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USA stocken Afghanistan-Truppen aufObamas Krieg

Die Ankündigung des US-Präsidenten, die Truppen in Afghanistan aufzustocken, war erwartbar. Überraschend hingegen ist die Festlegung auf einen Rückzugstermin.

Tuchfühlung nach der Rede: Barack Obama in West Point. Bild: dpa

Der Irakkrieg war für Barack Obama unnötig, falsch, der Afghanistankrieg aber notwendig. Schon im Wahlkampf trat Obama deshalb mit der Forderung nach mehr Soldaten für Afghanistan an. Bald nach seinem Amtsantritt im Januar dieses Jahres stockte er das US-Kontingent auf. Doch vor dem ganz großen Schritt schreckte der neue Präsident zurück.

Bei seiner Rede an der Militärakademie West Point gab Obama nicht den unbeirrbaren Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte, sondern erklärte sein langes Zögern, das ihm konservative Kritiker als Schwäche auslegten: "Ich treffe diese Entscheidung nicht leichten Herzens", so Obama wohl auch als Reverenz an viele seiner Unterstützer, die gegen eine Aufstockung eintreten. "Ich war gegen den Irakkrieg, weil ich glaube, dass wir Zurückhaltung üben müssen beim Einsatz unserer militärischen Stärke." Auch seine Mahnung, die USA dürfe "die Kosten dieser Kriege nicht ignorieren", mag an die Kritiker in der eigenen Partei gerichtet gewesen sein, die vor den Mehrbelastungen in Höhe von 30 Milliarden Dollar pro Jahr gewarnt hatten.

Dann machte der Präsident die Zahl offiziell, die seit Wochen in den US-Medien kursierte: "Die 30.000 zusätzlichen Soldaten, die ich heute ankündige, werden 2010 stationiert - dem schnellstmöglichen Zeitpunkt -, damit sie die Aufständischen bekämpfen und die wichtigsten Bevölkerungszentren schützen können."

Das ist das erste Element der neuen Strategie. Der Präsident folgt damit weitgehend der Forderung des US-Kommandeurs in Afghanistan, der schon seit Monaten eine Aufstockung um 40.000 gefordert hatte.

Nach der Entsendung von mehr Bodentruppen sollen die "Opposing Militant Forces", wie die Taliban und andere Aufständische im US-Militärjagon heißen, nicht mehr aus der Luft, sondern am Boden bekämpft werden. Der Rest der Bevölkerung soll dadurch besser geschützt und den Aufständischen die Unterstützung entzogen werden, statt wie bislang möglichst viele von ihnen zu töten.

Erstaunliche Festlegung

Für wie riskant der Präsident die angekündigte Aufstockung und Eskalation selbst betrachtet, machte er mit dem zweiten Element seiner Strategie deutlich. Und zumindest die Klarheit, mit der er dies vortrug, war eine Überraschung. "Nach 18 Monaten werden unsere Truppen damit beginnen, nach Hause zu kommen."

Im "Juli 2011", darauf legt sich der Präsident auch an anderer Stelle der Rede eindeutig fest, soll der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan beginnen. Erstaunlich ist dies vor allem deshalb, weil innerhalb der Nato eigentlich das Dogma gilt, bloß nicht über konkrete Abzugstermine zu sprechen. Diese bringe nur dem Gegner Vorteile.

Der Zeitpunkt hätte sich auch errechnen lassen. Wenn Ende 2011 der Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl im November 2012 beginnt, will Obama mit dem Rückzug schon begonnen haben. Der Termin für ein Ende der US-Intervention bleibt offen.

Den Weg dahin soll das dritte Element der Strategie bringen: die Ausbildung und Ausrüstung einer afghanischen Armee. Vorbild soll der schrittweise Rückzug aus Irak sein. Dort suchten sich die US-Militärs Verbündete unter den Milizen und integrierten sie teilweise in die irakische Armee. In Afghanistan könnten dann am Ende gestärkte Warlords stehen, die im Zweifelsfall den Bürgerkrieg gegen die Taliban weiterführen, während sich die US-Militärs im Hintergrund halten. Sie würden dann nur noch mit Einsätzen von Spezialkräften und durch Luftangriffe in den wieder von Afghanen geführten Krieg eingreifen.

Das klingt vertraut. Als die USA vor fast genau acht Jahren damit begannen, die in Afghanistan herrschenden Taliban militärisch zu stürzen - der US-Verteidigungsminister hieß Donald Rumsfeld -, griffen die USA bereits auf diese Art der Kriegsführung per Outsourcing zurück. Die US-Streitkräfte agierten in der Hauptsache aus der Luft. Nur kleinere Spezialeinheiten waren am Boden aktiv. Den Großteil der Kämpfer stellte nicht das US-Militär, sondern die unter dem Label Nordallianz gegen die Taliban verbündeten Warlords. Der schnelle Erfolg schien Rumsfeld recht zu geben, die Taliban waren innerhalb eines Monats aus Kabul verschwunden. Doch acht Jahre später stehen die USA immer noch im Krieg.

Eine andere historische Assoziation bringt Obama selbst ein: Mit Vietnam könne man den Afghanistankrieg nicht vergleichen. Damals habe es nicht die Legitimierung durch eine so große Allianz gegeben. Und "anders als in Vietnam stehen wir keiner breiteren Volkserhebung gegenüber". Und doch erinnert seine Strategie an die Worte eines anderen US-Präsidenten. "Unsere Antwort wird zunächst begrenzt und angepasst sein. Wir Amerikaner kennen das Risiko der Ausbreitung eines Konflikts, auch wenn andere dies vergessen", sagte Lyndon B. Johnson 1964. "Wir wollen keine Ausweitung des Krieges." Der Vietnamkrieg hatte damit erst richtig begonnen.

Wenn Ende 2011 der Vorwahlkampf beginnt, will Obama mit dem Rückzug schon begonnen habenDer Irakkrieg war für Obama der falsche Krieg. Der Afghanistankrieg aber der notwendige

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11 Kommentare

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  • A
    asd

    in einer polit-talkshow wurde neulich, ohne jegliche wiederworte, gesagt, das von den 4000 (oder6000?) soldaten die derzeit in faghanistan stationiert sind 2000 soldaten das lager nie verlassen und 500 einzig und allein da sind um das lager zu bewachen.

     

    nur mal so

     

    des weiteren sollte man sich im klaren darüber sein, ds solange wir dort mit militärischen mitteln zugange sind, es auch menschen geben wird die sich dagegen stellen, die wir dann als terroristen oder taliban oder sonstwas bezeichnen.

    wir sind nicht dort weil wir den menschen frieden bringen wollen, genauso wie wir nicht im irak sind umn die menschen zu beschützen.

     

    es geht einzig und allein um wirtschaftliche und militärische taktische interessen. auch für unsere soldaten. wir wollen keinen selbstsdändigen, selbstbewussten afghanischen oder irakischen staat. wir wollen einen der unseren wirtschaftspolitischen interessen entspricht. welche nebenbeibemerkt absolut nicht den interessen der bevölkerung entsprechen.

  • N
    noevil

    Auch wenn es Euch am Ende überrascht: ich bin nicht für Krieg. (Und spart Euch Eure voreilige Häme!)

     

    Manchmal kann man Schwache nur schützen, indem man als noch Stärkerer Halbstarken in den Arm fällt, um sie zu stoppen. Solange die Beschützer aber hauptsächlich damit beschäftigt sind, sich in Afghanistan zu verkriechen, um sich selbst zu schützen, werden sie ihrer Aufgabe nicht gerecht. Dann wäre es besser, gleich Nachhause zu gehen.

     

    Was käme dann? Taliban und Al Qaida wären flugs zurück. Die Rache an den liberalen Afghanen wäre fürchterlich. Wieder würde sich jeder Taliban oder auch pubertierende Jüngling, der eine Regung unterhalb seiner Gürtellinie verspürt berechtigt fühlen, irgendein Burka tragendes Wesen dafür verantwortlich zu machen und sich erdreisten, scheinheilig über es zu Gericht zu sitzen anstatt in seinem eigenen Innern aufzuräumen. Die kleinen Ansätze für Entwicklung eines Bildungs- und Gesundheitswesens würden mit Nachdruck zerstört werden. Und Al Qaida würden sich so siegreich fühlen, dass sie mit Genuss über die Grenzen des Landes ziehen. Ja, Herrschaften so sehe ich das.

     

    Um aber die friedliche Entwicklung der Gesellschaft zu unterstützen, braucht Afghanistan - und will sie auch - Hilfe zur Selbsthilfe. Das geht einfach nicht ohne militärischen Schutz. Aber der muss entschlossener und vor allem gemeinsam mit den zivilen Helfergemeinschaften vor sich gehen. Vielleicht klappt es dann auch mit einer modernen zivilen Gesellschaft, in der Jede und Jeder das Recht auf eine eigene Meinung sowie Respekt vor anders lautenden Ansichten hat - und in der eine freie Presse sich zu Wort melden darf.

     

    So wie hier bei uns, solange das Blatt nicht von gewissen Mediengruppen mit anderen Blättern zu Lasten engagierter Journalisten gleichgeschaltet wird. Aber das ist eine ganz andere Geschichte...

  • H
    Helen

    Obama ist nicht Schuld daran, dass man ihm den F-Nobelpreis aufgedrückt hat, der, wie der Name "Nobel" sagt, nicht von "Nobilität" kommt, sondern vom Dynamitfabrikanten Alfred Nobel.

     

    Dass Obama ein Rückzugsdatum nennt, ist schlau, nicht allein wegen des Wahltermins, sondern in Bezug auf Karsai. Karsai und alle rechtsstaatlich interessierten Menschen in Afghanistan müssen jetzt Tatkraft beweisen, wenn sie ernsthaft an einem Rechtsstaat interessiert sind und nicht wieder von den Taliban aus dem Amt gejagt und entrechtet werden wollen.

     

    Die Lektion, dass Demokratie aktive Demokratinnen und Demokraten braucht, müssen die Menschen in Afghanistan leider noch lernen. Eine gesunde Dosis Druck von Obama ist hierzu das beste Heilmittel im Sinne einer vielleicht etwas schmerzvollen Initiation, die dem weit größeren Schmerz weiterer Kriegsjahrzehnte vorzuziehen ist. Yes we can democracy - das darf auch für Afghaninnen und Afghanen wahr werden.

  • W
    WaltaKa

    Im Radio haben wurde die Rede des F......nobelpreisträgers (das komplette Wort kam mir beim besten Willen nicht in die Tasten, sorry)eingeläutet mit der Originalmusik einer Militärkapelle bei seinem Auftritt in Westpoint. Dann seine Bush-istische Rede.Der Original-Bush hätte es nicht besser gemacht.Beides zusammen erinnerte mich an die Form der deutschen Wehrmachtsberichte im Radio. Schauderhaft. Wir sind anscheinend wirklich wieder so weit...Die Nato- Mitgliedsländer in Europa (incl D!) entpuppen sich endgültig als Vasallenstaaten des Hegemons USA. Obama 'bittet' nicht um Truppenaufstockung, er 'wünscht' und 'fordert' sie.Und alle, alle, folgen...Merkel spätestens im Januar. Was passierte eigentlich, falls ein Staat sich weigerte? Die Besetzung durch US-Truppen? In Den Haag würden die USA ja auch einmarschieren, würde jemals ein US-Soldat wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

    Nun dürfen wir gespannt sein, wie uns die Medien, auch die taz, diesen Schritt des Westens hin zu immer mehr Krieg in Afghanistan darstellen und verkaufen.

    Die taz-Autorin Frau Petersen machte ja vor kurzem den Anfang. Sie bekennt sich zu ihrem Wunsch einer Truppenaufstockung und damit zur Ausweitung des Krieges. Dies beinhaltet natürlich die Akzeptanz von mehr Toten. Das alles kann Frau befürworten, sie begibt sich ja nicht selbst in den Krieg.

    Ab sofort wünsche ich dem 'Westen' in 5 bis 10 Jahren einen dermaßen beschämenden Abgang aus Vietnam...äh...Afghanistan natürlich, ganz ohne Glanz und Gloria...

    Und zum Abzugstermingebrabbele des Kriegsnobelpreisträgers sage ich nur: remember Guatanamo.

  • G
    grifter

    Die Erhöhung der Truppenstärke wird auch dann nichts

    bringen, wenn nicht endlich die waffentechnische

    Überlegenheit der NATO eingesetzt wird. Solange

    eine Scheu vor der Anwendung von Waffen mit einer

    durchschlagenden Kraft besteht, bei jedem Luft-

    schlag,siehe Kundus, das Geschrei der Gutmenschen

    erhört wird, solange wird der Erfolg ausbleiben

    und westliche Soldaten werden sinnlos geopfert.

  • JB
    Joachim Bovier

    Die Entscheidung zur Truppenaufstockung in Afghanistan durch den US Präsidenten ist eine richtige und überfällige Entscheidung, sie weist zumindest in die richtige Richtung, wie man es Herrn Obama nicht mehr zugetraut hätte. Trotzdem: So viel 30.000 Soldaten mehr auch sein mögen, sie sind nur knapp die Hälfte der von General McCrystal für nötig erachteten Verstärkung seiner Truppen. Es kann kein anderes Kriegsziel geben, als ein endgültiger Sieg über die islamistischen Taliban. Dazu ist es notwendig, deren Widerstandwillen zu brechen. Insofern war es taktisch äußerst unklug einen Exitzeitpunkt festzulegen. Dennoch: die Erfolgsaussichten der NATO haben sich erhöht, ob die erklärten Massnahmen letztendlich auf Dauer ausreichen, wird sich weisen müssen. Unabdingbar, dass nun auch Europa seinen Beitrag zur Verteidigung des Westens deutlich erhöht. Das gilt selbstverständlich auch für eine notwendige Erhöhung des militärischen Engagements der Bundeswehr.

  • O
    Orwell

    Tyrranei ist Freihei,

    Ignoranz ist Stärke.

    Krieg ist Frieden.

    Obama ist Friedensnobelpreisträger.

    Wacht auf,die Realität gehört alleine uns.

  • P
    Pharisaer

    @fank-ayran: selten so gut gelacht!

  • G
    gregor

    Obama hat keine Wahl wie jede tragische Figur der Geschichte. Er kann nur rational handeln und muss mehr Soldaten nach Afghanistan schicken auch wenn er die Ahnung hat, dass das Ganze wenig bringen wird. Um Afghanistan zu verlassen, muss man nach Afghanistan voll rein gehen. Erst nach einem sinnlosen Massaker kann Obama, oder wahrscheinlich sein Nachfolger, sagen - der Krieg ist keine Lösung.

  • F
    fank-ayran

    kommentar zur allgemeinen verwirrung:

     

    ersetzen sie 'US-Präsident' durch den begriff 'Friedensnobelpreisträger' und lesen sie den artikel erneut.

  • F
    flo

    das politische klima wird orwellscher,nach diesem letzten schlag ins gesicht für jeden,der vielleicht noch an die menschliche glaubwürdigkeit des us-präsidenten glaubte.

    es ist sicher nichts neues,dass die rar gesäten humanisten in der politik kapitulieren vor einem durch die industrielle wirtschaftslobby zur farce mutierten system.

    was sich geändert hat sind wir.

    die zombies,an denen vorbei mühelos diese öffentliche demütigung für anstand und aufrichtig beschlossen wird.

    so lange wir in der warmen wohnung,mit essen im kühlschrank am computer sitzen können wird sich hier bei uns sicher nichts ändern.

    der nimmersatte würgegriff unserer korrupten,dem dschungelgesetzt folgenden politiker ist dank der unterstützung durch die wirtschaft zu einer sanften einlullenden umarmung geworden.während in stockholm ein schlaflied erklingt,wird anderswo politik gemacht.u.a. mit 100 000 soldaten.