piwik no script img

IntrigenSPD immer schmutziger

Zwei Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete sollen ihren Parteisprecher bei der Polizei angeschwärzt haben. Die Dokumente, die das belegen, sind jedoch Fälschungen.

Mit gefälschten Dokumenten sollten die SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Thomas Böwer (l.) und Mathias Petersen diskreditiert werden. Bild: Markus Scholz, dpa

Die Schlammschlachten in der Hamburger SPD erreichen erneut eine kriminelle Dimension. Mit angeblichen Vermerken des Hamburger Landeskriminalamtes, die der Hamburger Morgenpost und der taz zugespielt wurden, sollten die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten Mathias Petersen und Thomas Böwer offenbar nachhaltig diskreditiert werden.

Die gefälschten LKA-Vermerke legen nahe, dass der frühere Landesvorsitzende Petersen und der Sozialexperte Böwer ihren Parteigenossen Bülent Ciftlik bei der Polizei denunziert haben sollen. Gegen Ciftlik ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, eine angebliche Scheinehe zwischen einem Türken und einer Deutschen angebahnt zu haben. Petersen sowie Böwer gelten als innerparteiliche Intimfeinde von Ciftlik.

Die drei gefälschten Vermerke geben angeblich geführte Telefonate von Böwer und Petersen mit zwei Beamten des Hamburger Staatsschutzes wieder. Danach sollen die beiden Politiker aus eigenem Antrieb ihren Genossen beschuldigt haben, schon früher Scheinehen eingefädelt zu haben, um Menschen ohne deutschen Pass einen gesicherten Aufenthaltsstatus zu ermöglichen.

Zudem soll Böwer ohne Belege die Behauptung in den Raum gestellt haben, Ciftlik hätte für solche illegalen Praktiken Geld kassiert, um seinen Wahlkampf als Bürgerschaftskandidat zu finanzieren. Doch die Gespräche haben nie stattgefunden und die Vermerke, die auch gefälschte Unterschriften beinhalten, sind pure Fälschung, ihr Inhalt frei erfunden.

Mit offensichtlich hoher krimineller Energie wurden die drei Vermerke, die inzwischen der Polizei vorliegen, gefälscht. Dabei begingen die Täter - absichtlich oder unabsichtlich - einen schweren Fehler, der dazu geführt hätte, dass die Fälschungen spätestens nach einer Veröffentlichung schnell aufgeflogen wären. Zwei der auf Mai 2009 datierten Gesprächsvermerke tragen die Unterschrift des Staatsschutzbeamten S. Doch der Beamte war zu diesem Zeitpunkt längst pensioniert - sein Dienstverhältnis endete altersbedingt am 1. 11 .2008.

Die Hamburger Polizei, der die erfundenen Gesprächsvermerke vorliegen, prüft diese inzwischen "auf ihre strafrechtliche Relevanz", wie Polizeisprecher Ralf Meyer betont. Zumindest der Straftatbestand der Urkundenfälschung dürfte erfüllt sein. Gleichzeitig kündigte Böwer gegenüber der taz an, Petersen und er würden über den Rechtsanwalt und SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Rolf-Dieter Klooß Strafantrag gegen Unbekannt "wegen aller infrage kommenden Delikte" stellen. Neben einer Urkundenfälschung könnte vor allem der Tatbestand der Verleumdung erfüllt sein.

Fast drei Jahre nach der Stimmzettel-Affäre erhalten die innerparteilichen Auseinandersetzungen in der Hamburger SPD damit erneut eine kriminelle Dimension und stürzen die angeschlagenen Sozialdemokraten in ihre nächste Krise. Im Februar 2007 sollten die SPD-Mitglieder wählen, ob Dorothee Stapelfeld oder aber Mathias Petersen als BürgermeisterIn-KanidatIn die SPD in den Bürgerschaftswahlkampf führt. Doch am Abend der Auszählung waren 954 Stimmzettel spurlos verschwunden.

Mathias Petersen, der bei der Auszählung uneinholbar vorne lag, wurde so um seine Kandidatur gebracht und durch den Zeit-Mitherausgeber Michael Naumann ersetzt. Der Stimmenraub konnte trotz intensiver staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen bis heute nicht aufgeklärt werden. Nun hat die Hamburger SPD mit ihrem neuen Parteichef Olaf Scholz ihr Stimmzettel-Déjà-vu. Ein schlechter Start für Scholz, der es sich zum ersten Ziel gesetzt hat, die parteiinternen Dauerstreitigkeiten ein für allemal zu beenden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • HH
    Hans Heinrich

    Zitat aus:

    DIE ZEIT, 22.10.2009 Nr. 44 - 22. Oktober 2009

    http://www.zeit.de/2009/44/OpEd-44-LinkeZukunft

    E U R O P Ä I S C H E L I N K E

    Die Privilegierten in Rot

    Die Sozialdemokratie hat das Gleichheitsprinzip verraten. Darum kann sie von der

    Krise des Kapitalismus nicht profitieren

    VON PAOLO FLORES D’ARCAIS

     

    "...Ein Punkt wird bei der Analyse der »Krise der Sozialdemokratie« konsequent

    außer Acht gelassen: das apparathafte, bürokratische, nomenklatorische,

    kastenartige Gepräge, dem sich selbst diejenigen Linken angepasst haben, die

    – um mit Weber zu sprechen – »von Politik leben« und Politik zu ihrem Beruf

    gemacht haben. Der Wandel von parlamentarischer Demokratie zu Partitokratie,

    zu selbstbezüglichen und nahezu austauschbaren Parteimaschinen, hat das

    Repräsentationsverhältnis zwischen Abgeordneten und Wählern jeden Tag

    hinfälliger gemacht. Als sei sie ein Geschäft wie jedes andere, ist die Politik immer

    mehr zur Privatsache geworden. Wird aber Politik und somit die öffentliche Sphäre

    privat, so geschieht zweierlei: Zum einen hat das Eigeninteresse des Politikers

    (oder das seines Standes, seiner Kaste) des Politikers nichts mit den Interessen

    und Werten seiner Wähler zu tun, die er doch repräsentieren soll. Und zum

    anderen wird dem Bürger seine per Wahl übertragene Souveränität entzogen..."

  • AM
    Anne Mertens

    Tja, da fragt man sich: was macht das für einen Sinn. So durchgeführt, dass, auch wenn TAZ und Mopo drauf reingefallen wären, spätestens am Tag der Veröffentlichung unabwendbar als als Fälschung aufgeflogen wäre, zeigt nicht von besonders vorausschauender politischer Weitsicht. Also: nur ein dämlicher dummer Jungen Streich? Nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Also einer, der sich von Feinden umstellt sieht und um sich schlägt. Von solchen Typen gibt es bekanntlich in der Hamburger SPD mehrere. Petersen gehört genauso dazu wie Ciftlik. Auf das die Gerüchteküche brodele! Nur eines sollte man fairerweise sagen. Gegen solche kriminellen Machenschaften kann keine Partei sich in Wahrheit wirklich wehren. Auch nicht die Hamburger SPD. Auch nicht, wenn der Vorsitzende nun Scholz heißt.