piwik no script img

Reaktionen auf Auschwitz-Schild-DiebstahlWeltweites Entsetzen

Die Schild-Diebe von Auschwitz wurden gefasst, das Schild ist wieder da. Der Diebstahl wurde in Polen breit diskutiert – auf den Titelseiten der Zeitungen und am Küchentisch.

Zynisch: "Arbeit macht frei". Bild: Thmoas Berg – Lizenz: CC-BY-SA

Nach nur drei Tagen und einer Großfahndung fanden polnische Polizisten den am Freitag gestohlenen Schriftzug in einem Wald in Nordpolen wieder. Allerdings hatten die Täter, die kein geeignetes Versteck für den vier Meter langen Schriftzug finden konnten, ihn in drei Teile zerlegt. Die aus Eisen geschmiedeten Wörter "Arbeit macht frei" versteckten sie unter einem Haufen von Schnee und Zweigen, ohne zu bemerken, dass sie dabei beobachtet wurden. "Bei den fünf Verdächtigen handelt es sich um keine Neonazis", erklärte Andrzej Rokita, der Chef der Krakauer Polizei, gestern. "Ein politisches Motiv können wir ausschließen. Alle fünf Männer sind wegen Raub und Diebstahl vorbestraft."

Wer der Polizei den entscheidenden Tipp gegeben hat, ist nicht bekannt. Nachdem die Gedenkstätte Auschwitz und andere Spender eine Belohnung von knapp 30.000 Euro ausgesetzt hatten, gingen über hundert Hinweise bei der Polizei ein. In der Gedenkstätte selbst wurde das Sicherheitssystem einer strengen Kontrolle unterworfen. Denn die Täter, die am Freitag zwischen drei und fünf Uhr früh den Schriftzug über dem Haupttor zum ehemaligen KZ abmontierten, kannten das System.

So wussten sie nicht nur, wann die Wachleute bei ihren Kontrollgängen am Eingangstor vorbeikamen, sondern auch, dass die Kameras nachts nur undeutliche Bilder lieferten. Sie wussten auch, dass diejenige Kamera, die auf das Haupttor gerichtet ist, die Bilder gar nicht aufzeichnete und daher für die Fahndung der Polizei unnütz sein würden.

Der Diebstahl löste in Polen einen Schock aus. "Das Symbol der Schoah wurde gestohlen", titelte Polens bedeutendste Tageszeitung, die Gazeta Wyborcza. "Schande!", empörte sich das Boulevardblatt Fakt: "Sie beklauten das Lager in Auschwitz". Doch auch privat diskutieren die Polen immer wieder über den Diebstahl. "Das hat mich wie ein Schlag getroffen", bekennt Andrzej Kapys, ein Linguistikstudent in Warschau. "Dass Diebe in Polen nicht einmal haltmachen vor so einem Symbol! Dass sie in ein KZ einbrechen und den Opfern ihre Erinnerung stehlen!"

Beata Lapicka, eine Kommilitonin von Andrzej, nickt: "Ich schäme mich furchtbar. Dass Polen so etwas tun können! Das ist einfach unfassbar." Zwar stört es die beiden Studenten auch, dass sich durch den Diebstahl das Negativ-Stereotyp über Polen im Ausland wahrscheinlich verfestigt, doch ist das für sie eher zweitrangig. Wichtiger sei, dass die Täter begriffen, was sie getan hätten. "Man kann nur hoffen, dass die Diebe nicht einfach nur ins Gefängnis geworfen werden", meint der 27-jährige Andrzej. "Sie sollten ihre Tat wiedergutmachen. Vielleicht indem sie eine Arbeit in der Gedenkstätte übernehmen. Sie müssen lernen, sich in andere Menschen hineinzufühlen." Beata nickt zwar, ist aber skeptisch: "Wenn es dafür nicht längst schon zu spät ist!"

Noch dauern die Ermittlungen an. Unklar sind nach wie vor die Motive der fünf Täter aus Pommern und Kujawien. Handelte es sich um einen Auftragsdiebstahl? Steht hinter der Diebesbande ein reicher und "verrückter" Sammler, wie Polens Presse spekuliert. Oder wollten die fünf Männer im Alter von 25 bis 39 Jahren den Schriftzug in Einzelteilen an Neonazis verkaufen?

Auch zum Tathergang sind noch etliche Fragen offen. Nachdem mindestens drei von ihnen den Schriftzug am Freitag auf der einen Seite abmontiert und auf der anderen Seite aus der Verankerung gerissen hatten, schleppten sie ihn noch einen Kilometer an den früheren Baracken vorbei bis zu einem Loch im Stacheldrahtzaun und der äußeren Betonmauer. Dort wartete ein Lieferwagen mit den Komplizen. Unklar ist, woher die Täter wussten, welchen Weg sie gehen mussten, um nicht von den Kameras aufgenommen zu werden. Unklar ist auch, ob die Löcher schon vorher da waren oder sie in der Nacht mit Werkzeug zugange waren.

Auch in Israel hatte der Diebstahl des Schriftzuges über dem Haupttor von Auschwitz Empörung ausgelöst. Denn die Aufschrift, die zuerst im KZ Dachau angebracht wurde, gilt als Symbol für die Gräueltaten und Millionen Opfer der Nazis im Zweiten Weltkrieg. Auch über den Toreinfahrten der KZs Sachsenhausen, Groß-Rosen und Theresienstadt prangt der berüchtigte Schriftzug.

In Auschwitz allerdings ging während des Krieges kaum ein Jude durch das Tor hindurch, da die Züge mit den Transporten direkt ins drei Kilometer entfernte Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau fuhren. Dort fand die Selektion direkt an der Rampe statt. Das eiserne Tor, durch das die Züge ins Todeslager fuhren, trug keine Aufschrift. Für die Überlebenden und ihre Nachkommen aber ist das Haupttor mit seinem zynischen Schriftzug "Arbeit macht frei" am wichtigsten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • N
    Nordwind

    Auftraggeber war ein durch Spekulation abgewirtschafteter neoliberaler Think-Tank, der keine Kohle mehr für die nächste Kampagnenpräsentation hat.

  • S
    socko

    man kann sich über vieles beschweren. man kann auch über symbolik reden. dennoch: es ist unwichtig, ob das schild da ist oder nicht. das kann man genauso gut nachmachen und 2 tage später wieder aufhängen.die botschaft bleibt die gleiche ob das jemand steihtl , ist mir einerlei,das sollte auch allen anderen einerlei sein. auch den direkt oder indirekt betroffenen. es gab dabei keinerlei nationalsozialistischen zusammenhang, so what? hätte jemand in einer nacht und nebelaktion 5 dicke hakenkreuze an irgendwelche wände geschmiert, wäre die aufregung nachvollziehbar. aber so wirkt die ganze aktion satirisch angehaucht, um ehrlich zu sein.

    ist i grunde ne selten dämliche aktion, diese illegale entnahme der buchstaben.zumindest kommt es mir so vor. aber es bleibt mir persönlich relativ egal. und um ehrlich zu sein, musste ich bei der nachricht sogar schmunnzeln.denn es drängt sich die frage auf: WARUM machen die sowas?

    schrotthändler vor der drohenden pleite? obdachlose,, die mit schrott ihre tasche ein wenig füllen wollen? da gibt es leichtere methoden;)neonazis? da gibt es wirksamere mittel, um auf sich EFFEKTIV aufmerksam zu machen-wie sich herausstellte, waren es nicht mal welche. wette verloren? die möglichkeit, dieam ehesten nachvollziebar is. aber warum sollten sie dann das schild zur gänze irgendwo im busch vergraben? die gründe für eine derartige aktion sind somit interesant...zumal es nicht mal neonazis zu sein scheinen. die aktion selber ist irrelevant, wie ich finde

  • T
    tom@tom

    Ich bin ruhig!*g* Ok, ich denke drüber nach, mit der Systemkritik und der möglichen Abwegigkeit...ja, ein "bisschen" Strafe wäre ok...

  • T
    @tom

    Es gibt aber auch keinen Anlass, der abseitig genug wäre, um nicht wieder eine "Systemkritik" loszuwerden.

     

    Ganz ruhig bleiben und daran denken, dass dies die theoretischen Maximalstrafen sind. Und dass die Täter ein "bißchen" Strafe verdient haben, darüber herrscht wohl hoffentlich Einigkeit. Auch wenn einige Nazis davongekommen sind.

  • V
    vic

    Echt, war das weg?

  • A
    andre.may

    denn sie wußten nicht, was sie tun. stell dir vor, es gibt arbeitslose polen, die können kein deutsch, interessieren sich eher für die schrottpreise als für politik. das ist die traurige realität.

  • AS
    André Schön

    Ich frage mich, was so ein Neofaschist damit anfangen sollte...

     

    Beweise vernichten?

    Sich in den Keller hängen?

  • T
    tom

    Den mutmasslichen Dieben droht jetzt eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren...auch deshalb sollte Mann/Frau so etwas sein lassen...da wird der Einzelne in überzogenem Masse bestraft...er muss büssen für all die Heuchler, die verdiente Nazis Zeit ihres Lebens nicht belangen, gut vielleicht dann im Alter von 96 oder 104 Jahren...halt Klientelpolitik, halt Klienteljuristerei...was auch sonst...

  • K
    Kärcher

    Na, dann sind die 6 Milliarden Menschen weltweit ja jetzt wieder beruhigt, dass das Teil wieder da ist. Und es waren gar keine Neonazis? Aber es wird doch sicher mal einer nen Scheitel getragen haben oder nen Schnurrbart oder Stiefel. Da lässt sich doch sicher was konstruieren.