Wahlfazit von grüner NRW-Chefin: "Kein Mehrheitsbeschaffer der SPD"

Daniela Schneckenburger, Landeschefin der Grünen in Nordrhein-Westfalen, fordert eine Rückbesinnung auf radikalere Politik- und Aktionsformen.

"Um Koalitionen geht es uns derzeit aber noch nicht":Daniela Schneckenburger. : dpa

taz: Frau Schneckenburger, Renate Künast und Jürgen Trittin sagten noch am Wahlabend, dass die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die nächste große Regierungschance für die Grünen sein wird. Steuern Sie auf Rot-Rot-Grün zu?

Daniela Schneckenburger: Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 wird der erste große Stimmungstest für Schwarz-Gelb im Bund. Das wird enorme Auswirkungen haben. Wir Grünen wollen diese Landesregierung unter Jürgen Rüttgers abwählen. Um Koalitionen geht es uns derzeit aber noch nicht - das klären wir auf unserem Landesparteitag im Februar 2010.

Ach, kommen Sie - alle reden schon längst von Rot-Rot-Grün in NRW.

Wir begreifen uns aber nicht als Puzzleteil in einem Lager. Beide rote Parteien haben erhebliche Orientierungsprobleme, die uns mit großer Besorgnis erfüllen. Die Linke weiß noch überhaupt nicht, ob sie regieren will, sondern spricht bloß von Tolerierung. Die SPD taumelt. Sie hat immer noch nicht in den Spiegel geguckt und ehrliche Bilanz gezogen, ob ihre Agenda-Politik richtig war. Wir Grünen müssen zu einer Bewegungs-, Aktions- und Politikform zurückfinden, die die Radikalität unserer Anliegen abbildet - sei es beim Klimaschutz, gegen Sozialabbau oder bei der Bildung. So wollen wir unseren Stimmenanteil maximieren.

Wenn die Grünen immer nur der SPD Stimmen wegnehmen, wird das nichts mit der Verbreiterung des linken Lagers.

Wir ziehen zwar auch einige Stimmen von der CDU - im ländlichen Raum. Natürlich aber ist unser Stimmenpool das rot-grüne Austauschmilieu. Wir werben um den Willy-Brandt-Wähler, der Demokratie und Bildung zusammendenkt. Für die SPD wäre es eine ehrenvolle Aufgabe, der CDU die an sie verlorenen Stimmen wieder abzujagen und auch die Nichtwähler zurückzuholen. Rüttgers gibt hier den Arbeiterführer. Die SPD überlässt ihm den Platz vor den Nokia-Werkstoren und auch in den Gesprächen mit dem Opel-Betriebsrat. Die Sozialdemokraten haben das noch nicht begriffen.

Vertrauen Sie auf die SPD-Landeschefin Hannelore Kraft, Rüttgers auszuhebeln?

Auch das ist eine Frage, der sich die SPD stellen muss.

Was machen Sie, wenn der Arbeiterführer Rüttgers aus Rücksicht auf sein Amt dafür sorgt, dass es bis Mai 2010 gar keine schreckliche schwarz-gelbe Politik im Bund gibt?

Ende November bekommen wir eine Steuerschätzung, dann muss Schwarz-Gelb einen Haushalt aufstellen. Dadurch werden Wahrheiten wie von selbst ans Licht treten. Auch wird insbesondere die Energielobby darauf drängen, dass sehr bald in ihrem Sinne gehandelt wird.

Die Grünen wollen alles gleichzeitig: die vernünftige Mitte abgeben, Linksbündnisse schmieden, eine Jamaika-Koalition nicht ausschließen. Haben Sie noch einen Begriff für Ihren Kurs?

Die Frage finde ich polemisch. Wir wollen eine soziale und ökologische Politik auf Grundlage eines anderen Staatsverständnisses als die beiden roten Parteien. Damit streben wir die Meinungsführerschaft in der Opposition an. Wir halten uns im Übrigen gar nicht nach allen Richtungen alles offen. Wir wehren uns aber dagegen, bloß Mehrheitsbeschaffer einer auseinanderbrechenden SPD zu sein.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.