Geplante Massenimpfungen: Das Geschäft mit der Grippe

Für Pharmaunternehmen sind die geplanten Massenimpfungen gegen die Schweinegrippe ein Riesengeschäft. Den Umsatz teilen sich in Deutschland nur zwei Firmen.

Ganz wenig Impfstoff und das ganz große Geschäft: 500 Millionen Euro gibt allein Deutschland für die Schweinegrippe-Impfung aus. Bild: dpa

BERLIN taz | Dass die Schweinegrippe-Impfung ein gutes Geschäft für die Pharmaindustrie wird, bezweifelt wohl niemand. Weltweit platzieren Regierungen ihre Bestellungen. In den Verhandlungen über Mengen, Lieferzeiträume und Preise sitzen ihnen etliche Riesen der Branche gegenüber. Der Kunde Staat muss abwägen: Bestelle ich früh und mit Rabatt? Nehme ich mehr - zum besseren Preis? Und wie viel ist zu viel?

"Wir sind sozusagen zum Milliardendealer avanciert", formuliert Thomas Schulz, Pressesprecher des Gesundheitsministeriums in Thüringen, salopp. Sein Bundesland sitzt gerade der Gesundheitsministerkonferenz vor und koordiniert die Bestellung des H1N1-Impfstoffs in Deutschland. Wollten sich alle Bundesbürger impfen lassen, müssten für Vakzine und Verabreichung zwei Milliarden Euro ausgegeben werden, sagt Schulz. Ein solches Szenario aber ist unwahrscheinlich.

Fest geordert haben die Länder bisher je zwei Impfdosen für rund 25 Millionen Menschen. Laut Schulz kostet diese Menge rund 500 Millionen Euro. Den Umsatz teilen sich zwei Unternehmen: GlaxoSmithKline (GSK) und Novartis. Über Nachbestellungen berät eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern im Kanzleramt. Die Preise für eine neue Order müssten neu mit den Firmen verhandelt werden.

Allein GSK hat sich laut Focus Bestellungen von 16 Ländern für 195 Millionen Dosen gesichert. Die kleine Schweiz hat laut Medienberichten 13 Millionen Dosen bei GSK bestellt, weitere 13 Millionen bei Novartis. Für den US-Markt produzieren fünf Hersteller: GSK, Novartis, Sanofi Pasteur, Medimmune und CSL. Die amerikanische Regierung plant eine Order von 195 Millionen Dosen. Weltweit sind laut GSK rund 20 Unternehmen an der H1N1-Impfstoff-Produktion beteiligt.

Die Vorbereitungen auf ein Geschäft mit einer weltweiten Grippewelle laufen seit Jahren. "Wir forschen seit 1997 an Pandemie-Impfstoffen", sagt Anke Helten, PR-Managerin bei GSK. Rund 190 Millionen Euro habe ihr Unternehmen in den vergangenen Jahren investiert, um sein Impfstoff-Werk in Dresden zu modernisieren und neue Kapazitäten aufzubauen. Konkurrent Novartis gab allein 60 Millionen Euro für eine 2007 eröffnete neue Produktionsanlage in Marburg aus.

Die Financial Times Deutschland hat mehrfach über das Interesse großer Unternehmen am Impfstoffmarkt berichtet. "Dieses Thema liegt stark im Trend bei Pharmaherstellern", bestätigt Martin Brunninger, Analyst beim Investmenthaus Bryan, Garnier & Co. in London. Die "Produktpipelines" der Pharmaindustrie seien "stark verbesserungswürdig". Soll heißen: Im traditionellen Geschäft fehlt es an Produktnachschub, der Gewinn verspricht.

Das Geschäft mit Impfstoffen habe für die Industrie mehrere große Vorteile, erklärt Brunninger: "Es geht um biologische Produkte. Man kann sie schwer bis gar nicht kopieren. Das heißt: Auch nach Ablauf der Patente sind die Eintrittsbarrieren für die Konkurrenz sehr hoch." Außerdem sei die Abnahme für Vakzine relativ stabil. "Es gibt immer wieder große Verträge mit Regierungen."

Auch das Grippe-Geschäft ist aber nicht ohne Tücken für die Industrie. Nach Recherchen der Neuen Zürcher Zeitung sitzt Novartis noch immer auf Vakzin-Vorräten gegen das Vogelgrippevirus. Auch seien Regierungen sehr zögerlich mit Abnahmegarantien gewesen, als das Unternehmen im April beschloss, seine Produktion für den H1N1-Impfstoff zu verzehnfachen.

Wie viel die Hersteller tatsächlich loswerden können, ist noch offen. Die feste Bestellung aus Deutschland soll für 30 Prozent der Bevölkerung ausreichen. Die Impfung gegen saisonale Grippe nutzen laut Ministeriumssprecher Schulz im Schnitt nur 22 Prozent. Er rechnet damit, dass das Interesse bei der Schweinegrippe - aufgrund der Berichterstattung - viel höher liegen wird.

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