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Systemwechsel im GesundheitswesenRösler vs. CSU - erste Runde

FDP-Minister will den Systemwechsel und Wettbewerb, der CSU-Vorsitzende warnt vor einer radikalen Reform. SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt Rösler "Ideologen".

Philipp Rösler in der Mitte und die Staatssekretäre Daniel Bahr (FDP) sowie Annette Widmann-Mauz (CDU) Bild: dpa

Sie ist noch keine Woche im Amt, schon bahnt sich innerhalb der schwarz-gelben Koalition der erste große Zoff an. Während der neue Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) für einen Systemwechsel im Gesundheitswesen wirbt, warnt CSU-Chef Horst Seehofer den jungen Wilden vor zu viel Aktionismus.

Rösler will ein neues Gesundheitssystem auf den Weg bringen. "Wir brauchen mehr Wettbewerb", sagte er der Bild am Sonntag. Krankenkassen müssten untereinander wieder im Wettbewerb stehen, unterschiedliche Beiträge verlangen und unterschiedliche Leistungen anbieten können. Außerdem fordert der 36-Jährige mehr Freiheit bei der Wahl der Therapie, der Wahl des Arztes und der Krankenkasse. Konkreter wird er dabei ebenso wenig wie der Koalitionsvertrag. Zum heftig umstrittenen Thema der einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeiträge äußert sich Rösler nicht.

Dennoch strotzt er in seinem ersten großen Interview nur so vor Selbstbewusstsein, kündigt an, auch unangenehme Dinge in Kauf nehmen zu wollen, ohne Rücksicht auf die eigenen Popularität. "Wenn man da nur darauf schielt, was gut ankommt, wird man die notwendigen Reformen nicht zuwege bringen", sagte er.

Ebenso energisch, wie Rösler eine umfassende Reform des Gesundheitswesens fordert, lehnt CSU-Chef Seehofer eine solche ab. "Es wird in Deutschland keinen radikalen Systemwechsel geben", erklärte er in der Welt am Sonntag. Auch ein FDP-Gesundheitsminister werde rasch zu dieser Erkenntnis gelangen. Die Lasten müssten weiter solidarisch verteilt sein, anderes stehe nicht zur Disposition, so Seehofer. "Wenn sich Herr Rösler mit unseren Gedanken anfreunden kann, wird er auch keine Probleme mit der CSU bekommen."

Heftige Kritik kommt auch von der Opposition und den Gewerkschaften. SPD-Fraktionsvize Elke Ferner kritisierte, Seehofer versuche jetzt, sein Umfallen zu kaschieren. Der künftige Parteichef der Sozialdemokraten, Sigmar Gabriel, nannte Philipp Rösler einen "scheinheiligen Spalter und Ideologen". Die Regierung wolle privaten Anbietern Geld zuschanzen. Damit werde der Weg in die Zweiklassenmedizin geebnet, so Gabriel.

IG-Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban warnte vor einem Systemwechsel. "Mit der vorgesehenen Kopfpauschale und dem Einfrieren der Arbeitgeberbeiträge würden die wachsenden Kosten einseitig den Versicherten aufgebürdet", kritisierte Urban.

Im Koalitionsvertrag hatte sich Schwarz-Gelb zwar auf mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen verständigt, sich aber nicht auf ein langfristiges Konzept einigen können. Als Ziel wurde nur festgeschrieben, dass der Arbeitgeberanteil eingefroren und einkommensunabhängige Arbeitnehmerabgaben eingeführt werden sollen. Eine Kommission soll eine Reform des Gesundheitswesens erarbeiten.

Der mediale Schlagabtausch zwischen Rösler und Seehofer scheint damit nur der Anfang einer lang andauernden Auseinandersetzung zwischen den einstigen Wunschpartnern CDU, CSU und FDP zu sein.(mit dpa)

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16 Kommentare

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  • HE
    harald egner

    herr rösler ist bei uns in niedersachsen nur durch freche,lockere sprüche mir aufgefallen.ansonsten keine nennenswerte projekte von ihm und seiner fdp. er hat alles abgenickt. siehe unser verkorkstest schulwesen, das alles andere als liberal ist.und was seine arzt

    tätigkeit angeht,nach seiner dr.Arbeit ist er sofort in die politik gegangen. soviel zu seiner arztkarriere und augenarzt ist auch nicht ,da er die ausbildung dazu abgebrochen hat. für mich persönlich gehört er zu der ellenbogen gesellschaft ,lobbyisten haben es gut bei ihm solange sie aus der privaten versicherungsgesellschaft kommen.wie sagt man jung,dynamisch und egomanisch.

  • M
    Mauermer

    Kaum tritt jemand selbstbewußt auf, das zum Selbstbedienungsladen verkommene System der GKVen zu reformieren, schon wird wieder alles totgeredet. Zurück bis hinter Bismarck? Womit? Mit Eigenverantwortung der Bürger? Mit der Wahlmöglichkeit zwischen tatsächlich unterschiedlichen Kassen? Wollt Ihr lieber den Einheitsbrei für alle? Prima, ich möchte mein Auto auch zum Einheitstarif versichern, so etwa zum Golf-I-Niveau. Und das Auto meiner Frau gleich mit, natürlich in der preisgünstigen Familienversicherung, alles für einen Beitrag. Mich wundert nicht, dass die GKVen Probleme haben, jeder Wirt ginge bei diesem System, fünf essen, aber nur einer zahlt eine Mahlzeit, innerhalb einer Woche Pleite.

  • W
    Wüstenratte

    Wettbewerb zwischen den Kassen war schon mal da, dann gab die Reform von der Ulala,

    jetzt erfindet man was Altes neu.

    Wann kriegen wir endlich fernöstliche Aryuveda-medizin und Thaimassage??? Wär doch mal was!

    Wenn es schon nicht hilft, sollte es aber auch nicht schaden!!

  • H
    HRolf

    Zurück hinter Bismarck - für die FDP und ihren Sozialstaatsdemontagevorarbeiter Rösler samt equipage gibt es nichts Vordringlicheres.

     

    Hoffentlich machen diese Typen die Rechnung ohne den Wirt. Wer mit Gerechtigkeitsgefühl kann so einer Entwicklung sprach- und tatenlos zusehen?

     

    Wenn die Schmerzgrenze erreicht ist, werden die gesellschaftlichen Folgen eine Gefahr für die Demokratie. Genau dies gilt es abzuwehren - gegen eine vor Kraft strotzende FDP, die ihre Wahlkampfspender befriedigen will. Gegen eine CDU, die mit der Worthülse "Soziale Marktwirtschaft" gedankenlos und verdrehend manipuliert. Gegen die neoliberalen Mitglieder von SPD und Grünen, die uns Hartz IV systematisch eingebrockt haben. Und erst recht gegen die "Fachleute", die in der Pissrinne der TV-Diskussionssendungen ihre ätzenden Tröpfchen ablassen, um die Spaltung der Gesellschaft bis zu ihrem "Knackpunkt" voranzutreiben.

  • M
    Myschkin

    Beim Gebahren des neuen Gesundheitsministers handelt sich um das neue Selbstbewusstsein einer Generation, die keine Vorstellung mehr hat vom Elend der Massen im Kaiserreich zu Zeiten Bismarks, von den Kämpfen um sozialen Ausgleich und ein Mindestmaß an Gerechtigkeit und für die nur eins zählt: Ich bin ICH, mein Geld gehört MIR, die Anderen sind für sich selbst verantwortlich (...Eure Armut kotzt mich übrigens an!) Mag er intelligent und beredt sein, als Qualifikation für ein Ministeramt mit Verantwortung für über 80 Mio. Menschen reicht das leider nicht! Ich habe den Eindruck, dass er vor lauter Gockelgehabe gar nicht weiß, was er da eigentlich tut. Dass auch die sogenannten Leistungsträger die Welt nicht allein geschaffen haben und selbstverständlich von allem profitieren, was ALLE zusammen geschaffen haben, scheint bei Menschen wie Rösler, Westerwelle etc. im Denken nicht vorzukommen. Erschreckend und bedrückend zugleich. Die Frage ist, ob die knapp 30% der Wähler, die sich für diesen Egokurs entschieden haben, überhaupt wussten, was sie da anrichten. Fakt ist aber, dass 95% diesen Leistungsträgerirrsinn jetzt auszubaden haben, und zwar in ziemlich kaltem Wasser. Zieht euch warm an!

  • A
    Anneliese

    Unser neuer Gesundheitsminister wird doch nicht die in jahrelanger Lobbyarbeit aufgebauten Pfründe im Gesundheitssystem kippen wollen ? Da kann die CSU natürlich nicht mitspielen!

     

    Rösler kennt das System aus eigener Berufserfahrung (was auch wieder für Sachkenntnis bei Ministern spricht).

     

    Wenn er Konfrontationen nicht scheut, wird er vielleicht auch mal den Beitrag der Pharmaindustrie zu den ständig steigenden Kosten im Gesundheitswesen "hinterfragen".

     

    Das könnte interessant werden.

  • V
    vic

    In jedem Blatt lese ich über Röslers sensationelle Forderung nach einem Systemwechsel. In keinem Blatt lese ich, was er eigentlich damit meint.

    Wir müssen reden, Herr Rösler

  • P
    pekerst

    "SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt Rösler 'Ideologen'." So, so, wie viele Ideologen ist Herr Rösler denn? Richtig: "Er nennt ihn einen 'Ideologen'", aber: "Er nennt ihn 'Ideologe'."

  • HE
    harald egner

    herr rösler ist bei uns in niedersachsen nur durch freche,lockere sprüche mir aufgefallen.ansonsten keine nennenswerte projekte von ihm und seiner fdp. er hat alles abgenickt. siehe unser verkorkstest schulwesen, das alles andere als liberal ist.und was seine arzt

    tätigkeit angeht,nach seiner dr.Arbeit ist er sofort in die politik gegangen. soviel zu seiner arztkarriere und augenarzt ist auch nicht ,da er die ausbildung dazu abgebrochen hat. für mich persönlich gehört er zu der ellenbogen gesellschaft ,lobbyisten haben es gut bei ihm solange sie aus der privaten versicherungsgesellschaft kommen.wie sagt man jung,dynamisch und egomanisch.

  • M
    Mauermer

    Kaum tritt jemand selbstbewußt auf, das zum Selbstbedienungsladen verkommene System der GKVen zu reformieren, schon wird wieder alles totgeredet. Zurück bis hinter Bismarck? Womit? Mit Eigenverantwortung der Bürger? Mit der Wahlmöglichkeit zwischen tatsächlich unterschiedlichen Kassen? Wollt Ihr lieber den Einheitsbrei für alle? Prima, ich möchte mein Auto auch zum Einheitstarif versichern, so etwa zum Golf-I-Niveau. Und das Auto meiner Frau gleich mit, natürlich in der preisgünstigen Familienversicherung, alles für einen Beitrag. Mich wundert nicht, dass die GKVen Probleme haben, jeder Wirt ginge bei diesem System, fünf essen, aber nur einer zahlt eine Mahlzeit, innerhalb einer Woche Pleite.

  • W
    Wüstenratte

    Wettbewerb zwischen den Kassen war schon mal da, dann gab die Reform von der Ulala,

    jetzt erfindet man was Altes neu.

    Wann kriegen wir endlich fernöstliche Aryuveda-medizin und Thaimassage??? Wär doch mal was!

    Wenn es schon nicht hilft, sollte es aber auch nicht schaden!!

  • H
    HRolf

    Zurück hinter Bismarck - für die FDP und ihren Sozialstaatsdemontagevorarbeiter Rösler samt equipage gibt es nichts Vordringlicheres.

     

    Hoffentlich machen diese Typen die Rechnung ohne den Wirt. Wer mit Gerechtigkeitsgefühl kann so einer Entwicklung sprach- und tatenlos zusehen?

     

    Wenn die Schmerzgrenze erreicht ist, werden die gesellschaftlichen Folgen eine Gefahr für die Demokratie. Genau dies gilt es abzuwehren - gegen eine vor Kraft strotzende FDP, die ihre Wahlkampfspender befriedigen will. Gegen eine CDU, die mit der Worthülse "Soziale Marktwirtschaft" gedankenlos und verdrehend manipuliert. Gegen die neoliberalen Mitglieder von SPD und Grünen, die uns Hartz IV systematisch eingebrockt haben. Und erst recht gegen die "Fachleute", die in der Pissrinne der TV-Diskussionssendungen ihre ätzenden Tröpfchen ablassen, um die Spaltung der Gesellschaft bis zu ihrem "Knackpunkt" voranzutreiben.

  • M
    Myschkin

    Beim Gebahren des neuen Gesundheitsministers handelt sich um das neue Selbstbewusstsein einer Generation, die keine Vorstellung mehr hat vom Elend der Massen im Kaiserreich zu Zeiten Bismarks, von den Kämpfen um sozialen Ausgleich und ein Mindestmaß an Gerechtigkeit und für die nur eins zählt: Ich bin ICH, mein Geld gehört MIR, die Anderen sind für sich selbst verantwortlich (...Eure Armut kotzt mich übrigens an!) Mag er intelligent und beredt sein, als Qualifikation für ein Ministeramt mit Verantwortung für über 80 Mio. Menschen reicht das leider nicht! Ich habe den Eindruck, dass er vor lauter Gockelgehabe gar nicht weiß, was er da eigentlich tut. Dass auch die sogenannten Leistungsträger die Welt nicht allein geschaffen haben und selbstverständlich von allem profitieren, was ALLE zusammen geschaffen haben, scheint bei Menschen wie Rösler, Westerwelle etc. im Denken nicht vorzukommen. Erschreckend und bedrückend zugleich. Die Frage ist, ob die knapp 30% der Wähler, die sich für diesen Egokurs entschieden haben, überhaupt wussten, was sie da anrichten. Fakt ist aber, dass 95% diesen Leistungsträgerirrsinn jetzt auszubaden haben, und zwar in ziemlich kaltem Wasser. Zieht euch warm an!

  • A
    Anneliese

    Unser neuer Gesundheitsminister wird doch nicht die in jahrelanger Lobbyarbeit aufgebauten Pfründe im Gesundheitssystem kippen wollen ? Da kann die CSU natürlich nicht mitspielen!

     

    Rösler kennt das System aus eigener Berufserfahrung (was auch wieder für Sachkenntnis bei Ministern spricht).

     

    Wenn er Konfrontationen nicht scheut, wird er vielleicht auch mal den Beitrag der Pharmaindustrie zu den ständig steigenden Kosten im Gesundheitswesen "hinterfragen".

     

    Das könnte interessant werden.

  • V
    vic

    In jedem Blatt lese ich über Röslers sensationelle Forderung nach einem Systemwechsel. In keinem Blatt lese ich, was er eigentlich damit meint.

    Wir müssen reden, Herr Rösler

  • P
    pekerst

    "SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt Rösler 'Ideologen'." So, so, wie viele Ideologen ist Herr Rösler denn? Richtig: "Er nennt ihn einen 'Ideologen'", aber: "Er nennt ihn 'Ideologe'."