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Nachruf Günther KahrsMeister Propper wird vermisst

Eine spezielle Kulturgröße ist mit dem Viertel-Aktivisten Günther Kahrs alias "Meister Propper" gestorben. Er inszenierte sich selbst - und wurde dafür geliebt.

So kannten die meisten "Meister Propper", immer gut gelaunt, immer voller Power. Bild: thomas kuzaj

BREMEN taz | Für Marlene Stamerjohanns ist der Tod von Günther Kahrs, bekannt als "Meister Propper", kein letzter Akt der Selbstbestimmung. Die 72-Jährige macht seit Jahren bei Kahrs' Poetry Slams mit, bei der letzten, vergangenen Donnerstag, bat er sie, an seiner Stelle zu moderieren. "Du kannst den Leuten ruhig sagen, dass ich Panikattacken habe", habe er zu ihr gesagt - "das ist eben eine Krankheit". Am Tag darauf beendete er sein Leben an der Bahnstrecke Bremen-Hamburg.

Kahrs gehörte zu den das "Viertel" prägenden Aktivisten, seit 20 Jahren arbeitete er als unermüdlich subversiver Veranstalter, der seine Slams mit handcollagierten Flyern, Spuckis und sich selbst als wandelnder "Marke" bewarb. "Er war selber eine Show", sagt Stamerjohanns - mit der sorgte er für einen unverwechselbaren Rahmen der Slams. Da war immer der Film im Hintergrund, das gut gesetzte Licht und die erstaunliche effiziente Sponti-Moderation: "Wer Ruhe will, soll Drogen nehmen!"

Dabei war Kahrs keineswegs eine One-Man-Show. Stamerjohanns: "Er hat Leute nach vorn gebracht, die später etwas geworden sind" - zum Beispiel Bas Böttcher, der längst weltweit im Auftrag des Goetheinstituts slamt. Die Meister Propper-Rolle, entstanden durch die erstaunliche Ähnlichkeit mit der Werbefigur, ermöglichte Kahrs auch die Übernahme diverser "Unterrollen", zuletzt die eines Nazis im Radio Bremen-Tatort. Daneben machte er Bürgerfunk. Zu den von Kahrs gern erzählten Geschichten gehörte auch die vom damaligen Bildungssenator Henning Scherf, der sich gegen sein Berufsverbot als Lehrer engagiert habe. Später arbeitete der 57-Jährige als Nachtwache in karitativen Einrichtungen.

Dass Kahrs eine im besten Wortsinn schillernde Figur ist, lässt sich auch an seiner politischen Vita ablesen: Er arbeitete als Referent der ersten grünen Landtagsfraktion, war Mitte der 80er Jahre grüner Vorstandssprecher - und wollte 1999 mit seinem "Verein für Dada und Lebensfreude" Bürgermeister werden. Als ihn der Landeswahlleiter wegen des "Fehlens ernster politischer Inhalte" von der Liste strich, wurden in der Stadt Lokale eröffnet, in denen man nur Meister Propper wählen konnte.

Das Sich-Abkämpfen an behördlichen Vorgaben gehörte für Kahrs offenbar zum Lebensskript - zuletzt in Bezug auf seinen Club im "Lonely Planet Boy" über dem Sielwalleck, der unter anderem wegen der fehlenden Konzession Pleite ging. Zuvor war der Club jedoch ein verzehrzwangfreier Melting Pot für jungen Punks, erlebnisoffene 40-Jährige und HFK-StudentInnen, die ihre experimentelle Kunst einbrachten. Kahrs schaffte immer wieder Orte zur spontanen Betätigung: Schon die Kellerbühne in der Weberstraße, auf der alle möglichen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund ohne Anmeldung auftraten, entwickelte sich bis zur Schließung 2000 zu einem subkulturellen Kristallisationspunkt.

"Er hatte immer eine Idee und lag immer ein bisschen quer", sagt Peter Rüdel, der Kahrs aus grünen Urzeiten kennt. Viertel-Bürgermeister Robert Bücking, der mit Kahrs - wie viele andere - heftige Auseinandersetzungen ausfocht, ist beeindruckt von der "konsequenten Metamorphose", durch die sich Kahrs zur Kunstfigur "Meister Propper" verwandelte. Das habe ihn einerseits stark gemacht und zu dem "unglaublich schroffen Auftreten" befähigt, mit dem Kahrs seine Projekte verfocht - und ihm andererseits außerordentliche Sympathien eingebracht. Bücking: "Die Leute schätzten ihn für seine Originalität."

Kahrs wird kommenden Donnerstag um 13.45 Uhr auf dem Buntentorfriedhof beerdigt. Auf dem Viertelfest, wo Kahrs vergangenes Jahr einen von der Polizei argwöhnisch beäugten Auftritt mit der Rapperin "Lady Bitch Ray" hatte, will das Lagerhaus ein Gedenken veranstalten.

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19 Kommentare

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  • J
    Jenni

    Günther,

    alles Liebe zum Geburtstag...

    Ich hätts dir gern persönlich gesagt und seh erst heute, dass es nicht mehr geht.

    Emo in Rastede - was für ein Erlebnis. Traurig warst du, danke dass ich auch diese Seite von dir sehen durfte.

    Machs gut, ich denk an dich.

    Deine Jenni

  • KA
    Karin Albers

    Hallo Zusammen,

     

    ich habe erst gestern von Günthers Tod erfahren, leider hatten wir uns für Jahrzehnte aus den Augen verloren. Ich habe Günther in der späten 70-ern in Erinnerung, er wohnte um die Ecke, bei der Schneekatatrophe (in Zeven)werde ich nie vergessen, wie er in seinen alten R5 (wir hatten alle alte Autos) von hinten eingestiegen ist, vorne zwei Gucklöcher gekratzt. Wir haben viel Zeit miteinander verbracht, manchmal stand er schon frühmorgens mit Brötchen vor der Tür. An seinem späteren Leben hatte ich leider keinen Anteil; er war ein zarter und sehr sensibler junger Mann und als solchen möchte ich ihn in Erinnerung behalten.

    Gute Reise Günther, große Umarmung von Karin

  • K
    Kersten

    Was für ein Verlust für die Stadt Bremen und wie krass, dass es kaum jemand zu kapieren scheint... und wie es aussieht: was für ein lausiger Abschied! Günther war wenigstens noch ein Charakter - ich werde ihn vermissen!

     

    Ruhe in Frieden und wenn Dir das Glück winkt, winkt zurück, Günther!

     

    DJ Kersten (mittlerweile in Berlin).

  • V
    Viertelgänger

    Ein unwürdiger Abschied...

  • E
    EinerUnterVielen

    And death shall have no dominion.

    Dead mean naked they shall be one

    With the man in the wind and the west moon;

    When their bones are picked clean and the clean bones gone,

    They shall have stars at elbow and foot;

    Though they go mad they shall be sane,

    Though they sink through the sea they shall rise again;

    Though lovers be lost love shall not;

    And death shall have no dominion.

     

    And death shall have no dominion.

    Under the windings of the sea

    They lying long shall not die windily;

    Twisting on racks when sinews give way,

    Strapped to a wheel, yet they shall not break;

    Faith in their hands shall snap in two,

    And the unicorn evils run them through;

    Split all ends up they shan't crack;

    And death shall have no dominion.

     

    And death shall have no dominion.

    No more may gulls cry at their ears

    Or waves break loud on the seashores;

    Where blew a flower may a flower no more

    Lift its head to the blows of the rain;

    Though they be mad and dead as nails,

    Heads of the characters hammer through daisies;

    Break in the sun till the sun breaks down,

    And death shall have no dominion.

     

    by Dylan Thomas

  • A
    Anton

    Hallo Günther!

     

    Du machst mich traurig und ärgerlich-

     

    Erst jetzt ist mir richtig klar, was du alles für die Menschen/Bremen gerissen hast.

     

    I took your work for granted, now I realize how important you've been!

     

    Danke

  • S
    steph.

    Gott ist rund. Schade, dass du es nicht warst.

  • D
    DAN

    Er war ein Förderer und Verehrer.

    Er war ein Gentleman.

  • G
    GrooveX

    showdown

     

    oh herr

    lass mich an diesem kelch

    niemals vorüber gehn

    ich will ihn doch

    nur einmal noch

    zur neige gehen sehn

    lass mich noch einmal

    an ihm schnuppern

    den bittern trank

    den düstern rausch

    genießen

     

    doch dieser western

    ist schnee von gestern

     

    sehr schräg: derdiedas catcha heißt 'bahn'

  • HA
    HeartBeat aus Berlin

    Hey Günther, du hast dich nie verkauft, viel gelacht, dein Herz war nie ein Kühlschrank. Bestell schon mal zwei Becks. Dann gucken wir Werder und überlegen uns neue Spässe um Spiessern den Spiegel vorzuhalten. Zee ya + don´t panic! Und beim nächsten mal stirbst du nicht alleine, VASTANDEN?!

  • E
    Erwin

    Ja, die Frage ist berechtigt: wann ist die Beisetzung? Und gibt es womöglich noch ein Gedenken an anderer Stelle?

  • H
    HeiZa78

    Herzliches Beileid

     

    unvergessen bleiben die coolen, witzigen und besonders zum schluss wilden sessions im legendaeren "offenen keller bremen" .. zentrifugal wie erwaehnt und diverse andere bremer hip-hop acts durften seinen support geniessen

    ob auf der breminale im lagerhaus oder auf und hinter welchen buehnen auch immer man ihn sah, strahlte er fuer mich immer die echte alte lebensart des viertels aus. derartige stadtteile schoepfen ihre attraktivitaet aus leuten wie ihm, nicht aus amtshandlungen, einzelhaendlern und miethaien.

    Er hat es wie kein anderer verstanden das authentische kunst in welcher form auch immer, nur aus einer gewissen anarchie heraus entstehen kann.

     

    ich habe das alles immer sehr gemocht was er angefasst hat und moechte mich an dieser stelle dafuer bedanken.

  • H
    HeiZa78

    Herzliches Beileid

     

    Unvergessen bleiben die coolen, witzigen und besonders zum schluss wilden sessions im legendaeren "offenen keller bremen" .. zentrifugal wie erwaehnt und diverse andere bremer hip-hop acts durften seinen support geniessen.

    Ob auf der breminale im lagerhaus oder auf und hinter welchen buehnen auch immer man ihn sah, strahlte er fuer mich hier in Bremen immer die wahrhaftige urbane moderne kultur aus.

    Er hat es wie kein anderer verstanden das urbane kunst in welcher form auch immer, die authentisch sein will, nur aus einer gewissen anarchie heraus entstehen kann.

     

    Ich habe das alles immer sehr gemocht was er angefasst hat und moechte mich an dieser stelle dafuer bedanken.

  • BK
    Bernd Kunick

    Ein unersetzbarer Verlust - da kommt erstmal lange gar nichts.

  • ES
    Erich Seifert

    Die Stadt Bremen hat eine schillernde Figur verloren und ist damit ein Stück weit Ärmer geworden.

    Konsequent und ohne Respekt vor der Obrigkeit stand er für seine Meinungen ein und kämpfte für sie.

    Wir werden Dich vermissen.

     

    In Gedenken

     

    Erich Seifert

    Sozialer Wohlfahrts- und Beratungsverband

  • B
    Bastian

    Fly High Meister Propper! Auf die genialen Techno/House-Events Anfang der 90er! Und auf den Lonely Planet Boy Club am Eck! Bastian, Berlin

  • D
    daniel

    Ein wunderbarer Mensch.

     

    Daniel

  • TN
    Triskell Noell

    Die Gläser hoch auf MEISTER PROPPER !

     

     

    Ein Freund, ein Künstler, ein Besonderer... !!!

     

     

     

    In Gedenken

     

    Triskell Noell

  • E
    eva

    kommenden donnerstag also morgen??