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Kommentar BagatellkündigungenEmmelys erster Erfolg

Luise Strothmann
Kommentar von Luise Strothmann

Arbeitsrechtlich hat sich nichts geändert: Immer noch reicht ein Verdacht für eine Kündigung aus: Doch inzwischen reagiert die Öffentlichkeit viel sensibler.

D ass Unternehmen nicht mehr nur an Gesetzen, sondern an ethischen Maßstäben gemessen werden - gerade christliche Sozialverbände müssten sich darüber eigentlich freuen, auch die Caritas Seniorendienste Hannover.

Die Caritas Seniorendienste Hannover haben im letzten Geschäftsjahr keinen Verlust gemacht, weil MitarbeiterInnen auf Gehalt in Höhe von 1,3 Millionen Euro verzichteten. Nun hatte man einer Hilfspflegerin fristlos gekündigt, weil sie Teewurst auf ein selbst mitgebrachtes Brötchen geschmiert hat. Arbeitsrechtlich wäre das zulässig.

Erschreckend ist, dass den Beteiligten offenbar egal war, welche Schlagzeile der Fall hätte auslösen können: "Caritas kündigt Mitarbeiterin wegen Teewurst-Diebstahl" - kündigt Schwerbehinderter, könnte man ergänzen, obwohl die Körperbehinderung der Pflegerin irrelevant ist.

Auch wenn der Pflegedienst seit August nur noch zu 10 Prozent zur Caritas gehört und zu 90 Prozent einem evangelischen Träger, streitet er momentan weiter darum, den Namen behalten zu dürfen: Caritas. Nächstenliebe. Dass der katholische Dachverband sich innerhalb weniger Stunden distanzierte, spricht für einen öffentlichen Druck, den es noch vor einem Jahr so nicht gab.

Bagatellkündigungen waren lange kein Thema. Bisherige Urteile sagen: Es gehe nicht um den Sachwert, sondern um das Vertrauen, auf dem das Arbeitsverhältnis basiere. Und das könne durch jeden Diebstahl "irreparabel zerstört" werden. An dieser Rechtslage hat sich nichts geändert, auch nicht durch den Fall "Emmely". Was sich aber verändert hat, ist die öffentliche Aufmerksamkeit.

Und die hat nun zum ersten Mal den Ausschlag gegeben. Der evangelische Träger will die Kündigung zurückziehen und im Verband eine neue Stelle für die Hilfspflegerin suchen. Emmelys erster Erfolg.

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Luise Strothmann
Leitung zukunft
Kam 2009 als Volontärin zur taz, war ab 2010 Redakteurin der Wochenendausgabe und seit 2016 deren Vize-Ressortleiterin. Dort betreute sie die Titelgeschichten. Für ihren Text "Das Ende der Angst" bekam sie 2015 den Medienpreis der Deutschen Aids-Stiftung, für eine Langstrecke über männliche Verhütung war sie für den Reporter*innenpreis in der Kategorie Wissenschaftsjournalismus nominiert, außerdem wurde sie zweimal vom Medium Magazin ausgezeichnet. Sie arbeitete am Innovationsreport der taz mit, war knapp zwei Jahre verantwortlich für die Weiterentwicklung der taz im Netz und ein Jahr lang Entwicklungsredakteurin der Chefredaktion für Reportage und Recherche im taz-Investigativteam. Seit 2022 leitet sie das neue Zukunftsteam der wochentaz zu Klima, Wissen und Utopien und ist Mitautorin des Newsletters TEAM ZUKUNFT. Luise Strothmann unterrichtet Reportage an der katholischen Journalistenschule ifp, ist in der Auswahlkomission der Nannenschule und Teil der Jury des Egon-Erwin-Kisch-Preises.
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3 Kommentare

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  • P
    Piggeldy

    Ich kenne einige Altenpflegerinnen , die mir glaubhaft versicherten , sie hätten so ein straffes Arbeitspensum dass es gar nicht möglich ist, sich mal hinzusetzten und sein Vesper zu verzehren. So nehmen sich eben alle mal eine Scheibe Brot um sie neben der Arbeit her in sich reinzustopfen.

    Zumal es Vorschrift ist , dass alles was einmal auf dem Tisch gestanden hat , im Schweinekübel landet.

    Dann werden den BewohnerInnen wieder Mahlzeiten serviert die sich gar nicht essen können . So landet auch mal Parmaschinken unberührt im Abfall.

    Sieht toll aus für die Angehörigen , die BewohnerInnen haben nix davon.

     

    Und was das Vertrauen angeht : alle Altenpflegerinnen haben mir erzählt , dass sie um Überstunden oder Sonntagszuschläge betrogen werden.

    Von Katholischen wie evangelischen Einrichtungen.

    In einer Einrichtung wurde eine Betriebsrätin systematisch ausgebremst und dann krank gemobbt.

    Schönes Vertrauen , gell ????

  • IN
    Ihr Name H. Poggel

    Zu den Urteilen ist ja schon alles gesagt, vom Vergleich mit der NS Zeit bishin zur Ungeheuerlichkeit eben dieses Vergleichs. Die eigentliche Frage ist aber die nach dem Warum! Ich schätze, dass mindestens die Hälfte aller Arbeitnehmer nach diesen Kriterien entlassen werden könnte, wer hat nicht nicht schonmal einen Bleistift oder Notizblock aus dem Büro mitgenommen, oder ein Stück Schrott oder eine defekte Zange aus der Werkstatt. Das Geschwafel vom gestörten Vertrauensverhältnis berücksichtigt nicht, wie oft Arbeitnehmer im Gegenzug nicht um 17 Uhr den Hammer fallen lassen oder einem Kunden die Tür vor der Nase zuschlagen. Ohne Vertrauen geht es auf beiden Seiten nicht.

     

    Ist es also die Absicht des Arbeitgebers, eine leicht ersetzbare Arbeitskraft durch eine billigere zu ersetzen, oder sucht er einen Vorwand, einen unbequemen oder tatsächlich unfähigen Mitarbeiter zu entlassen? Im letzten Fall gäbe es sicher korrektere Mittel, jemandem zu kündigen.

     

    Es sollte zu erwarten sein, dass diese Art von Arbeitgebern zukünftig keine fähigen Angestellten mehr finden, sondern nur noch Tagelöhner, die höchstens Dienst nach Vorschrift leisten. Dann möchte ich sehen, wie dann der Laden noch läuft.

     

    Von den Gerichten sollte mindestens eine Abmahnung nebst Verhältnismäßigkeit der Mittel gefordert werden, bevor ein solcher Kündigungsgrund unterstützt wird.

     

    Holger Poggel

  • J
    Jann

    Fragen Sie mal den Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Ihres Vertrauens: die schlimmsten Arbeitgeber sind Gewerkschaften und die Kirche!