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BeschäftigungspolitikSelbsthilfe - vor allem für den Chef

Im Bremer Problem-Bezirk Tenever arbeitet seit einem Jahr eine "Interkulturelle Werkstatt" als Beschäftigungsträger. Alles war links, sozial engagiert - und unkontrolliert. Jetzt schritten die Behörden ein.

Wohlgelitten im politischen Raum: Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD, r.) unterhält sich mit IWT-Chef Hafid Catruat. Bild: IWT

Bohrende Fragen an Hafid Catruat: Vier Stunden lang hatte der Geschäftsführer des größten Bremer Beschäftigungsträgers, der Interkulturellen Werkstatt Tenever (IWT), am Freitag Besuch von Angehörigen der Anti-Korruptions-Abteilung des Bremer Sozialressorts, der "Innenrevision": Die Vorwürfe reichen von Veruntreuung bis zur persönlichen Bereicherung. "Wir haben nichts Entlastendes gefunden", erklärte danach ein Sprecher der Behörde, "von einer geordneten Geschäftsführung kann nicht die Rede sein." Daher sollen umgehend alle Projekte der IWT auf einen anderen Träger übertragen werden - es geht um einen staatlich subventionierten Umsatz von rund 1,5 Millionen Euro.

Vor einer guten Woche war die Welt noch in Ordnung in Tenever, einem Problem-Stadtteil von Bremen. Ob seiner vielen guten Projekte konnte sich der Verein über mangelnde politische Unterstützung nicht beklagen. Diverse Geldgeber, die für eine Kontrolle verantwortlich waren, haben offenbar alle Warnsignale überhört: Im Januar bereits hatte ein IWT-Mitarbeiter, der fristlos entlassen worden war, der für Hartz IV zuständigen Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) berichtet, dass die Wirklichkeit hinter der schönen Fassade ganz anders aussieht. Im März formulierte dann ein Mitarbeiter der Sozialbehörde, dem die Abrechnungen komisch vorgekommen waren, schriftlich, er könne die "Verantwortung für eine reguläre Nachweiskontrolle nicht übernehmen".

Anfang August schließlich informierte ein weiterer IWT-Mitarbeiter die Bremer Arbeit GmbH (BAG), ein städtisches Dienstleistungsunternehmen für Beschäftigungsprojekte, über Ungereimtheiten. Vier Tage später wurde der Mann von IWT-Geschäftsführer Catruat mit dem Vorwurf konfrontiert, ihn hintergangen zu haben - und entlassen. Offenbar hatte die BAG die Hinweise nicht ernst genommen und der IWT einen Tipp gegeben. Noch am vergangenen Montag hielt die BAG ihre Hand schützend über die IWT, als sie erklärte, sie sehe keinen Grund zur Beanstandung.

Dabei hatte zuvor bereits Andreas Berenthal, der - ebenfalls fristlos entlassene - Verwaltungsleiter der IWT, gegenüber der taz erklärt, er habe mit Geschäftsführer Catruat die Vereinbarung getroffen, dass sie beide 4.000 Euro im Monat verdienen sollten - doppelt so viel wie ihre offiziellen Bezüge. Berenthal wollte damit fingierte Zahlungen an seine Frau rechtfertigen. Anderen Mitarbeitern zufolge hat Catruat ebenfalls in die eigene Tasche gewirtschaftet.

Die IWT

Im Zentrum eines internationalen Viertels sieht sich die "Interkulturelle Werkstatt Tenever" (IWT).

1995 ist der Verein aus einer Initiative der Bewohner entstanden. Etwa fünfzig Mitarbeiter verschiedener Herkunft werden dort beschäftigt.

Aufgaben sind nach eigenen Angaben Beratung und praktische Hilfe im Leben.

Fördern will der Verein den kulturellen und sozialen Austausch der Bewohner des Quartiers, etwa mit Festen, Ausflügen und Bildungsangeboten. Mitgestaltung ist ausdrücklich erwünscht.

Die IWT-Buchhaltung spiegelt die wirklichen Geldflüsse nur zu einem Teil wider. Geschäftsführer Catruat soll mit Drohungen und Schikane wie der "König von Marokko" regieren, wird kolportiert - "unmenschlich", sagt ein Mitarbeiter. Im vergangenen Dezember waren die Gehälter der Mitarbeiter um 20 Euro gekürzt worden, weil angeblich das Geld fehle. Was damals niemand erfuhr: Das Salär des Geschäftsführers stieg zur selben Zeit. Dass Hilfstransporte nach Marokko, darunter teures medizinisches Gerät, in Catruats Heimatdorf ankamen und dass ihr Verbleib in den Akten der IWT nicht dokumentiert ist, rundet das Bild ab.

Die vorerst letzte Ungereimtheit: Als die Mitarbeiter des Vereins Quartier, Nachbarn der IWT, jüngst ihre Strom-Abschlussrechnung sahen, trauten sie ihren Augen nicht. Ein Elektriker fand heraus: Die IWT hatte seit einem Jahr die Leitung angezapft.

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16 Kommentare

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  • A
    Antifaschist

    @Zecke:

    Du Nazizecke hast einfach ein Rad ab!

    Wer die Wahrheit nicht vertragen kann, sollte sich weiter ins Wachkoma saufen!

     

    @Hatem:

    "Es ist sehr bedauerlich, dass durch solche kriminellen Einzelfälle der Multi-Kulti-Gedanke in den Schmutz gezogen wird und Vorurteile bestätigt werden."

    Der Fall ist kein Einzelfall, sondern findet alltäglich überall im rotrotgrünem Deutschland statt, indem selbst die CDU einen Grünstich hat.

    Folglich sind es keine Vorurteile, sondern Urteile bezogen auf die Realität. Multi-Kulti ist in Deutschland nur Islamisierung und die brauchen wir am allerwenigsten.

  • L
    Leidkultur

    “Pflegen sie ihre Kultur, lassen sie uns daran teilhaben.”

     

    „Diese Menschen mit ihrer vielfältigen Kultur, ihrer Herzlichkeit und ihrer Lebensfreude sind eine Bereicherung für uns alle!“

     

    (Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte der CDU)

  • PU
    Piet Unterländer

    Wetten, der Sachverhalt wird von den Verantwortlichen ziemlich schnell sang- und klanglos unter den Teppich gekehrt. ...schlafende Hunde wollen nunmal nicht geweckt werden. Herrlich bunte Republik Deutschland! Auf die Toskanafraktion einen Schluck Chianti! Rülps...

  • RD
    Rainer David W. Früh

    @zecke

    genau, Gestalten wie Sie und Ihre Reaktion auf diesen Artikel sind die Begründung dafür, wenn wir in den nächsten Jahren sicher eine qualifizierte "Minderheit" von 20 bis 30 % rechtsorientierten/-extremen Abgeordneten (die müssen nicht von der NPD sein!) in allen Stufen unseres parlamentarischen Systems haben werden. Beschweren Sie sich bitte dann bitte bei niemendem; außer bei sich selbst. Aber, ich denke, Sie brauchen das, um dann gewalttätig gegen das "System" vorgehen zu können.

  • T
    teneveraner

    herr klaus wolschner ,also das einzige was ich an ihr kommentar gemerkt habe ist das sie gegen die links partei sind ,und das sie eigentlich mit ihr kommentar nur für die kommende bundestagwahl nur gegen die links partei publizitie machen wollen ,was hat dir linkspartei überhaupt damit zu tun ,regiert sie denn hier in bremen oder irgendwo in deutschland ?

  • GK
    Gabel Kahn

    @Zecke........ Was hat Wahrheitsfindung mit

    Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu tun ??

    Merkwürdige Ansichten !!!

  • AV
    Alexander Voronin

    Nein Andrej, in Bremen regiert RotGrünINNEN wie man unschwer an diesem Schwachsinn erkennt.

     

    Und die armen Ermittler finden nichts Entlastendes..

     

    Nachdem nun endlich die Anti-Korruptionsbehörde tätig wurde, gaben die Ermittler enttäuscht bekannt: “Wir haben nichts Entlastendes gefunden.”

     

    Hehehehehehe, da war es schlimmer, dass nichts Entlastendes gefunden wird, als diesen Betrug aufzudecken.

     

    Ja, wenn jemand Muslim ist, ist er erstmal sakrosankt, dann schmeißen wir lieber erst mal alle Kritiker fristlos raus....

  • H
    Hatem

    Es ist sehr bedauerlich, dass durch solche kriminellen Einzelfälle der Multi-Kulti-Gedanke in den Schmutz gezogen wird und Vorurteile bestätigt werden.

  • A
    Alfred

    Man muss die kulturellen Besonderheiten berücksichtigen. Schließlich gibt es die kulturelle Bereicherung nicht umsonst. Die finanzielle Entreicherung müssen wir aushalten.

  • M
    makama

    Gerade unter Linken, Grünen und Sozialdemokraten gibt es immer noch die Multi-Kulti-Träumer.

    Wer davon redet und träumt, wohnt nicht Multi-Kulti. Oder er/sie hat Nachbarn, die sich in die deutsche Lebensart eingewöhnt haben. Wer diese Nachbarn nicht hat, kann das Multi-Kulti-Geschwafel nicht mehr hören.

    Jetzt fällt ein Verein auf, der offensichtlich öffentliche Gelder zweckentfremdet verwendet hat.

    Wären die verantwortlichen Akteure Deutsche, wären Polizei und Staatsanwaltschaft schon aktiv.

    Leider darf man sich nicht mehr kritisch gegenüber offensichtlichen Fehlentwicklungen in der Integration äußern. Man wird dann in eine Ecke gestellt, in die viele Kritiker nicht gehören.

  • G
    Gabi

    @Zecke,

    ich kann jetzt nur hoffen, dass sie das ironisch gemeint haben.

  • M
    Migrant

    „Ein Elektriker fand heraus: Die IWT hatte seit einem Jahr die Leitung angezapft.“

     

    Da kann man ja nur froh sein, dass es vor der nun endlich anlaufenden "Innenrevision" nicht auch noch zu einem Brand in der Interkulturellen Werkstatt Tenever gekommen ist, das Geschrei wäre nicht zu überhören gewesen.

  • W
    Wumme

    Hier offenbart sich mal wieder diese typische linke dümmlich-gutmenschliche Naivität.

     

    Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen fristlos entlassen werden, weil sie in ihrer Verbohrtheit und ideologischen Verblendung deutlich gezeigt haben, dass sie keine Macht über öffentliche Gelder bekommen dürfen.

  • TS
    The Stiffmaster

    Deutschland im Jahre 2009 auf dem besten Weg dazu eine Bananenrepublik nach südamerikanischem Vorbild zu werden.

    Wird in deutschen Amtsstuben eigentlich nur noch geschlafen oder werden die Leute, welche derartige Projekte betreuen eigentlich auch zumindest auf einen Nucleus an Zuverlässigkeit überprüft? Wer kommt jetzt für das verbrannte Vermögen auf?

  • Z
    Zecke

    Dieser Beitrag strotzt vor Rassismus und Fremdenfeindlichkeit!

  • A
    andrej

    hmm...bremen? regieren da nicht parteien, die immer wieder gerne betonen, wie wichtig staatliche kontrolle von allem möglichen, wie staatliche Kontrolle des Finanzsektors, ist???

     

    Jaja, der Staat. Niemand kann besser kontrollieren als der Staat. Denn Schlendrian, Personalmangel, Inkompetenz - das gibt es beim Staat einfach nicht!