Verbraucherschutz: Raus aus dem Haus

Die LBS Immobilien schreibt gezielt alte Leute an und fragt scheinheilig, ob sie nicht ihr Haus verkaufen wollen. Dahinter steht die Deutsche Post AG und der schlüpfrige Handel mit persönlichen Daten.

"Planen Sie, Ihr Haus zu verkaufen?", fragte die LBS und legte bunte Werbung einer schmucken Seniorenresidenz bei. : dpa

Im Verlaufe des Telefongesprächs wird die Stimme der 84-jährigen Bremerin brüchig, dann weint sie. Sie sei traurig, weil es ihr Elternhaus ist, in dem sie wohnt, und sie durch diesen Brief das Gefühl habe, man wolle sie herausdrängen. Dabei wolle sie dort so lange wohnen, wie sie könne. Schwer zu sagen, wer schuld ist an der getrübten Stimmungslage der Dame. Fest steht: Sie ist Opfer geworden, weil der Immobilienmarkt gerade harte Zeiten durchmacht; außerdem überblickt sie den Schindluder nicht, der mit persönlichen Daten betrieben wird.

Ihr Problem? Wohl kaum. Sucht man nach Schuldigen, dann sind die Sparkassen-Tochter LBS Immobilien zu nennen und die Deutsche Post AG - obwohl es nicht verboten ist, was sie tun. Die LBS hat kürzlich um die 7.000 Briefe an ältere Leute verschickt, die im eigenen Haus wohnen. Namentlich adressiert sind die Briefe zwar nicht, sondern richten sich stets "An die Bewohner des Hauses", nennen Straße und Hausnummer, Postleitzahl und Ort. Der Brief selbst erweckt den Eindruck, er richte sich persönlich an den Adressaten. In einem warmen Tonfall fragt er: "Planen Sie, Ihr Haus zu verkaufen?" Dann sei es sinnvoll, "sich bei einer der wichtigsten Entscheidungen im Leben von seriösen Partnern unterstützen lassen". Die LBS übernehme alles ("Wir machen das für Sie. Versprochen!") - und legte Werbung für eine Seniorenresidenz bei.

Stefan Kahle, Prokurist bei der LBS und einer der beiden Unterzeichner des Briefs, bekennt, was eh schon klar ist: "Wir versuchen, über diesen Weg an Immobilien zu kommen." Er findet auch nichts dabei, bis er erfährt, wie traurig die Frau gewesen sei und wie geschmacklos sie die Werbung für die Seniorenresidenz fand. Immerhin: Kahle möchte sich entschuldigen, denn, ja, es sei vielleicht doch ein falscher Eindruck entstanden.

Der Handel mit Adressen ist ein lukratives Geschäft, um Werbung ohne Streuverlust an die Kunden zu bringen.

Die Deutsche Post AG greift auf eine eigens geschaffene Datenbank zurück, die so detailliert ist, dass etwa Rasenmäherwerbung nur zu Leuten mit Rasengrundstück kommt.

Der Gesetzgeber erlaubt dies, das Bundesdatenschutzgesetz wurde jüngst nur leicht verschärft: Demnach dürfen Daten nur mit Einwilligung weitergegeben werden, wenn sie nach dem 1. September 2009 erfasst wurden. Alle anderen Daten sind bis 2012 frei.

Verbraucher- und Datenschützer raten: Nie achtlos die eigenen Daten weitergeben!

Die Frage der 84-Jährigen, die bis dahin noch unbeantwortet ist, ist die nach ihrer Adresse: "Woher haben die die überhaupt?" Sie hatte bisher nie etwas zu tun mit der LBS. Vielleicht, weil sie Sparkassen-Kundin und die LBS eine Sparkassen-Tochter ist? Nein, versichert Kahle, sie hätten selbst die Adressen nicht, das habe die Deutsche Post AG besorgt. Und die ist weniger einsichtig, was die Gefühlslage der Frau angeht: Sinngemäß lautet die Stellungnahme der Pressesprecherin, die Frau sei selbst schuld, denn sie hätte erkennen können, dass es sich bei dem Brief um Werbung handelt. "Die Frau ist 84 Jahre alt, sie hat den Krieg miterlebt und die Wirtschaftskrisen", sagt die Sprecherin - ausreichend Lebenserfahrung, um den Brief als das einschätzen zu können, was er ist: "Eine Postwurfsendung. Werbung, die gar nicht an sie persönlich gerichtet ist." Die Sprecherin echauffiert sich, weil wegen solcher Werbebriefe immer wieder der Post die Schuld gegeben werde. "Wir sind nur der Transporteur", sagt sie. Das stimmt nicht ganz, denn der Service "Postwurf Spezial", den die LBS für den Versand der Briefe nutzte, ist eine Idee der Deutschen Post AG und hat mit dem schlüpfrigen Geschäftsfeld Adressenhandel zu tun. Die Post-Tochter Deutsche Post Direkt hat Zugriff auf die gemeinsam mit den Versandhändlern Quelle und Neckermann aufgebaute Adressendatenbank Microdialog mit 37 Millionen Einträgen. Damit deckt sie, wie das Unternehmen stolz bemerkt, "nahezu den gesamten Markt an Privathaushalten ab" und enthält zusätzlich "über eine Milliarde qualifizierte Merkmale" mit Daten zu Konsumverhalten, Wohnstruktur und Region. Gezielter kann Werbung nicht an Kunden gebracht werden, zumal die Weitergabe ihrer Daten zu Werbezwecken erlaubt ist.

Verbraucherschützer warnen immer wieder vor dem unbedachten Umgang mit den eigenen Daten. Aber schon wer einmal bei Quelle eine Hose bestellt oder an einem Preisausschreiben teilgenommen hat, gerät in die Fänge der Datenhändler. Die 84-jährige Bremerin kann sich nicht erklären, wie ihre Daten zur Post gelangten, das nächste "Postwurf Spezial" aber dürfte sie sofort als Werbung erkennen und wegwerfen.

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