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Neustrukturierung bei OpelDas große Hauen und Stechen

Von Solidarität keine Spur: Bei der Neustrukturierung von Opel kämpfen europaweit die Arbeitnehmervertreter gegeneinander. Viele misstrauen den Deutschen.

Hinter verschlossenen Türen geht es vor allem darum, den Stellenabbau europaweit zu verteilen. Bild: ap

BOCHUM/RÜSSELSHEIM taz | Opel-Betriebsräte aller europäischen Standorte ringen seit Dienstag im belgischen Antwerpen um eine gemeinsame Linie bei der Rettung des Autobauers. "Auf europäischer Ebene müssen wir uns erst einmal verständigen, mit wem wir überhaupt verhandeln wollen", so der Betriebsratsvorsitzende der Bochumer Opel-Werke, Rainer Einenkel, zur taz. Derzeit lehnten "vor allem die englischen und spanischen Kollegen" den von deutschen Arbeitnehmervertretern wie der Bundesregierung gewünschten Opel-Verkauf an den austrokanadischen Zulieferer Magna noch "strikt ab", sagte Einenkel. "Die Kollegen fürchten Produktionsverlagerungen nach Deutschland."

Die Betriebsräte der verschiedenen Standorte kämpfen bereits seit Wochen um die Verteilung der anstehenden Stellenstreichungen. Magna plant, mit Übernahme des Autokonzerns knapp 11.000 der europaweit derzeit noch 46.000 Arbeitsplätze abzubauen. An den vier deutschen Standorten Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach sollen über 4.500 der rund 25.000 Opel-Jobs verschwinden, die meisten davon in Bochum.

Derzeit sei aber noch immer "absolut offen", ob Magna beim Opel-Verkauf überhaupt zum Zug komme, so Betriebsratschef Einenkel: "Magna hat bisher nur den Zuschlag, als Erster verhandeln zu dürfen", so der Bochumer. "Wir sind nicht weiter als vor den Sommerferien." In Antwerpen müssten sich die Arbeitnehmervertreter nun endlich auf einen Investor einigen, "den alle mittragen", fordert Einenkel.

Am Montag und Dienstag hatten bereits im Stammwerk von Opel in Rüsselsheim Manager und Belegschaftsvertreter aus ganz Europa an einem Tisch gesessen. Hinter verschlossenen Türen geht es vor allem darum, die Lasten des Stellenabbaus europaweit "gerecht" zu verteilen, wie Klaus Franz, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Opel in Deutschland, vor dem Treffen sagte.

Mit Zähnen und Klauen würden sich die Delegationen der jeweiligen Belegschaftsvertreter gegen die Abbaupläne von Magna an ihrem Standort wehren, war vor dem Adam-Opel-Haus im Westen der Stadt zu erfahren. Und vor allem die Belgier scheinen wild entschlossen, die von Magna avisierte Schließung des Opel-Werks in Antwerpen mit seinen 2.517 Beschäftigten bis 2011 "mit allen Mitteln" verhindern zu wollen. Dort war am Wochenende viel von Streik die Rede - und von der Aneignung von Produktionsmitteln.

Nicht wenige Arbeitnehmervertreter aus dem Ausland - aber auch aus Bochum - misstrauen inzwischen Franz. Sie werfen dem Hessen vor, sich nur deshalb für Magna eingesetzt zu haben, weil "sein" Werk in Rüsselsheim mit seinen 14.673 Beschäftigten mit der von Magna angekündigten Streichung von 1.427 Jobs sehr viel glimpflicher davonkomme als fast alle anderen europäischen Standorte.

Franz spricht inzwischen von "Planzahlen, die so nicht akzeptiert werden". Damit versucht er, dem Protest die Spitze zu nehmen und die längst verloren gegangene Solidarität der Werke untereinander - die noch bei der Krise um die GM-Tochter Saab in Schweden international zelebriert worden war - wiederherzustellen. Gelingen wird ihm das kaum. Denn tatsächlich geht es auch in Saragossa an die Substanz: Rund ein Drittel aller Jobs sollen dort wegfallen. Beschäftigte und ihre Angehörigen demonstrierten dort am Wochenende gegen die Pläne von Magna und gegen Deutschland, dabei waren auch Regierungsvertreter.

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2 Kommentare

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  • E
    Eisvogel

    Gegenfrage: Ist es möglich, eine tragfähige Firma Opel zu schaffen, wenn man die Sozialkassen der jeweiligen Länder zum Massstab macht?

     

    Wer danach geht, wo wieviel Arbeitsplätze wegfallen, kalkuliert (meinetwegen unbewusst) schon mit ein dass der Laden zur Not eben dauersubventioniert werden muss.

     

    Will man allerdings danach entscheiden, wie diese Firma wieder auf eigene Füsse kommt - dann wird immer jemand heulen.

     

    Belgien hätte eine solche Einflussmöglichkeit sicher genauso unsolidarisch ausgenutzt.

     

    Das Problem ist hier also, dass überhaupt nach Arbeitsplätzen entschieden wird und nicht nach Lebensfähigkeit. Realitätsfern sind sie alle.

  • A
    anke

    Teile, herrsche und ruiniere dich! So lange die Betriebsräte in ihresgleichen und nicht in ihren Vorständen den Gegner, gar den Feind zu erkennen meinen, wird das wohl nichts werden mit der Opel-Rettung. Wenn nämlich die Konzernspitze weiter so grottenhaft wirtschaften kann wie bisher, ist es lediglich eine Frage der Zeit, dass der Letzte Opelaner das Licht ausmacht. Wo der dann wohnt, ist eigentlich vollkommen egal.