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Völkermord-Ermittlungen in RuandaNach 15 Jahren im Busch gestellt

Der gesuchte ruandische Völkermordverantwortliche Gregoire Ndahimana ist im Kongo festgenommen worden. Er hatte 1994 ein Massaker an 2000 Tutsi in einer Kirche angeordnet.

Jesus über Totenschädeln: Katholische Kirche in Ntarama (Archivfoto von 2004). Bild: dpa

BERLIN taz | Ein flüchtiger Haupttäter des ruandischen Völkermordes von 1994, bei dem innerhalb weniger Monate über 800.000 Menschen von Armee und Hutu-Milizen getötet worden waren, ist gefasst. Grégoire Ndahimana, vom UN-Tribunal für Ruanda mit Haftbefehl gesucht, wurde am Dienstag in einem Dorf in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu festgenommen. Das erklärte die Regierung der Demokratischen Republik Kongo, während in Nord-Kivus Provinzhauptstadt GomaUS-Außenministerin Hillary Clinton verstärkte Anstrengungen gegen sexuelle Gewalt und andere Menschenrechtsverletzungen im Kongo forderte. Ndahimana soll nun an den Sitz des UN-Tribunals im tansanischen Arusha überstellt werden.

Ndahimana wird für eines der schlimmsten einzelnen Massaker des Völkermords in Ruanda verantwortlich gemacht: die Tötung von 2000 Tutsi in der Kirche von Nyange am 15. April 1994. Nach Beginn der Massaker an Tutsi in Ruanda in der Nacht zum 7. April hatten sich verängstigte Tutsi überall im Land in Kirchen geflüchtet, in der Hoffnung auf Schutz. In Ndahimanas Gemeinde Kivumu organisierten die Behörden selbst Massentransporte von Tutsi in die Kirche von Nyange. Als die Kirche voll war, ordneten die kommunalen Verantwortlichen ihre Einebnung per Bulldozer an.

"Das Dach fiel ein und die mehr als 2000 Flüchtlinge im Gebäude starben", heißt es in der Anklageschrift des UN-Tribunals. Wer überlebte, den hätten die Milizen erledigt. Der Pfarrer der Kirche von Nyange, Athanase Seromba, hatte sich geweigert, die Tutsi zu schützen und stattdessen Angriffe auf sie angeordnet. Er wurde bereits vom UN-Tribunal zu lebenslanger Haft verurteilt und sitzt seine Strafe im westafrikanischen Benin ab.

Bürgermeister Ndahimana, gegen den das UN-Tribunal 2001 Haftbefehl ausstellte, war bislang im Kongo flüchtig. Ruandas Völkermordregime war im Juli 1994 gestürzt worden und hatte sich in den benachbarten Kongo abgesetzt. Wichtige Verantwortliche des alten Regimes leiten heute die Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) im Ostkongo. Ndahimana ist einer von 12 Völkermordverantwortlichen, die vom UN-Tribunal noch immer mit Haftbefehl gesucht werden und von denen die meisten im Kongo vermutet werden. Er steht auch auf einer Fahndungsliste der US-Regierung für Völkermordverantwortliche aus Ruanda. Was genau er bislang im Kongo gemacht hat und unter welchen Umständen er jetzt festgesetzt wurde, ist nicht bekannt. Er gehörte nicht zur FDLR-Führungsriege, dürfte mit dieser aber in Kontakt gestanden haben.

In Goma wird spekuliert, Ndahimanas Festnahme könne Teil eines Deals zwischen Kongos Regierung und der FDLR sein, mit dem die FDLR guten Willen gegenüber der Regierung beweisen will und die Regierung guten Willen gegenüber den USA und der UNO. Kongos Präsident Joseph Kabila hält sich seit Ende Juli in Nord-Kivu auf und soll die FDLR-Führung getroffen haben. Offiziell läuft im Ostkongo eine Offensive kongolesischer Regierungstruppen gegen FDLR-Basen.

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2 Kommentare

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  • J
    Julia

    Danke an die taz, insbesondere an Dominic Johnson, dessen Artikel immer wieder dazu beitragen, dass der Völkermord in Ruanda nicht in Vergessenheit gerät.

  • I
    IchBinKonservativ

    Ich habs damals gesagt, ich werds wieder sagen: Bei SOWAS muss die Völkergemeinschaft eingreifen und Panzer und Hubschrauber schicken - unabhängig von abstrusen "Öl Shell Blut"-Vorwürfen.

     

    Einfach hin, schützen, helfen.