Nach der Genossenschaftsversammlung: taz an der Gewinnzone
Die taz legt vor ihren Genossinnen und Genossen Bericht ab, "Verlustvermeidung" heißt die neue Strategie. Den Lesern ist die "ideelle Dividende" wichtiger.
Der Vorsitzende des Zentralverbands deutscher Konsumgenossenschaften, Burchard Bösche, fand die Generalversammlung der taz-Verlagsgenossenschaft, die im neuen Verwaltungsgebäude der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di stattfand, munterer als die meisten anderen Generalversammlungen, die er sonst besucht.
Dabei ist die taz eine Produktivgenossenschaft (von Zeitungsmachern), eingewickelt in eine Konsumgenossenschaft (ihrer Leser). Dazu gehört inzwischen auch Bild-Chefredakteur Kai Diekmann, der zum 30. Jubiläum der taz der Genossenschaft beitrat. In der Aussprache der Generalversammlung war "Genosse Diekmann" gleich der Erste, dem der Aufsichtsratsvorsitzende der taz-Genossenschaft, Hermann-Josef Tenhagen, das Wort erteilte - was unter den etwa 280 Anwesenden Heiterkeit auslöste.
Der "Bascha-Mika-Fan" Diekmann behauptete dann, die höchste Auflage hätte die taz mit der "Feindes-taz" erzielt, die er 2004 chefredigiert hatte. Im Übrigen schlug er der taz vor, ihre Onlineausgabe gebührenpflichtig zu machen, so wie es auch bild.de tun werde. Seine taz-Mitgenossen ermahnte er: "Wir dürfen unsere guten Inhalte nicht kostenlos verschenken!" - und erntete damit erneut Gelächter. 2002 hatte das Landgericht Berlin Diekmann in einer Klage gegen die taz wegen Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte bescheinigt, dass er "bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsverletzung anderer sucht" und daher selbst nicht so pingelig sein dürfe.
Der taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch hatte zuvor in seinem Rechenschaftsbericht erwähnt, dass die Bild-Zeitung bereits netto über eine Million Leser verloren habe, die taz hingegen nur 54. Dass die Generalversammlungen der taz-Genossenschaft immer munterer werden, lag aber nicht nur an dem "Neugenossen", sondern auch daran, dass die meist aus Schwaben kommenden taz-Leser und taz-Mitarbeiter das Prozedere immer "professioneller durchziehen", sich also nicht lange mit Antragsformulierungen beschäftigen, sondern gleich zum Wesentlichen kommen.
Das war diesmal ein Begriff aus dem Rechenschaftsbericht von Karl-Heinz Ruch: "Gewinnerzielungsabsicht", die vielleicht der richtige "Schritt nach vorne" sei. Die neue Chefredakteurin Ines Pohl griff seinen Begriff auf: "Für mich ist es erst mal schön zu wissen, dass meine persönlichen Gewinnerwartungen bereits nach zwei Monaten taz übertroffen wurden." Der Genossenschaftsprüfer Rüdiger Stecher, vom "mitteldeutschen Genossenschaftsverband (Raiffeisen/Schulze-Delitzsch)" fand es ebenfalls richtig, "dass man in Zukunft Verluste vermeiden will", weil es auf Dauer vielleicht nicht gut gehe, "immer wieder neue Genossenschaftsanteile einzuwerben".
Ruch und Stecher widersprach der langjährige taz-Genosse Holger Elf: "Wir haben uns doch nie beklagt. Das kommt jetzt aus eurer Ecke, dass ihr plötzlich Gewinne erzielen wollt. Uns ist die ideelle Dividende am taz-Projekt sehr viel wichtiger." Während der Aussprache relativierte Ruch seine Aussage: "Ich hätte vielleicht besser von Verlustvermeidungsstrategie reden sollen."
Dazu kam auch gleich ein konkreter Vorschlag einer schwäbischen Genossin: Die taz solle in ihrer Berichterstattung Baden-Württemberg mehr Aufmerksamkeit schenken. Ein "Genosse Handverkäufer" aus Berlin schlug dagegen eine ausführlichere Sportberichterstattung über taz-affine Fußballvereine wie FC St. Pauli und 1. FC Union vor.
Der seit 1977 am taz-Projekt beteiligte und nunmehr in Zittau lebende Genosse Horst Schiermeyer beantragte die Gründung eines "Leserbeirats", um Reibungsverluste zu minimieren." Wie der im Falle der taz aussehen könnte, wurde jedoch niemandem so recht klar. Der Antrag wurde deswegen abgelehnt. Ein anderer Genosse verwies Schiermeyer an die neue bewegung.taz.de, denn darum ginge es doch eigentlich immer: "soziale Bewegung versus wirtschaftlicher Erfolg - und dazwischen der nahezu unbekannte Leser".
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