoert. das war 1998 ne vorgabe von universal und es heisst nicht liebeslied, sondern "liebes lied". find ich nicht so bloed wie man da die vertragsvorgabe geschickt umgangen ist. aber so ist das mit euch betonkoepfen. ihr habt sicherlich auch sido noch nie richtig zugehoert. ihr seht seine bescheurte maske und dann ist euch alles klar oder was? wieder so ein bnekloppter rapper. scheisse ist klar. so ein unglaubliches faschistenland, links wie rechts.

  • R
    Rosi

    Kein Talent, keine Ahnung, kein Thema.

     

    Langweilig-hohles Hiphopper-Gefasel. Von einem Rapper ist noch nie ein einziger vernuenftiger Satz formuliert worden.

  • B
    Benjamin

    Da kann ich Lars nur recht geben.

    Insbesondere wenn Herr Delay Lieder wie "Ich will nicht das ihr unsere Lieder singt" rausbringt aber gleichzeitig ein möglichst breites Publikum ansprechen will, wodurch die Kritik des Songs natürlich ad absurdum geführt wird. Auch zu Bambule-Zeiten hätten die Absoluten Beginner "Liebeslied" ja nicht als Single veröffentlichen müssen. Hatte halt Kohle gebracht, ist IMO auch nicht verwerflich, aber dann soll er bitte nicht so auf anti-kommerz machen.

     

    Jan Delay ist aus meiner Sicht ein inkonsequenter Kritiker, der seinen eigenen Anforderungen nicht gerecht wird, diese nur noch als Imagepflege betreibt. Ein Pseudo-Gesellschaftskritiker, für andere Pseudos, der selbst schon zum Establishment gehört und sich ja damit auch ganz wohl fühlt.

  • B
    bla

    Jo der Kollege klingt leider nen bisl Hochnäsig.

     

    Aber würde nich schon gerne für sich selbst wählen, schließlich weiß man ja selbst alles am besten.

  • L
    Lars

    Jan Delays Meinungen zu G8 und Moorburg sind so uninteressant wie nachgeplappert. Unwichtiger Wichtigtuer, der seine Musik für Bullenpropaganda auf Kabel 1 hergibt.