piwik no script img

die wahrheitSchule der Klapperschlangen und Kugelschreiber

Die Caricatura Kassel hat in ihrer Sommerakademie wieder Nachwuchskräfte für das knallharte Fach Komik gestählt.

Frisch aus der Werkstatt stammen die noch rohen Karikaturen von Siegfried Böttcher. Bild: Caricatura

Zu gern möchte man einmal in den Kopf von Rattelschneck gucken, was dort für seltsame Dinge vor sich gehen, bevor, während und nachdem eine komische Zeichnung entsteht bzw. entstanden ist. Normalerweise ist das unmöglich, allein schon deshalb, weil Rattelschneck nicht nur einen Kopf hat, sondern ein Duo ist, das aus Markus Weimer und Olav Westphalen besteht. Doch in diesem Sommer haben sich die beiden Rattelschnecks bereit erklärt, die alljährliche Sommerakademie für Komische Kunst der Caricatura Kassel zu leiten und sich von Nachwuchskräften zumindest über die Schulter schauen zu lassen. Vom 2. bis 9. August entwickelte das Rattelschneck-Duo knifflige Aufgaben für die künftigen Hochkomiker.

21 Teilnehmer aus ganz Deutschland und aus Wien waren angetreten, die Herausforderung der Rattelschneck-Lehre anzunehmen. Täglich ab zehn Uhr begann die Arbeit am leeren Blatt und endete erst, wenn der Stift nicht mehr gehalten werden konnte - was in der Regel gegen Mitternacht war, wenn der Stift vom Bierglas abgelöst wurde, wie es heißt.

Als Verstärkung hatten sich die Rattelschnecks diverse Hilfskräfte herbeigeholt. So gaben die Zeichner OL und Stephan Rürup Einblicke ins komische Handwerk. Außerdem breiteten Oliver Thomas Domzalski als Humorbereichsleiter des Carlsen Verlags und Ecki Kühn vom Postkartenvertrieb modern times sowie der Titanic-Chefredakteur Leo Fischer Grundlagen des Humorgeschäfts aus.

Vier Werke, die so frisch sind, dass man die Farbe noch riechen kann, wenn man die Nase nur nah genug an die Seite hält, hat die Wahrheit ausgewählt: Zeichnungen von Jakob Schreier, einem 23-jährigen Studenten aus München; von Leo Riegel, einem 26-jährigen Göttinger, der an der Kunsthochschule Kassel Illustration studiert; von Marco Finkenstein, einem 38-jährigen Designer und Cartoonisten aus Hannover; und von Siegfried Böttcher, der 1966 in Kaiserslautern geboren wurde, seit 1989 in Kassel lebt und das Motto hat: "Ich bin Bildhauer, und wenn man mir einen Stift gibt, dann hau ich auch ein paar Bilder raus."

Die Zeichnungen sind noch roh, wie man das von einem Werkstück erwartet, das frisch vom Tisch des Produzenten gezerrt wurde. Und doch zeigt sich bereits ein erstes Ergebnis der Schulung: Sie sind verdammt komisch. Die Rattelschnecks hatten den Akademisten die Aufgabe gestellt, mit einfachen Mitteln gegensätzliche Dinge auf möglichst absurde Art zusammenzubringen. Sind die Rattelschnecks doch selbst Spezialisten fürs Einfache. Mit ihren Kugelschreibern reduzieren sie ihren sehr eigenen Witz auf nur wenige Striche.

Zwar haben sich die Komikschüler bei ihren ausgewählten Karikaturen nicht unbedingt an diese Vorgabe gehalten, aber genau das macht ihre Qualität aus, dass sie ihrem eigenen Stilempfinden gefolgt sind und nicht dem Klappern ihrer Zeichenlehrer. In der Sommerakademie sollen schließlich neue und bislang verborgene Humorkräfte ans Tageslicht befördert werden.

Auch vom Akademie-Jahrgang 2009 lässt sich wieder sagen: Wir werden von einigen Zeichnern in Zukunft noch manches zu sehen bekommen.

Sommerakademie für Komische Kunst der Caricatura Kassel, Ausstellung vom 22. 8. bis 29. 8. 2009. Ausstellungseröffnung am 21. 8. 2009, 19.30 Uhr. Öffnungszeiten: Do., Fr. 14 bis 20 Uhr, Sa., So., Feiertag 12 bis 20 Uhr. Caricatura - Galerie für Komische Kunst im KulturBahnhof, Bahnhofsplatz Kassel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • WV
    Weit vorn

    Und was ist mit dem Dreierbildner Tom? Zumindest erwähnen hätte man ihn mal können, steht er doch im Karikaturen-Gewerbe ganz weit vorn, setzt er doch den Betrachter Tag für Tag in Erstaunen. Wie schafft der das bloß? Zumal es ihm wie nur Wenigen gelingt, den immer gleichen Figuren immer Neues, Unerwartetes abzugewinnen, gedanklich wie zeichnerisch.