piwik no script img

Wirbel um Nürburgring-ProjektCDU-Aufklärer bei Datenklau erwischt

Ein CDU-Abgeordneter verwendete im Nürburgring-Untersuchungs-Ausschuss illegal beschaffte Polizeidaten - und trat zurück. Eine gute Nachricht für Landeschef Beck.

Alles legal? Hier lagern die Akten zur Nürburgring-Affäre. Bild: dpa

MAINZ taz | Der Wirbel um das rheinland-pfälzische Prestigeprojekt Nürburgring geht weiter - allerdings anders als gedacht. Seit Mitte September soll ein Untersuchungsausschuss im Landtag klären, ob und wie viel Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und sein Ex-Finanzminister Ingolf Deubel davon gewusst haben, dass die Landesregierung bei der Finanzierung Betrügern aufgesessen war. Seit zwei Tagen steht nun die CDU-Opposition, die Aufklärung fordert, wegen Datenklau im Zwielicht.

Der Trierer Landtagsabgeordnete Michael Billen (CDU) musste eingestehen, dass er sich Informationen illegal beschafft hatte. Sie stammten aus den Unterlagen seiner Tochter, die als Polizeikommissarin arbeitet. Diese habe sich, so Billen, "aus Neugier" im Polizeicomputer im polizeilichen Informationssystem (Polis) umgesehen und dort Daten über Geschäftsleute gefunden, die im Zusammenhang mit der Nürburgring-Affäre erwähnt worden waren. Sie habe Auszüge ausgedruckt und mit nach Hause genommen. Die Kreditvermittler hatten dem Land seinerzeit einen besonders günstigen 300-Millionen-Kredit beschaffen wollen, gerieten aber in Verdacht, es nur auf die Provision abgesehen zu haben. Die Finanzierungspläne platzten im Sommer 2009, die Koblenzer Staatsanwaltschaft ermittelte; Minister Deubel musste zurücktreten.

Billen erklärte, er habe ohne das Wissen seiner Tochter in deren Unterlagen "gekramt" und die Papiere "abgegriffen". Er wisse, dass er "einen großen Fehler gemacht" habe: "Sie sehen in mir einen betroffenen Vater." Billen versicherte, die polizeilichen Dienstgeheimnisse nicht an Medien weitergegeben zu haben. Dort kursierten allerdings in den letzten Tagen bereits Berichte, die sich auf Informationen aus der Datei Polis bezogen.

In den nächsten Sitzungen des Ausschusses sollte es vor allem darum gehen, ob die Landesregierung schon Monate vor dem Platzen des Finanzmodells über dessen Fragwürdigkeit informiert war und schon seit 2008 gegen die Geschäftsleute ermittelt worden sei. Billen griff während seines Rücktritts als Ausschussmitglied noch einmal Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) an, der das geleugnet hätte. Der SPD-Obmann Clemens Hoch bestritt, dass die Landesregierung etwas gewusst haben könnte. Die Grünen warnten, dass Regierungschef Kurt Beck (SPD) durch den "Bärendienst" des CDU-Abgeordneten Billen die Chance bekomme, von der Aufklärung des eigentlichen Skandals abzulenken.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • S
    Sherwood

    Also sie, die Bullette, hat aus purer Neugier mal in irgendwelchen Daten herumgeschaut, die dann ausgedruckt, so zum Spass, dann nach Hause zu Daddy, der dann beim heimlichen Stöbern in Tochters Unterlagen auf die Dokumente stieß, mit denen er sich zufälligerweise gerade in einem Ausschuss beschäftigt. HOHOHO!

  • RG
    Roand Grundl

    Genau das ist der Grund daß die Bürger sicher gegen eine Vorratsdatenspeicherung wehren sollen.

    Puplicitysüchtige Poltiker und karrieregeile Beamte werden immer versuchen illegal an Daten zu kommen und weiterzugeben, in der Hoffnun daß es nicht aufkommt. Wenn dann wird es nach Poltikerroutine solange abgestritten bis es nicht mehr geht,verharmlost, auf die Tränendrüsen gedruckt.

  • A
    another1

    Seit Jahren ziert meine mails folgende Fußnote:

    "Zukünftig kann es geschehen, daß jeder Mitarbeiter einer öffentlichen Verwaltung, der Zugriff auf einen Amts-Computer hat, die gespeicherten Daten der Bürger einsehen und nach seinem Gutdünken verwenden könnte. Gegenteilige Behauptungen wären wenig glaubhaft!"(Zitatende)

    Ich bin deswegen belächelt, aber auch schon mit Drohungen bedacht worden. - Der aktuelle Vorgang ist aber nur die Spitze eines Eisberges, da solche Taten wohl nur zufällig an die Öffentlichkeit kommen; wohl wegen der augenhackenden Krähen! Man stelle sich vor, zwei Verfahrenskontrahenten, von denen einer Beamter ist, der nun in Ihrem, vielleicht nicht ganz korrekten, Lebenslauf wühlt, um im Verfahren Ihren Ruf zu schädigen, zu seinen Gunsten!

    Welch eine Horrorvision?

  • J
    Jonas

    Und nun hat ein weiterer CDU-MdL zugegeben, eine Polizistin angestiftet zu haben, um in der Datenbank der Polizei herumzuschnüffeln. Im Gegensatz zu Billen ist der aber zurückgetreten. Ganz schön dreist, diese Unionisten.

  • BA
    B. A.

    Das ist genau der Grund warum die ganze Vorratsdatenspeicherung zu Gunsten der Polizei nicht hinzunehmen ist.

    Viele Polizisten werden "aus Neugier" Informationen über ihre Nachbarn/Bekannten/Freunde einsehen und somit an Informationen gelangen, die sie nichts angehen.

    Wie soll denn bei so einem Verhalten sicher gestellt werden, dass die betreffenden Beamten mit Daten aus der Vorratsdatenspeicherung verantwortungsvoller umgehen?

    Die Polizistin gehört angezeigt wegen Verrats von Dienstgeheimnissen.

  • B
    byteorder

    Kleine Korrektur, bevor sich hier Trierer beschweren. Michael Billen (CDU) ist Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Bitburg-Prüm, nicht Trier.