Kopenhagen-Boykott: Chaos im Konferenzzentrum
Weil sich die Vertreter von 77 Schwellen- und Entwicklungsländern von den Industriestaaten übergangen fühlten, verließen sie geschlossen den Verhandlungssaal.
Im Bella-Center ist am Montag das Chaos ausgebrochen: Eine Verhandlungsblockade der kleinen Inselstaaten, ein "Streik" der Afrikaner und eine Verhandlungspanne der dänischen Präsidentschaft - das war der Stand der Gespräche auf der Klimakonferenz in Kopenhagen am Montagmittag. Deshalb ging es in erster Linie darum, wieder eine Struktur hinzubekommen, mit der die Verhandlungen weitergehen können.
Denn seit vergangenem Donnerstag blockiert ein kleiner Inselstaat die Zukunftsverhandlungen. Tuvalu fordert, die 1,5-Grad-Grenze als Grundlage für ein neues Klimaabkommen festzuschreiben. Denn der Inselstaat ist vom Steigen des Meeresspiegels in seiner Existenz bedroht. Bislang aber will die Welt - wenn überhaupt - die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu beschränken versuchen. Am Freitag hatte die Allianz der kleinen Inselstaaten nachgelegt und einen eigenen Vertragsentwurf eingebracht, der eine Begrenzung der Erwärmung auf exakt 1,5 Grad zum Ziel hat.
Am Wochenende hatte dann Konferenzpräsidentin Connie Hedegaard zum sogenannten Greenland Dialogue geladen, um mit über 40 Umweltministern einen Ausweg zu finden. Und tatsächlich gelang es Hedegaard, eine Agenda für zumindest informelle Gespräche mit den Ministern abzustimmen. Allerdings tauchte auf dieser Liste nicht ein einziges Mal das Wort "Kioto" auf, was unter anderem den USA entgegenkommt und China unter Druck setzt. Der Chef der G 77, in der sich die Schwellen- und Entwicklungsländer zusammengeschlossen haben, erklärte entsprechend: "Die Industrieländer bestreiken die Klimaverhandlungen." Deshalb verließen die G-77-Vertreter am Montag geschlossen das Verhandlungsparkett.
Nach einer mehrstündigen Unterbrechung kehrten die Delegationen an den Verhandlungstisch zurück. Neben den formellen Verhandlungen im Plenum auf Beamtenebene führte Gastgeberin Connie Hedegaard parallel informelle Gespräche mit den Delegierten fort. Verhandlungsleiter der Ministerrunde sind der deutsche Ressortleiter Norbert Röttgen sowie sein indonesischer Amtskollege Sarwono Kusumaatmadja.
Zudem werden die Staatschefs aktiv. So wird Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag die Staats- und Regierungschefs der pazifischen Inselstaaten im Bundeskanzleramt in Berlin treffen; parallel dazu begegnet der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy in Paris dem äthiopischen Premierminister Meles Zenawi, der auch der Verhandlungsführer der afrikanischen Staaten ist.
Geplant war die Berlinreise der Inselstaatschefs allerdings schon seit November. Auswärtiges Amt und Goethe-Institut haben für die Staatsmänner ein nettes Programm zusammengestellt. Am Montag trafen sie Klaus Töpfer, den ehemaligen Chef des UN-Umweltprogramms (Unep), danach empfing sie Bundespräsident Horst Köhler im Schloss Bellevue.
Neu aber ist das Gespräch mit Merkel: Im Mittelpunkt dieses Treffens hinter verschlossenen Türen sollen nach Auskunft des stellvertretenden Regierungssprechers, Christoph Steegmans, "Fragen des Klimawandels" stehen.
Mit der konzertierten Aktion sollen Frankreich und Deutschland offenbar noch vor der Ankunft der ersten Staatschefs am Mittwoch in Kopenhagen die Positionen der kleinen Inselstaaten entschärfen. Ob es dabei auch um finanzielle Zusagen geht, ist offen. Die Klimadiplomatie läuft also auf Hochtouren. Oder, um es mit den Worten des Schweizer Verhandlungsführers Kolly zu sagen: "Trotz allen Chaos: Es ist ein Naturgesetz, dass am Ende einer Klimakonferenz etwas rauskommt."
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