piwik no script img

Bülent Ciftlik unter AnklageSPD-Held vor dem Absturz

Details von der Staatsanwalttschaft: Der SPD-Abgeordnete Bülent Ciftlik soll 3.000 Euro für die Vermittlung einer Scheinehe erhalten haben. Nun drohen dem einstigen Hoffnungsträger der Hamburger Sozialdemokraten bis zu drei Jahren Haft.

In Erklärungsnot: Bülent Ciftlik. Bild: dpa

Die Staatsanwaltschaft hat ihre Anklage gegen die SPD-Nachwuchshoffnung Bülent Ciftlik unterfüttert. Der ehemalige Parteisprecher und Altonaer Bürgerschaftsabgeordnete soll 3.000 Euro dafür erhalten haben, dass er eine Scheinehe zwischen einem Türken und einer Deutschen vermittelte. Ziel sei es gewesen, dem Bräutigam auf Dauer den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen. Ciftlik wollte sich am Mittwoch nicht zu den Vorwürfen äußern.

Der Politologe war am 24. Februar 2008 überraschend in die Bürgerschaft gewählt worden. Mit einem Haustürwahlkampf hatte er das neue Wahlrecht genutzt und sich gegen den Parlamentsveteranen Walter Zuckerer durchgesetzt. Der ist in den Skandal um 1.000 verschwundene Stimmen bei der Urwahl des SPD-Bürgermeisterkandidaten für 2008 verwickelt. Außerdem steht er im Mittelpunkt einer bizarren Intrige um gefälschte Polizeidokumente: Angeblich hatten die beiden Bürgerschaftsabgeordneten Mathias Petersen und Thomas Böwer ihren Fraktionskollegen bei der Ausländerbehörde angeschwärzt.

Ende Mai wurde Ciftlik im Zusammenhang mit dem Vorwurf, die Scheinehe angestiftet zu haben, von seinem Amt als Parteisprecher entbunden. Zum 31. Dezember gab er das Amt "im Einvernehmen" mit dem Landesvorsitzenden Olaf Scholz ganz auf - versicherte aber, mit dem Vorwurf habe das "nichts zu tun".

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Wilhelm Möllers, erklärte nun, dass die Ermittlungen nicht bei Ciftlik begonnen hätten. Vielmehr sei der Bräutigam der Scheinehe, ein Bekannter Ciftliks, Ende der 90er Jahre schon einmal wegen einer versuchten Scheinehe "auffällig geworden". Nach der erneuten Eheschließung am 29. Februar 2008 habe ihn das Einwohnerzentralamt angezeigt.

Nach Auskunft Möllers durchsuchte die Polizei am 24. April 2009 die Wohnung der Braut, Ciftliks Ex-Freundin Nicole D.: Die habe der Polizei gestanden, dass Ciftlik sie zu der Ehe überredet habe. Bei einer Durchsuchung von Ciftliks Wohnung beschlagnahmte die Polizei unter anderem eine E-Mail mit einem Hinweis auf die Scheinehe: "Die 3.000 Euro von K. bekommst Du auch noch", heißt es darin. "Klärst Du mich bitte über die rechtlichen Folgen einer Scheinehe auf." Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft haben K. und Nicole D. im April 2008 einen Ehevertrag geschlossen, nach dem K. keinen Unterhalt von D. verlangen kann.

Die 3.000 Euro Vermittlungsprämie habe D. am 13. Februar 2008 an Ciftlik weitergereicht. Unklar ist, ob diese Zahlung mit einem Kredit zusammenhängt, den D. ihrem Ex-Freund zwischen Mitte Januar und Mitte Februar gewährte. Damals lief der Bürgerschaftswahlkampf.

Keiner der drei Beteiligten habe sich gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert, sagt Möllers. Alle müssen mit Gerichtsverfahren rechnen. Bei einer Verurteilung drohen Ciftlik bis zu drei Jahre Haft. Sein Bürgerschaftsmandat wäre er damit nicht los - er müsste es von sich aus niederlegen. SPD-Fraktionschef Michael Neumann wies darauf hin, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele: "Dazu äußern wir uns nicht."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • C
    Charlotte

    Toll: Ciftlik "lässt ruhen", verordnet sich somit selbst fröhliches Nichtstun und kassiert weiter seine Diäten. 2.500 EUR im Monat für gar nichts ist freilich besser als Hartz IV.

  • JH
    Johann Hirsch

    leider riecht es hier erneut nach einer Intrige wenn nicht gar nach Kaltstellung des Abgeordneten Herrn Ciftlik. Ist das die deutsche Art im Kampf gegen Minarette und Menschen mit Migrationshintergrund?

    Gute Nacht D!

     

    J. Hirsch

  • L
    lobbywatch

    Ciftlik ist in englischer Wikipedia gelöscht worden. Ist dies ein Hinweis darauf, dass er es Annen und Ilkhanipour gleichtun wird und in die Staaten auswandert?

     

    Reisende soll man nicht aufhalten...

     

    bye bye, but please don't sell Germany

  • B
    Bemerkung

    Das dpa-Foto von CB ist nicht gerade neutral und kommt einer Vorverurteilung gleich!

  • M
    Micha

    Das ist doch wundervoll, Olaf Scholz hat in Südfrankreich keine Meinung dazu, dass sein politischer Ziehsohn Bülent Ciftlik immer noch Vorsitzender der SPD Flottbek-Othmarschen ist.

    Michael Neumann will auf keine fraktionsinterne Stimme für seine Wiederwahl im Februar verzichten und spricht daher gebetsmühlenartig vom laufenden Verfahren.

    Früher haben Abgeordnete (nicht nur der SPD) in Hamburg nach Anklageerhebung umgehend ihr Mandat niedergelegt. Aber das gilt in der Kahrs-Scholz SPD in Hamburg natürlich nicht mehr.