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Aufbau Ost

RUMÄNIEN Das Land des Jahres der Biofach 2013 legt stark zu: Die ökologisch bewirtschaftete Fläche hat sich in zehn Jahren mehr als verachtfacht

VON OLE SCHULZ

Rumänien verfügt bis heute über eine der größten landwirtschaftlichen Nutzflächen Europas und verzeichnet seit dem Eintritt in die EU 2007 hohe Wachstumsraten im Agrarsektor. Das gilt auch für den ökologischen Landbau, weshalb Rumänien auf der diesjährigen Biofach-Messe als „Land des Jahres“ präsentiert wird.

Der ökologische Landbau in Rumänien hat nach Angaben des Branchenverbands Asociatia Bio Romania in jüngster Vergangenheit extrem zugelegt. Demnach ist die ökologisch bewirtschaftete Fläche in Rumänien in zehn Jahren um mehr als das Achtfache auf heute über 250.000 Hektar angewachsen. Produziert wird dabei vor allem für den Export: Laut Asociatia Bio Romania wurde 2011 Bioware im Wert von etwa 200 Millionen Euro ausgeführt, 2010 sollen es erst rund 100 Millionen gewesen sein. Allerdings kommt ein von EkoConnect verfasster Länderreport Rumänien aus dem Vorjahr zu dem Schluss, dass genaue Werte schwer zu ermitteln seien. Laut der gemeinnützigen Organisation, die den Wissensaustausch in West- und Osteuropa auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus fördert, werden „die tatsächlich ins Ausland verkauften Biomengen nicht zentral erfasst“.

Beste Voraussetzungen

Wenn auch keine exakten Werte über die Bio-Exporterlöse vorliegen: Rumänien hat „hervorragende geografische Voraussetzungen für den Ökolandbau“, sagt Stefan Simon. Der Fachberater von Naturland hat seine Masterarbeit über den ökologischen Landbau in Rumänien geschrieben und dafür mehrere Monate im Land verbracht. Die naturbelassenen Regionen der Karpaten und der Bukowina böten etwa gute Bedingungen für die Herstellung von Biohonig und Kräutern aus der Wildsammlung, so Simon, während die fruchtbaren Schwarzerdeböden südlich der Karpaten für Qualitätsweizen, Sonnenblumen, Mais und Soja geeignet seien.

Die Chancen, die sich dabei für den ökologischen Landbau ergeben, haben inzwischen auch ausländische Firmen erkannt. Zu den Vorreitern zählt das österreichische Unternehmen Sonnentor, das bereits vor Rumäniens EU-Eintritt im Land tätig wurde. „Das Reservoir unberührter Landstriche in Siebenbürgen und Transsylvanien ist ein Traum“, sagt Johannes Gutmann, Sonnentor-Gründer und -Geschäftsführer. Sonnentor gibt seit 2006 vor Ort rund 100 Menschen Arbeit, welche unter anderem biozertifizierte Wildbeeren, Ringelblumen, Sanddorn und Duftrosen für die Sonnentor-Tees anbauen. Im letzten Jahr hat der rumänische Unternehmenszweig knapp 300.000 Euro umgesetzt – ohne jegliche Förderung vonseiten der rumänischen Regierung. Laut Gutmann hat man das auch erst gar nicht versucht, denn es würden nur solche ausländische Investoren, die Millionen mitbringen, „ordentlich gefördert“. An kleineren Projekten, wie dem von Sonnentor, bestünde seitens der rumänischen Behörden dagegen nur wenig Interesse.

Zu wenige Fachkräfte

Auch Stefan Simon kritisiert, dass notwendige Strukturen für die langfristige Entwicklung des ökologischen Landbaus in Rumänien noch nicht geschaffen worden seien: Einerseits fehle sowohl an fachlicher Ausbildung als auch an moderner Ausstattung der Bauern, andererseits würden die EU-Fördergelder zum Teil nicht ankommen. EkoConnect betont ebenfalls die Herausforderungen: So erschwerten ungeklärte Eigentumsverhältnisse oft die Beantragung von EU-Unterstützung. Außerdem gebe es einen „klaren Mangel an verarbeitenden Betrieben“. Und gerade Kleinstbetriebe, die insbesondere in den Bergregionen Rumäniens noch weit verbreitet sind, könnten sich die kostspielige Ökozertifizierung kaum leisten.

Immerhin gibt es Anzeichen für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen: So wird seit 2010 eine Umstellungsförderung für den ökologischen Landbau gezahlt, und seit 2011 bekommen die Landwirte auch wieder eine Förderung für die Beibehaltung der Bioproduktion. In der Folge verdreifachte sich allein zwischen 2010 und 2011 die Zahl zertifizierter Biobetriebe auf über 9.800.

Weil die Nachfrage aus dem Ausland nach Biorohstoffen aus Rumänien weiter hoch ist und das Angebot bei Weitem übersteigt, ist von einem weiteren Wachstum des ökologischen Landbaus auszugehen. Zudem verfügt in der EU kein Land über ähnlich große Reserven nicht genutzten Ackerlands wie Rumänien – laut Eurostat lagen diese 2009 bei fast einer Million Hektar. Damit die rumänischen Ökobauern mehr an der Wertschöpfung beteiligt werden, ist es laut Stefan Simon nun vor allem wichtig, „dass mehr biologisch erzeugte Rohwaren im Land verarbeitet werden“.

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