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Plutonium-Irrtum im Lager AsseSie haben sich einfach nur verzählt

In dem maroden Atommülllager lagert dreimal mehr Plutonium als jahrelang vom Betreiber angegeben. Es sei ein einfacher Übertragungsfehler gewesen, so die Begründung.

Bei diesem Durcheinander ist es ja auch schwierig mit dem Zählen. Bild: dpa

Der frühere Betreiber des Atommülllagers Asse, das Helmholtz-Zentrum München, hat jahrelang die in dem ehemaligen Salzbergwerk lagernde Plutoniummenge viel zu niedrig angegeben. In einem Brief an das Bundesamt für Strahlenschutz gestand die dem Bundesforschungsministerium unterstehende Einrichtung einen angeblich auf einem Übertragungsfehler beruhenden Plutonium-Irrtum ein. Demnach lagern in der Asse 28 Kilo des strahlenden und hochgiftigen Stoffes - fast dreimal mehr als zuletzt offiziell angegeben.

Nach Angaben der Asse-Gegner gab es lange öffentliche Auseinandersetzungen um die Plutoniummenge in den 126.000 Atommüllfässern in der Asse. "Das kann kein Übertragungsfehler sein; hier steht ein Manipulationsverdacht im Raum", sagt Peter Dickel von der AG Schacht Konrad.

Dickel zufolge wurde die Menge des im Asse-Müll enthaltenen Plutoniums ursprünglich vom Betreiber mit rund 25 Kilogramm angegeben. 2002 erstellte das Helmholtz-Zentrum ein umfangreiches neues Gutachten zu den in der Asse lagernden Radionukliden. Demnach seien nur noch 9,6 Kilo Plutonium in den Atommüllfässern enthalten.

In dem Brief an das Bundesamt für Strahlenschutz kehrte das Helmholtz-Zentrum nun zu den alten Mengenangaben zurück: Die erneute Überprüfung hat ergeben, dass die ursprünglich veranschlagte Menge Plutonium von 28 Kilo doch zutreffend ist. Dem Schreiben zufolge hatte sich bei der Übertragung von Daten des Forschungszentrums Karlsruhe zur Gesellschaft für Strahlenforschung (GfS) ein Fehler eingeschlichen. GfS hieß das Helmholtz-Zentrum früher.

Aus der Wiederaufarbeitungsanlage im Forschungszentrum Karlsruhe stammt der größte Teil des radioaktiven Inventars, das im ehemaligen Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel lagert. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel sagte, es sei "unglaublich, dass man sich bei einem so gefährlichen Stoff wie Plutonium einfach in der Mengenangabe irrt". Sein Ministerium erklärte, man wisse nicht, wie der Fehler entstanden sei.

Ein einfacher Übertragungsfehler reicht als Erklärung nicht aus. Das 2002 vom Helmholtz-Zentrum erstellte Gutachten sollte das radioaktive Inventar für eine Flutung neu bestimmen. Mit der Flutung wollte man das marode Bergwerk endgültig stilllegen, die Menge an lange strahlendem und hochgiftigem Plutonium ist dabei nicht unwichtig. Die Flutung mit gesättigter Salzlauge hätte zwar das marode Bergwerk stabilisiert. Auf Dauer wäre aber radioaktiv kontaminierte Lauge nach außen gedrungen, eine radioaktive Verseuchung des Grundwassers der Umgebung droht.

Dass das radioaktive Inventar der Asse geschätzt werden muss, ist Folge der unzulänglichen Kontrollen bei der Einlagerung des Atommülls zwischen 1967 und 1978. Für bis 1971 eingelagerte Fässer gibt es nur Begleitpapiere je Lkw-Lieferung, nicht je Fass. Bis zum Ende der Lieferungen 1978 gibt es Begleitscheine für jedes Atommüllfass, ausgefüllt vom Absender. Vor dem Untersuchungsausschuss wurde ein ehemaliger Beamter befragt, der diese Scheine ausgewertet hat. Auch er bezifferte die Plutoniummenge in der Asse auf 25 Kilo.

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15 Kommentare

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  • M
    marina

    @ Andreas: Nein, Du hast es immer noch nicht kapiert. Es geht nicht darum, ob das eine schlimmer ist, als das andere, sondern dass sich beides addiert, wenn nicht sogar mehr als das (multipliziert wäre wohl verkehrt, aber gegenseitige wirkungsverstärkung von schäden meine ich).

     

    außerdem irrst du dich, dass jedes gramm dieses mülls für ein gutes leben unverzichtbar sei. wenn nicht alles, aber sehr viel müll ist verzichtbar. atommüll gehört dazu.

  • A
    Andreas

    @bernado und marina: nein, ich sage nicht, dass plutonium nicht schlimmer ist (nunja, wenigstens hat es eine halbwertszeit, wenn auch ne lange). Aber unsere Gesellschaft produziert eine menge böses zeug für zukünftige generationen. Kämpft ihr genauso gegen DIESE zivilisatorischen Gifte wie gegen die Kernkraft?! Nein, denn euer Leben würde erheblich unangenehmer werden, hättet ihr diese zivilisatorischen Annehmbarkiten nicht, die diese zivilisatorischen Bösartigkeiten wie Müll hervorbringen!

  • CM
    Chris M

    Super Ausrede!

    "Ups, haben wir uns wohl verzählt. Naja, nächster Punkt auf der Tagesordnung: Kaffeepause."

     

    Aber wenn man Dezimalbrüche mit den Fingern zusammenzählt, kann das schon einmal passieren. Ist ja auch nicht so groß, der Unterschied zwischen 9 und 28.

     

    Aber die Ausrede muß ich mir merken:

    Hab ich doch nur 6 der zwölf Abschläge meiner Stromrechnung bezahlt.

    Ups, da hab ich mich wohl verzählt! Also kein Grund mir gleich den Saft abzudrehen.

  • BW
    be. wa.

    @ Andreas: Deine suggerierte Logik geht genau in die falsche Richtung. Aus den von Dir genannten Fakten folgt nicht, dass die Lage harmloser ist, als von den Atommüllgegnern dargestellt, sondern sogar noch schlimmer!

     

    Also wenn schon sowieso so viel hochproblematischer Müll herumliegt, ist jedes Gramm Plutonium, das noch dazu kommt, umso schlechter.

     

    Übrigens hat Arno Nym zurecht auf zusätzliche Gefahren von Plutonium hingewiesen, neben der biochemischen Giftigkeit.

  • M
    marina

    @ Andreas: Dein Argument kenne ich schon lange.

     

    Aber seit wann wird Plutonium am Ort x durch Arsen am Ort y ungiftig?

     

    Mit anderen Worten: Du tust so, als wäre das Plutonium ja doch harmlos weil es noch schlimmeres gibt.

     

    Das ist Propaganda und ich frage mich, ob Leute die damit kommen, das eigentlich selber merken (also so böswillig sind) oder nicht (also so dumm sind).

     

    Im ersten Fall scheinen solche Leute die anderen ja ganz für schön blöd zu halten. Das passt dann freilich wieder zur Boshaftigkeit.

  • A
    Andreas

    @marina:in der Untertagedeponie Herfa-Neurode (in Hessen, also Süddeutschland) liegt genug Arsen, um die gesamte Menschheit zu vergiften!!!!

     

    (l 220 000 Tonnen quecksilberhaltiger Abfälle liegen hier – meist in Form kontaminierter Böden; 127 000 Tonnen zyanidhaltiger Abfälle, die bei der Oberflächenbehandlung und Veredelung von Stahl angefallen sind; 690 000 Tonnen dioxin- und furanhaltigen Mülls, der beispielsweise bei der Hausmüllverbrennung übrig bleibt; 83 000 Tonnen arsenhaltiger Abfälle, die vor allem bei der Herstellung von Kupfer entstehen. Arsen ist hochgiftig, allein 70 Milligramm genügen, um einen Menschen zu töten!)

     

    ....und da regen wir uns wirklich ernsthaft darüber auf, ob es 9 oder 30 KILOGRAMM Plutonium sind!?

  • R
    rolff

    So hatten die vom Helmholz-Zentrum sich das gedacht: Erst einmal schön verechnen und sich dann für das Kontrollieren bis zum St.-Nimmerleins-Tag den Job sichern.

    Bisher war alles, was aus diesem Institut kam, ungenau, falsch oder schlicht gelogen. Wer löst diesen Verein endlich auf?

  • K
    Konrad

    Das Material für mehreren Atombomben wird der UN-Atomenergiebehörde nicht gemeldet. Das ist eine Verletzung des Atomwaffensperrvertrages. Und wenn der UN-Sicherheitsrat dann noch eine Dringlichkeitssitzung einberuft, kann's sehr schnell noch ordentlich Ärger geben.

  • L
    Ludwikowski

    Ich sage nur: OK (Organisierte Kriminalität!)

  • AD
    Axel Dörken

    Ja, da kann "man" sich ja auch mal verrechnen. Haben Ackermann und Mehdorn doch auch gemacht. Hoffe, dass die Konsequenzen diesmal schmerzlicher ausfallen. Glauben, tu ich daran kaum. Es soll allerdings schon Pferde vor der Apotheke gegeben haben...

     

    Wer die Entsorgung ungeklärt weiß, sollte, meiner Ansicht nach, von der weiteren Produktion von Atomstrom und Atommüll Abstand nehmen.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • O
    onesimus

    Hey, die sind doch einfach genial. Wenn sie uns alle erst mal umgebracht haben, braucht auch keiner mehr Strom in diesem unseren Lande! :-(

  • W
    wird

    Wozu aufregen? Frau Angela wird das regeln. Auf die war immer schon Verlass.

  • M
    Martin

    Lächerlich! Die Kontrolle unserer Atommülllager liegt in Händen von Menschen, die nicht einmal in der Lage sind, Zahlen korrekt zu übertragen. Und dann sollen wir deren Aussagen und Zusicherungen weiterhin glauben? Wohl kaum.

  • AN
    Arno Nym

    Glaubt man Wikipedia, so liegt die kritische Masse bein 239-Plutonium bei 10kg. Oder anders gesagt: Wenn man 10kg von diesem Plutonium-Isotop "zusammenschüttet", dann gibt es eine atomare Kettenreaktion. Somit machen sich 9,6kg natürlich weit besser als offizielle Zahl als 26kg, denn in jedem Fall wäre damit eine "unterirdische Atombombe" ausgeschlossen (davon ausgegangen, dass es sich nicht um andere Isotope handelt, deren kritische Massen bis hinunter zu 3,1kg handelt.)

     

    Vermutlich war aber wirklich niemand so bescheuert, das Zeug so nahe aufeinander zu lagern.

     

    Obwohl Plutonium auch rein chemisch als Gift auf den Körper wirkt, ist seine Radioaktivität gefährlicher. "Zur sicheren Entstehung von Krebs reicht vermutlich eine Menge von einigen Mikrogramm aus" ist im Weltwissen Wikipedia zu lesen.

     

    Was soll man dazu noch sagen? Ist doch klar: "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestand zu keiner Zeit eine Gefahr für die Zivilbevölkerung."

     

    Schönen Sonntag noch und viel Spaß mit dem Tatort.

  • M
    marina

    und das zeug ist so giftig, dass schon ein kleiner bruchteil davon alle in deutschland lebenden menschen umbringen könnte.