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Kommentar Bilanz der AbwrackprämieIm Ganzen sauber

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Die vielkritisierte Abwrackprämie war kein Sündenfall, sondern ist eher ein Modell für andere Branchen.

G roßer Jammer! Wirtschaftskrise! Hunderttausende von Jobs in der Autoindustrie gefährdet! Das war vor einem Jahr. Dann kam die Abwrackprämie, die man bis Mittwoch beantragen konnte. Seitdem läuft alles prima - jedenfalls gemessen an den Untergangsprognosen. Massenentlassungen gab es nicht. Glücklicherweise ist die große Koalition im Gegensatz zu ihren Vorgängerregierungen mal auf die Idee gekommen, die Nachfrage der Verbraucher zu unterstützen. Die vielkritisierte Abwrackprämie war kein Sündenfall, sondern ist eher ein Modell für andere Branchen.

Indem der Staat die Verschrottung eines alten und den Erwerb eines neuen Wagens mit 2.500 Euro fördert, wird antiquierte, klimaschädliche Technik durch moderne ersetzt, die wenigstens etwas sauberer ist. Dagegen können sich nur Saubermänner und Ideologen wehren.

Natürlich ist die Abwrackprämie nicht perfekt. Etwas mehr Öko hätte nicht geschadet - etwa die Begrenzung der Förderung auf besonders sparsame Fahrzeuge. Ein grundsätzliches Argument ist das aber nicht: Der Staat darf und soll die technische und ökologische Modernisierung unterstützen. Dass dabei auch die realexistierenden Interessen der einheimischen Industrie zum Zuge kommen, ist nicht unbedingt schädlich. Nur wegen jahrelanger milliardenteurer Subventionierung bietet Deutschland heute so viele Abeitsplätze in der Produktion regenerativer Energie. Das könnte auch bei der Herstellung energiesparender Haushaltsgeräte oder moderner Baustoffe gelingen.

taz

Hannes Koch ist taz-Autor.

Kein Anlass zum Jammern also - und schon prognostiziert das Autogewerbe, dass auch ohne Prämie 2010 kaum weniger als die gewohnten drei Millionen Fahrzeuge zugelassen würden.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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9 Kommentare

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  • LV
    Lukas van der Meer

    Zum Artikel und zu R.Pelzer

     

    Mobilisierung von quantitativem Konsum ist eine dramatische Verniedlichung unserer strukturellen Probleme und verschärft diese mittel- wie langfristig. Daher ist Konsumsteigerung und Wachstum ohne qualitative Ausrichtung kontraproduktiv und volkswirtschaftlich auf Dauer schädlich. Es gibt kein ökologisches Problem von irgendwelchen überkandidelten Umweltaktivisten, es gibt ein Menschheitsproblem der völligen Überstrapazierung aller unserer globalen Ressourcen durch demnächst 9 Milliarden Menschen die unserem Lebensstandard folgen wollen. Wer da auf irgendwelchen Konsum und rein konjunkturelle Kurzfristmaßnahmen setzt, hilft mit , Ressourcenkriege, Flüchtlingsströme und Verhungern wie Verdursten anzuheizen. Die Verschrottung von über Jahre noch fahrfähigen Autos ist insofern mehr als dumm. Scharfe Co2 Standards nach dem „Top Runner“ System (Mehrjährige Übergangszeit zum Nachbau des jeweils besten Ökomodells in jeweiligen Typenbereichen) und deutliche Senkung des Flottenverbrauches sind dringenst notwendig. Zuschüsse zu „Konsum“ hätte man getrost auf die besten aller Autotypen beschränken und ansonsten in übrige CO“ Sparbereiche lenken können. Nur ökologisch qualitatives Wachstum ist noch bezahlbar und verantwortbar, wenn man weiter als bis zu den nächsten Quartalszahlen denkt. Wenn man in der Konjunkturkrise Menschen gezielt mit starken ökologischen Vorgaben unter die Arme greift, arbeitet man gegen die Angst und Vorsicht und schafft zugleich einen Ansatzpunkt für strukturelle Verbesserungen.

  • KK
    Klaus Keller

    Mehrwertsteuer ausweisbar heist die staatliche Verkaufshilfe für das "gehobene" Preissegment.

    das Macht beim 100.000€ audi,bmw oder benz gleich 19000€ steuersersparnis.

    über deren streichung redet kein Mensch...

     

    oder habe ich da was mißverstanden?

     

    klaus keller hanau

  • RP
    Roger Peltzer

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    Schön, dass wenigstens die TAZ den Mut hat, zu schreiben, dass die Abwrackprämie gute, zielführende Konjukturpolitik war. Niemand hat behauptet, mit dieser Prämie die Strukturprobleme der Autoindustrie zu lösen. Aber selbst wenn nur die Hälfte der Prämie echter neuer Konsum war - und dafür spricht u.a. das Sinken der Sparquote - dann sie 18 Mrd zusätzlichen Konsum mobilisiert worden. Und dies nur in der 1. Runde. Die Multiplikatoreffekte, d.h. Leute, die aus der Abwarckprämie als Zulieferer und Arbeiter bezahlt worden sind, geben dieses Geld wiederum zum zweiten und dritten Mal aus, sind da noch garnicht berücksichtigt. Die Abwarckprämie hat ganz entscheidend - psychologisch und real - dazu beigetragen, dass der Konsum in Deutschland nicht eingebrochen ist und bis heute stabilisierend wirkt u.a. für den Arbeitsmarkt. Und damit ist eine Abwärtsspirale - die den Staat an Steuerausfällen ein Vielfaches gekostet hätte - zumindest für ein Jahr deutlich abgebremst worden.

    Zum Glück ist der gute alte Keynes rechtzeitig wiederbelebt worden. Eine Steuersenkungspolitik a la FDP wäre dagegen weitgehend auf die Sparkonten der Vermögenden geflossen.

    Und in Richtung der ökologischen Kritiker: In der Krise sind die Menschen weniger zu ökologischen REformen bereit als bei hoher Beschäftigung. Auch deshalb ist es sinnvoll, Konjunkturkrisen rasch und effektiv zu bekämpfen.

  • LV
    Lukas van der Meer

    Das Fazit für die Abwrackprämie ist was den den CO2 Ausstoß betrifft, also klimapolitisch, eindeutig negativ.

    Bereits bei der Produktion eines PKW's werden 60% der CO2 Belastung ausgestoßen, wer also 9 Jahre junge Autos zerstört, emittiert vollkommen sinnlos bei einer zusätzlich leicht möglichen Lebensdauer von 4.5 Jahren für diese Autos ca. 20% ihres gesamten CO2 Ausstoßes. Andererseits wurden durch den Kauf von Kleinwagen aufgrund der Abwrackprämie gerade mal 7% von 40% (CO2 des Spritverbrauchs während der gesamten Lebensdauer), also gerade mal 2,8 % des CO2 Austoßes bezogen auf die Gesamtmenge Lebensdauer Neuwagen eingespart. Alles klar ? Wer rechnen kann, weiß, dass diese Prämie der Umwelt schadete und nur strenge CO2 Auflagen etwas anderes bewirkt hätten. L.v.d.M.

  • V
    vic

    Ich staune.

    Nach der Abwrackprämie ist vor der Abwrackprämie.

    Es wurden vor allem verbrauchsarme Fahrzeuge vernichtet, mit viel Energieaufwand produziert und noch lange fahrbereit.

    Oft wurden dafür KFZ angeschafft mit höheren Werten oder nur geringfügig geringeren, es gab ja keine Vorgaben.

    Die Verbraucher sind jetzt für 5 bis 10 Jahre versorgt.

    Für mich steht fest. Das war kurzsichtig und ein Strohfeuer.

    Und eines steht fest: Eine Umweltprämie war das sicher nicht, und ein Modell für andere Branchen schon gar nicht.

  • M
    Mistral

    Ich sehe das ähnlich. Die Abwrackprämie war als ein keynesianischer Konjunkutrstimulus gedacht, der den scharfen Konjunktureinbruch der ersten beiden Quartale 2009 abfedern sollte - und diesbezüglich war sie überaus(!) erfolgreich.

     

    Wenn auch nur eine der marktradikal-angebotsorientierten Maßnahmen, die uns seit Jahren gepredigt wurden, zumindest ansatzweise derartige Erfolge gezeitigt hätte, dann wäre das triumphale Gekrähe der Wirtschaftsliberalen wahrscheinlich noch auf dem Mond zu hören gewesen.

  • A
    auweia

    Mit solchen Kommentaren wrackt sich die taz selber ab. Zumindest ist mir nicht klar welche Leserschaft das Blatt anstrebt - die angestammten grün-linken Leser wird sie damit jedenfalls recht erfolgreich los.

    "Etwas mehr Öko hätte nicht geschadet" hätte ich eher in der Welt erwartet, ebenso wie "Dass dabei auch die realexistierenden Interessen der einheimischen Industrie zum Zuge kommen, ist nicht unbedingt schädlich."

     

    Und dass es ein Riesenunterschied ist ob die Erneuerbaren gefördert werden um durch Innovationen und Skaleneffekte marktfähig zu werden oder ob der Vertrieb herkömmlicher Benzinkutschen subventioniert wird (wodurch der Markt für weniger umweltschädliche Fahrzeuge über Jahre blockiert wird) hat Hannes Koch offenbar noch nicht kapiert.

     

    Oder ist das ganze ironisch gemeint - dann bitte in Zukunft deutlich als Satire kennzeichnen!

  • WR
    Wolfram Riedel

    Die Hoffnung stirbt zuletzt: auch die, dass Herr Kochs Kommentar ironisch gemeint war.

  • I
    Inkompetenz

    Ich bin mir nicht sicher, ob dem Kommentator bewußt ist, dass bei der Produktion von 1 Neuwagen rund 25 Tonnen CO2 produziert werden.

     

    Da muß ein neues Auto mindestens 10 Jahre fahren, bis es da eine CO2-Einsparung gibt.

     

    Es ist immer ökologischer hochwertige Gebrauchsgegenstände wie ein Auto solange wie möglich zu nutzen.

     

    Ich hätte der taz mehr Sachverstand in diesen Fragen zugetraut.