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Die NPD schrumpft in BerlinPartei ohne Volk

Der NPD laufen die Leute weg: Sogar Landeschef Jörg Hähnel mag nicht mehr. Außerdem hat die Partei in diesem Jahr fast ein Siebtel ihrer Mitglieder verloren.

In Berlin ist der Widerstand in manchen Stadtteilen gegen die Neonazis sehr stark. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Berliner NPD steckt in einer tiefen Krise: Nicht nur hat sie mit existenziellen finanziellen Problemen zu kämpfen - ihr laufen auch Führungspersonal und Mitglieder weg. Landeschef Jörg Hähnel will nicht mehr, hat aber bisher noch keinen Nachfolger gefunden. "Richtig ist, dass ich zum Parteitag nicht wieder antrete", sagt er der taz. Einen Grund will er nicht nennen. Der Parteitag solle "Anfang 2010" stattfinden. Regulär wäre er erst im Mai dran.

Zudem verlor der Landesverband laut Verfassungsschutz in diesem Jahr erstmals seit Jahren Mitglieder: 40 von einst 290 Mitgliedern seien ausgetreten. Darunter waren Führungsfiguren wie die Kreischefs von Tempelhof-Schöneberg und Marzahn-Hellersdorf, Hans-Joachim Henry und Gesine Hennrich, und einige deren aktiver Mitstreiter. Hennrich gründete mit anderen Ex-NPD-lern die Kameradschaft "Frontbann 24", die letzten Monat verboten wurde. Andere versuchen die am Boden liegende Berliner DVU neu zu beleben.

Insgesamt mangelt es in Berlin allerdings nicht an Neonazis. Isabelle Kalbitzer vom Landesamt für Verfassungsschutz spricht von einer "unverändert stabilen Zahl der freien Kräfte von mehreren hundert". Doch die NPD habe in dieser Szene ihre Führungsrolle verloren und kaum noch etwas zu melden, so Kalbitzer. Ohne die Radikalen aus der Kameradschaftsszene würde die NPD nicht mal mehr Leute für Demonstrationen mobilisieren können.

Auch kommunalpolitisch konnte sie in den Bezirksverordnetenversammlungen in Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln kaum Akzente setzen. Füllten die Kameradschaftsanhänger dort früher regelmäßig die Zuschauertribünen, so seien die jetzt kaum noch zu sehen, sagen mehrere Bezirksverordnete demokratischer Parteien. Die NPD interessiere dort kaum noch. Darin sieht Kalbitzer den Grund, dass Hähnel keinen Nachfolger findet. "Der Job ist unattraktiv." Ihr lägen Hinweise vor, dass der Parteitag bereits auf Dezember hätte vorverlegt werden sollen. Doch daraus sei wegen der noch anstehenden Personalsuche nichts geworden.

Der 34-jährige Liedermacher und Lichtenberger Bezirksverordnete Hähnel verfügt über etwas, was in der rechten Szene selten ist: Er hat rhetorisches Talent und bringt aus seiner Geburtsstadt Frankfurt (Oder) Erfahrungen im Stadtparlament mit. Politisch ist er etwa dem radikalen Flügel zuzurechnen, dem nach Einschätzung des Verfassungsschutzes die Berliner NPD mehrheitlich angehört. Dennoch vermochte Hähnel sich nicht als charismatische Führungsfigur in Szene zu setzen.

Die Soziologin Helgard Kramer von der Freien Universität vergleicht die Selbstzerfleischung und das Aufsplitten in allerlei organisatorische Minizirkel der frühen Weimarer Zeit. "Damals gab es sektenähnliche Organisationen im rechten Spektrum wie die Organisation Consul, den Jungdeutschen Orden oder den Kyffhäuserbund. Erst etwa ab 1928 gelang es der NSDAP, dank Hitlers Charisma, die Führung im rechten Spektrum zu übernehmen."

Glücklicherweise verfügt die NPD nicht über eine unumstrittene Führungsfigur.

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26 Kommentare

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  • A
    andre.may

    wieviele leute die noch haben, merkst du spätestens, wenn du mit deinem dunkel-kumpel am brandenburger baggersee für nix in der notaufnahme landest.

  • AB
    alles beim Alten

    Na denn, dann zieht der Verfassungsschutz wohl langsam seine Leute ab. D.h. Ende des nächsten Jahres gibt es das von vielen ersehnte NPD-Verbotsverfahren.

  • MI
    mehr informieren

    @ Luftschloss

     

    Ich empfehle Ihnen als Einstieg den Abschnitt "Die Theorie zur Praxis: Die „Extremismusformel“" in diesem offenen Brief zu lesen: http://inex.blogsport.de/offener-brief-gegen-jeden-extremismusbegriff/

     

    Bei weiterer Recherche mithilfe bekannter Suchmaschinen finden sich weitere Artikel und Texte zu dieser Thematik.

  • A
    atypixx

    @ Emil

     

    Da ist wohl sehr viel wahres in deinem Kommentar, allerdings ist wohl auch wahr, dass die NPD nicht über genügend intellektuell und rhetorisch gewandtes Personal verfügt, um diesen Weg einzuschlagen. ... Außerdem versuchen es etwa die "Republikaner" (REP) mit genau dem von dir beschriebenen Kurs und kommen damit regelmäßig auf etwa ein halbes Prozent der Stimmen.

  • L
    Luftschloss

    @Von mehr informieren:

    Die in einigen Kommentaren unterschwellige schlichte Gleichsetzung "Linksextrem = Rechtsextrem = böse" ist schlicht eindimensional und unhaltbar.

     

    Aha, böse sind nur Rechtsextremisten und Linksextremisten haben ja alle nur gutes im Sinn gehabt. Natürlich kann ich beide Strömungen gleich setzten, sie entspringen beide der Quelle der Verblendung, des Fanatismus und der Beschränktheit. Der gute Benito M. war ja auch mal ein roter und Rassismus gab es auch in der linken vor 1945, danach hat diese sich zum Glück von rassisch geprägten Ansichten gelöst. Viel freundlicher hat es deren Diktaturen und Verbrechen aber trotzdem nicht gemacht.

  • E
    Emil

    Genau so ist es: Die NPD als der ewige Sündenbock.

    Man kann so schön von der Realität ablenken und zudem mit den Gewalt-Radikalen bisher verhindern, dass die MEnschen rechtsnational wählen, weil ihnen suggeriert wird, dass alles, was damit zu tun hat, gewaltätig ist.

    Was man auch liest über die NPD bei den etablierten Medien: Es hat immer mit Gewalt zu tun

    Es drängt sich immmer mehr der Verdacht auf, dass man Furcht davor hat, dass die NPD einen anderen , gemäßigteren Weg einschlägt und dadurch ihr Wählerpotential sich deutlich vergrößert.

    Immerhin ist dies angesichts von Massenarbeitslosigkeit, Multi-Kulti, Eu, Wirtschaftkrise und ein Regieren über das Volk hinweg ,durchaus vorhanden.

    Doch das würde den Etablierten Parteien und Medien nicht sorecht in ihr Weltbild passen!

    Wahrscheinlich deshalb die auffallend häufige, negative Berichtestattung.

    Man will einerseits ablenken und darüberhinaus Angst und Hass gegen alles NAtionale schüren!

     

     

    Emil

  • L
    Lars

    @Julia

     

    Hast Du den Artikel nicht gelesen oder nicht verstanden? Nur weil die NPD MItglieder und Bedeutung verloren hat heißt das doch wohl kaum, daß es weniger Nazis gibt. Wie im Artikel steht gehen die jetzt lieber zur DVU oder zu freien Kameradschaften.

     

    Aber manche Leute lesen halt nur was sie lesen wollen nur um dann wieder ihre Hasstiraden auf Linke loszulassen.

  • MI
    mehr informieren

    @ luftschloss

    "Die meisten sogenannten Rechten Straftaten basieren auf Sondergesetzen extra für diese geschaffen"

     

    Ich bezog mich ausdrücklich auf rassistisch motivierte Gewalttaten, nicht rechte. Das ist ein deutlicher Unterschied, denn diese (rassistisch motivierten) Gewalttaten werden meist als 'normale' Körperverletzungen vor Gericht verhandelt (wenn Sie denn angezeigt werden) und fallen dementsprechend aus ihrem Rahmen der Sondergesetzte.

    Zudem ist der von Ihnen gewählte Fokus auf Gewalttaten zu beschränkt, weswegen ich bereits zuvor auf rechte Strömungen innerhalb der sogenannten politischen Mitte verwies.

    Die in einigen Kommentaren unterschwellige schlichte Gleichsetzung "Linksextrem = Rechtsextrem = böse" ist schlicht eindimensional und unhaltbar.

  • A
    atypixx

    @ Camilla

     

    Erstens haben sehr sehr viel weniger Leute mein Kampf gelesen (und dann noch Satz für Satz), als Exemplare gedruckt wurden. Daraus die Behauptung des kollektiven Gleichgültigkeitsvolkes zu stricken, ist nicht tragbar.

     

    Zweitens, glaubst du, z.B. (!) eine CDU/FDP-Koalition tangiert es mehr als äußerst peripher, ob durch Expansion der deutschen Wirtschaft (und das Schaffen von Arbeitsplätzen!) in Afrika ein paar (hundert)tausend Leute mehr verrecken als ohnehin? Die Menschen von heute, allen voran die westlichen Demokratien, lassen ja am Ende noch den ganzen Planeten für Wachstum und Beschäftigung vor die Hunde gehen.

     

    Drittens: Wer hat an einer Denke in der Richtung "Damals wars schlecht, heute ists gut" wohl Interesse?

  • J
    Julia

    Schrecklich, womit werden jetzt die linken Bessermenschen ihr "Kampf gegen Rechts" begründen können, müssen sie jetzt alle arbeiten gehen, weil die stattlichen Gelder nicht mehr fliessen werden?

  • L
    LeO

    Ach Luftschloß, die zu Unrecht geschmähte Rechte... Und dann auch noch schlechter organisiert... Und rechte Gewalt? Fehlanzeige? Also bitte, das ist doch tatsächlich ein Luftschloß und strunzdumm dazu.

  • C
    Camilla

    @verwundert

     

    Ich glaube nicht nur Dummheit und Vergesslichkeit der Gesellschaft würde so einen charimatischen Führer sein Spiel in der Zukunft spielen lassen.

    Ich befürchte, dass verallem die Anpassung der Gesellschaft die Geschichte wieder aufgreifen könnte.

    Warum richten sich die jungen Leute nur nach den Medien?

    Warum schreien die jungen Schüler und Studenten nicht ihre Eltern an, wenn sie in der DDR so welche Arschkriecher der SED waren?

    Warum ist den meisten alles so gleichgültig?

     

    Warum sind die Leute Hitler wohl gefolgt und himmelten ihn an?! Weil Hitler für das deutsche Volk Arbeitsplätze geschafft hat! Aber NUR für das deutsche Volk! Die deutsche Gesellschaft hat nur an seinen eigenen Arsch gedacht. Sie hatten Arbeitsplätze, aber dass die Juden ermordet worden sind hat die Leute nicht interessiert, weil es nicht ihr Problem war. Schrecklich!

    Sie wussten ganz genau, dass Hitler so ein übles Spiel spielen wird, da er 1923(nach dem Hitlerputsch) im Gefängnis das Buch "Mein Kampf" schrieb! Dort steht wortwörtlich, dass er vor hatte die Juden auszurotten. Und trotz allemdem haben die Leute ihn 1933 gewählt.

     

    Egoismus, Anpassung, Habgier, Erstreben der Macht und verallem untätiges Zusehen machen Menschen zu Mördern.

     

    Die Gesellschft heutzutage heult immer rum wie schlimm alles ist.

    Doch das wirklich Schlimme daran ist, dass alle nur Zuschauen und nicht das Problem angehen!

  • A
    Andrea

    Wir haben die Pflicht zu erinnern, Also müssen wir die Nazis an Ihre eigenen Maximen erinnern, nämlich daran dass sich jeder "anständige Deutsche" alternativlos seinem Führer folgen muss.

    Alle Nazis haben die heilige Pflicht sich das Leben zu nehmen!

    "Partei ohne Volk" hat durchaus einen gewissen Tiefgang.

  • J
    Jon

    @mehr informieren:

    Ich würde allerdings sagen, dass man aus dem Kommentar von 'Ich sage Euch' auch eine Kritik an den Praktiken des Verfassungsschutzes, V-Männer einzusetzen, herauslesen kann. Allerdings wäre diese Kritik in Bezug auf Berlin verfehlt. Siehe http://www.youtube.com/watch?v=xFTo3PWXzqU

  • C
    Chris

    Viel interessanter als das Schicksal dieser Dumpfbackenpartei ist doch das, was in den Köpfen der konservativ-neoliberal denkenden Bevölkerungsmitte vor sich geht. Deren latenter Rassismus ist nämlich viel präsenter als die paar Hanseln von der NPD.

  • L
    Luftschloss

    @ mehr informieren

     

    "Vielleicht solltest du dich mal mehr über rassistisch motivierte Gewalt einerseits und politische rechte Strömungen (diese insbesondere auch in der sogenannten "politischen Mitte") informieren, bevor du über solche Dinge wie monetäre Untermauerung von Präventionsmaßnahmen u.ä. redest..."

     

    Das könnte man umgekehrt auch behaupten und genau das ist wesentlich stichhaltiger.

    Die meisten sogenannten Rechten Straftaten basieren auf Sondergesetzen extra für diese geschaffen, wenn es um Gewalt geht stehen die Linken den Rechten in nichts nach, siehe Berlin, Hamburg etc. nur das die sogar noch besser organisiert vorgehen.

    Und bevor hier einer wieder von 140 angeblichen Nazimorden schwadroniert, sollte er sich den einen oder anderen Fall genauer anschauen.

    Die letzten „gezielten“ (und das betone ich) politischen Morde wurden von der Roten SED bzw. den Westdeutschen RAF „Helden“ begangen.

  • L
    Lothar

    Ist die islamistische Bedrohung und die Gewaltorgien von Linksradikalen nicht akuter als der Mitgliedsschwund einer rechten Partei? Offensichtlich nicht, anscheinden geht das Gewaltmonopol nicht nur vom Staat aus, sondern auch von Islamisten und Linksradikalen. Die Geschichte zeigt es, wer einseitig Gewalt toleriert und duldet, wird später selbst dadurch zum Opfer. Ein düsteres Gefühl beschleicht mich, der nächste 1. Mai wird wieder zur gebilligten bürgerkriegsähnlichen Gewaltarena mit Billigung von TAZ und Grünen.

  • N
    NBW

    mal wieder schlecht recherchiert - Gesine Hennrich ist erst Anfang diesen Jahres dem jetzt verbotenem Frontbann 24 beigetreten. Sie hat mit der Gründung genauso viel zu tun, wie die TAZ mit guter Recherche. Der Frontbann 24 wurde nämlich schon 2008 gegründet.

    Nun sind wir ja mal gespannt, ob dieser Kommentar veröffentlicht wird.

  • KG
    Kevin Groß

    Der Landesverband der NPD hat 40 Mitglieder verloren und der Landesverband der CDU 40 dazubekommen....ja ist doch klasse oder etwa nicht?

  • MI
    mehr informieren

    "

     

    15.12.2009 10:07 Uhr:

    Von Ich sage Euch:

     

    Der obenstehende Bericht beweist doch eindeutig, wie überaus groß die "Gefahr von Rechts" ist, die wir unbedingt mit noch mehr Millionen finanziell unterstützen müssen !

    (Vorsicht Satire !)

     

    "

     

    Vielleicht solltest du dich mal mehr über rassistisch motivierte Gewalt einerseits und politische rechte Strömungen (diese insbesondere auch in der sogenannten "politischen Mitte") informieren, bevor du über solche Dinge wie monetäre Untermauerung von Präventionsmaßnahmen u.ä. redest...

  • IS
    Ich sage Euch

    Der obenstehende Bericht beweist doch eindeutig, wie überaus groß die "Gefahr von Rechts" ist, die wir unbedingt mit noch mehr Millionen finanziell unterstützen müssen !

    (Vorsicht Satire !)

  • V
    vic

    Zur Hölle mit der NPD und dem ganzen Pack wie dem auf dem Balkon.

  • V
    Verwundert

    Dann wollen wir mal hoffen, dass sich auch in Zukunft kein charismatischer Führer findet! Derzeit hätte so jemand allzu leichtes Spiel.

    Dummheit und Vergesslichkeit sorgen dafür, dass sich Geschichte wiederholt. Immer. Überall(!).

  • A
    Averroes

    Sie laufen weg, aber WO sind sie jetzt?

     

    Kristallisiert sich das allgemeine Unwohlsein nun in dem wirklich tragischen Punkt?

     

    Heißt das, Feinde der Demokratie, Feinde der Menschenrechte und Feinde der Gleichberechtigung der Geschlechter haben im Westen nichts zu suchen?

     

    Schön wär's ...

  • S
    Shrike

    Meine Güte, diese Partei ist keine existenzielle Gefahr für unsere Demokratie.

    Nicht mal annähernd !

     

    Ich habe manchmal das Gefühl, einigen hier ist die NPD als Feind, als Partei des Bösen, richtig ans Herz gewachsen.

     

    Immer wieder kommen hier Berichte über die NPD, was im Sinne der Information zwar durchaus seine Berechtigung hat, aber auch eine Wichtigkeit und Gefährlichkeit suggeriert, die in dieser Größe wohl nicht vorhanden ist.

  • E
    Edelweiß

    Fragt sich nur wo die hinlaufen...