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Zauberwelt aus Blicken

ALLTAG „Das merkwürdige Kätzchen“ (Forum)

„Pulchritude“, „Schönheit“ also heißt das Stück der Thee More Shallows, dessen so markant wie sanft um sich selbst kreisende Spielfigur Ramon Zürchers „Das merkwürdige Kätzchen“ immer wieder als Intermezzo durchstreicht, strukturiert, aufatmen lässt. Eine ganz spezifische Schönheit sucht auch dieser fragile, funkelnde Film: die aufblitzende Poesie des Alltags, die Melancholie des einen kurzen Moments, den Zauber dessen, was als Spur bleibt.

Leicht schief gedrehte Zigaretten im Etui etwa, flüchtig auf der Küchenarmatur liegengelassen, eine Tasse Tee mit Beutel auf dem Tisch, daneben ein Einkaufszettel voller zu Herzen gehender Schreibfehler eines kleinen Kindes, eine Ratte, die mit dickem Hintern hektisch über den Gehsteig huscht, eine menschenverlassene Küche, auf deren Tisch ein Kätzchen hüpft, das magische Blitzen im Innern eines Pfandautomaten.

„Das merkwürdige Kätzchen“ ist völlig frei von den Zurichtungen des Erzählzwangs oder gar der Auflage zur gesellschaftlichen Relevanz: Ein Tag einer Berliner Familie, eine zweite kommt zu Besuch, abends isst man gemeinsam, die Oma ist ebenfalls da. Alltagsgesten, Alltagsrituale: „Gut geschlafen?“, „Gestern war ich im Kino“ und dergleichen. Klischees der Berliner Schule, vielleicht auch der dffb, an der Zürcher noch immer studiert? Dem Gegenstand nach vielleicht ja, doch in der Umsetzung keineswegs epigonal.

Im Gegenteil, wie umwerfend es Zürcher gelingt, dazu ein ganz eigenes ästhetisches Verhältnis zu finden: Die Choreografie, die – allerschwerste Kunst – leicht gerade dort wirkt, wo sie höchst präzise ist, fächert den stets perspektivisch verengten Bildausschnitt durch stetiges Wuseln zwischen dem Inner- und Außerhalb des Bildes zum breiten Erzählraum auf.

Was im echten Leben die Aufmerksamkeitsschwelle oft unterwandert – Gesten, Blicke, Dialogschrott, Zufälligkeiten am Rande –, wird aus dem Fluss des Ephemeren regelrecht herausmodelliert und als Partikel einer rohen Alltagspoesie freigelegt: Durch Hinschauen und Zuhören birgt Zürcher eine Zauberwelt, die außerhalb des Kinosaals zum Greifen nahe liegt: Oma rettet die Mutter, die Flasche wird zur Schwester der Wurst.

„Merkwürdig“ ist diese fein gewobene Welt daher nicht nur, weil sie dem Alltag entspringt, aber einem eigentlich nicht ganz geheuer ist, vielmehr ist sie – und mehr noch die Katze – ganz im Wortsinne des Merkens würdig: Was bleibt vom Leben, dessen Stationen in Oma, Mutter, Tochter und Kleinkind allesamt präsent sind? Was bleibt als materielle Spur, als mit Erinnerungen aufgeladenes Artefakt, was lässt man dahingehen?

Ein ganz eigener Witz, eine ganz eigene Wehmut durchziehen diesen Film: Zürcher, so scheint es, umarmt jede dieser Spuren, die vom Anderen künden, dass da jemand war, noch ist, aber wie lange noch. So ist der Film am Ende doch hochpolitisch: Man wird fremd vor dem Diktat zur ökonomischen Aufmerksamkeit. THOMAS GROH

■ Heute, CineStar Event, 22 Uhr; 15. 2., Colosseum 1, 20 Uhr; 17. 2., Arsenal 1, 12.30 Uhr

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