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Berliner Politiker gegen BetreuungsgeldKinder sollen runter vom Sofa

Die Regierung plant ein Betreuungsgeld. Das ist bescheuert und bildungspolitisch betrachtet Blödsinn, meinen die Berliner Politiker. Sogar die CDU ist dagegen.

"Menno, in der Kita wär sicher mehr los, als bei Mutti!" Bild: shnipestar/photocase

Auf bundespolitischer Ebene wird es heftig diskutiert, in Berlin findet es keine Fürsprecher: das Betreuungsgeld. Insgesamt 150 Euro im Monat will die schwarz-gelbe Bundesregierung Eltern zahlen, wenn die ihre unter dreijährigen Kinder zu Hause betreuen. Der Plan war auf Wunsch der CSU in den Koalitionsvertrag aufgenommen worden. In Berlin erntet er deutliche Ablehnung - und zwar von allen Parteien.

Nicht mal die Christdemokraten - in Berlin Opposition, im Bund an der Macht - haben Sympathie für die Pläne: Emine Demirbüken-Wegner, familienpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und zudem Mitglied im Bundesvorstand der Partei, ist klar gegen das Betreuungsgeld. Sie halte es für sinnvoller, das Kitaangebot für unter Dreijährige weiter auszubauen - wie es ihre Parteikollegin, Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, in den letzten Jahren getan habe. "Wir können das nicht einerseits per Bundesgesetz vorantreiben", so Demirbüken-Wegner, "und dann Eltern Geld dafür zahlen, dass sie ihre Kinder zu Hause betreuen."

Schärfer formuliert die bildungs- und familienpolitische Sprecherin der Berliner FDP-Fraktion, Mieke Senftleben, ihre Kritik: Sie hält das Betreuungsgeld für "völlig bescheuert". Und auch den Vorschlag ihrer eigenen Bundespartei, die Elternunterstützung in Form von Gutscheinen zu verteilen, findet die Berliner Liberale schlecht. FDP-Politiker wollen mit dem Gutscheinmodell eigener Aussage nach verhindern, dass Geldzahlungen für andere Zwecke als zum Wohl der Kinder genutzt würden. Kriterien festzusetzen, wer Geld und wer Gutscheine bekommen solle, sei "stigmatisierend und diskriminierend", meint dagegen die FDP-Frau.

Dabei findet sie Gutscheine im Prinzip gar nicht schlecht. Mit denen sollen alle Eltern die Betreuungseinrichtung für ihre Kinder frei auswählen können, so Senftleben: "Und wer zu Hause selbst betreut und den Gutschein nicht einlöst, bekommt eben nichts."

Dass die im Bund oppositionelle, in Berlin regierende SPD gegen den Plan ist, hatte der sozialdemokratische Bürgermeister des Bezirks Neukölln, Heinz Buschkowsky, bereits gewohnt wortstark verdeutlicht. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach einer Anzeige gegen Buschkowsky, der gegen das Betreuungsgeld unter anderem vorgebracht hatte, die "Unterschicht" würde das Geld einfach "versaufen", wurden in dieser Woche wieder eingestellt.

Die familienpolitische Sprecherin der SPD im Abgeordnetenhaus, Sandra Scheeres, formuliert ihre Kritik weniger drastisch: Sie hält das Betreuungsgeld schlicht für "eine bildungspolitische Katastrophe". Mit beitragsfreien Kitajahren und einer Ausdehnung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz auch für unter Dreijährige setze sich die Berliner SPD dafür ein, dass möglichst viele Kinder möglichst früh Bildungseinrichtungen besuchten, so Scheeres: Vor diesem Hintergrund seien die Pläne der Bundesregierung ein Schritt in die völlig falsche Richtung.

Von ihrer oppositionellen Kollegin Elfie Jantzen, Familienpolitikerin der Grünen-Fraktion, bekommt sie Unterstützung: Das geplante Betreuungsgeld sei "Blödsinn hoch drei", meint die. Und die von der Bundes-FDP ins Spiel gebrachte Idee, die Eltern-Unterstützung in Form von Gutscheinen zu verteilen, sei "nochmal ein Blödsinn drauf", erklärt Jantzen: "Das ist ein Misstrauensvotum gegenüber Eltern", findet sie.

Zudem sei es "weltfremd", von Hartz-IV-Empfängern zu erwarten, dass die das Geld für Bildungsangebote ausgeben: "Sie wissen ja nicht mal, wo sie das Geld für die Busfahrkarten dorthin zusammenkriegen sollen", so Jantzen.

FDP-Frau Senftleben hofft, dass es zu dem "Wahnsinn" nicht kommt: Die Einführung des Geldes sei ja glücklicherweise erst für das Jahr 2013 geplant, erklärt die Liberale: "Bis dahin fließt noch viel Wasser die Spree hinunter."

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6 Kommentare

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  • MC
    Marie Caroulette

    Als ehemalige "Vollzeitmutti" geht mir dieses bescheuerte Einprügeln auf die Mütter , speziell auf arme Mütter/ Eltern gewaltig auf den Senkel.

    Nachdem man jahhrzehntelang das die häusliche Erziehung von ALLEN Kindern propagiert hat( im Westen ), sollen nun schon die Allerkleinsten in eine Kita abgeschoben werden , damit sie dort "gebildet" werden.

    Das wichtigste , was kleine Kinder brauchen ist eine verlässliche Bezugsperson, eine überschaubare Umgebung, und vor allem viel Zeit.

    Für mich war es immer klar, dass ich meine Erziehungsauftrag ernst nehme . So wie das die allermeisten Eltern , ob sie nun arm oder reich sind, tun.

     

     

    Diese tollen Angebote ( Musik, Reiten , kulturelle Angebote für Kinder würde ich gerne annehmen ! Mit meinen großen Kindern , die davon wirklich etwas hätten !Für 150 € im Monat ließe sich doch einiges verwirklichen ;-))

     

    Warum für das Geld nicht kostenlose Sportvereinsmitgliedschaften , inklusive Berreitstellen der Ausrüstung. Kulturelle Angebote für Kinder, kostenloser Musikunterricht für alle , kostenlose Museumsbesuche inkl. Fahrgeld .Teilnhame an Kinderprojekten, Schulen besser ausstatten , Unterstützung von Ehrenamtlichen ?

    Und warum nicht endlich den Hartz IV Satz für Kinder erhöhen , da sonst jede Kindergelderhöhung an denen , die sie wirklich brauchen vorbeigeht ?

     

    Übrigens- wir sind keine Hartz IV- Bezieher !

     

    Und wenn mal wieder über die ach so blöden Unterschichtseltern gelästert wird - wer verhindert die Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln , wer hat die permanente Dauerberieselung per Fernseher durchgesetzt, und wer setzt sich immer noch für die 3-Stände-Schule ein , die benachteiligte Kinder von vorne herein in die Verliererschublade steckt ???

     

    viele Grüße

    die "ehemalige Vollzeitmutti"

  • HM
    H. Martin

    Otto: Die Fulltimemuttis, die aus welchen Gründen auch immer nicht arbeiten gehen müssen, mag es geben, aber ich sehe nicht ein, warum diese aus Steuergeldern zusätzlich finanziell unterstützt werden sollten.

  • AS
    Achim Stührmann

    ich denke, der Wind weht aus einer ganz anderen Ecke.

    150.-€ oder Gutscheine auszugeben, ist wahrscheinlich billiger, als Erzieherinnen menschenwürdig zu bezahlen.

     

    Nochwas:

    Was soll mit den Gutscheinen angefangen werden?

    Früchinesisch für 2-jährige???

  • T
    Tim

    @ Otto

     

    Zum einen, das Betreuungsgeld kostet dem Staat richtig Geld, wobei nicht sicher ist, ob Empfängerfamilien dieses Geld auch wie geplant für ihre Kinder einsetzt. Zum anderen, Kinder brauchen soziale Kontakte, wobei damit nicht nur die eigene Familie und deren Verwandten sowie Bekannten gemeint sind. Am Besten sind immernoch andere, gleichaltrige Kinder, denn so können sie schon frühzeitig miteinander und voneinander lernen, denn Spaßfaktor sollte man dabei auch nicht unterschätzen.

    Insofern halte ich ein Gutscheinsystem für angebrachter, als einfach nur Geld zu verteilen, wo man nicht genau weiss, was damit dann gemacht wird.

    Geht es nun wirklich um die Kinder, oder um das Selbstbestimmungsrecht der Eltern? Kinder sollten bestmöglich gefördert werden, und wenn das eine bestimmte Klientel nicht schafft, warum auch immer, wäre es das falsche Signal denen auch noch Geld zu geben. Und wenn die mal in Kindergärten hineinschauen, bzw. Sportvereine, Lerngruppen etc., Kinder können sich selbst sehr gut selbst erziehen, und blühen meist in Gesellschaft von anderen Kindern auf.

    Im Übrigen bedeutet eine art Gutscheinsystem nicht zwangsläufig, daß man bestimmten Eltern ihre Fähigkeiten der Kinderbetreuung abspricht.

  • M
    Mike

    So, so, es sollen also möglicht viele Kinder unter drei Jahren "Bildungseinrichtungen" besuchen.

    Irgendwie entfernen wir uns immer weiter von den Bedürfnissen der Kleinkinder, die im wesentlichen freie Entfaltungsmöglichkeiten und Sicherheit brauchen. Dann kommt die Bildung von ganz alleine.

    Sicherheit durch Struktur und eine Bezugsperson liefert ein Hort den Kleinkindern nur im geringen Maße. Dagegen erleben Sie im Wechsel zwischen Wochenende und Werktagen eher Unsicherheit. Dies bedeutet natürlich auch gößeren Stress für die Eltern, die sich wundern, wieso ihr Kind am Wochenende oder am Abend nicht so funktioniert wie andere Kinder.

    Die Möglichkeiten der Kinder, die Welt zu erobern und kennenzulernen, sind auch eingeschränkt, da jede Aktivität außerhalb des Horts organisatorischen Aufwand bedeutet. Und bei Aktivitäten am Wochenende muss von den Kleinen erst mal das Thema Sicherheit geklärt werden.

    Mein Sohn ist Vorschulkind. Kinder die in seinem Alter vorher im Hort waren, haben weder eine größere Sozialkompetenz noch mehr Selbstsicherheit. Eher das Gegenteil ist der Fall.

    Da stellt sich nun die Frage, wo liegt der Vorteil des Horts. Die 150 € könnte ich aber noch gebrauchen.

  • O
    Otto

    Hallo??? Besteht die Welt nur aus HartzIV-Empfängern + Pseudo-Super-Muttis, die meinen, Sie müßten Beruf+Kinder unter einen Hut bringen? Es gibt zahlreiche Familien aus der Mittelschicht, die Kindererziehung und -betreuung als ihren Aufgabenbereich ansehen. Die eben kein Interesse daran haben, Ihre Kinder schnellstmöglich und ganztäglich in Bildungseinrichtungen abzuliefern. Und das Geld auch nicht "versaufen"...