Prüfung der designierten EU-Kommissare: Bulgarin Jeleva sorgt für mächtig Zoff
Der designierten EU-Kommissarin Rumania Jeleva aus Bulgarien werden dubiose Geschäftsverbindungen vorgeworfen.
BRÜSSEL taz | Insgesamt 78 Stunden lang werden die Kandidaten für die neue EU-Kommission in dieser und der nächsten Woche im Europäischen Parlament von den zuständigen Fachausschüssen einvernommen. Am Dienstagabend war die gepflegte Langeweile, die sich beim minutengenau vorgeplanten Frage-Antwort-Pingpong eingestellt hatte, mit einem Schlag vorbei. Rumania Jeleva, die in der neuen Kommission für Internationale Zusammenarbeit, Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe zuständig sein soll, wurde von mehreren Abgeordneten des Entwicklungsausschusses beschuldigt, ihren Job als Geschäftsführerin einer Beratungsfirma gegenüber dem Parlament verschwiegen zu haben. Zuvor hatte es bereits Gerüchte gegeben, Jelevwas Mann sei in Mafiageschäfte verwickelt.
Die grüne Abgeordnete und ehemalige Richterin Eva Joly, die die Sitzung leitete, wurde von dem Aufruhr völlig überrascht. Sprachlos sah sie zu, wie sich die konservative Bulgarin Jelewa mit einer Abgeordneten der liberalen Partei Bulgariens Wortgefechte lieferte, während im Saal Dokumente zirkulierten, die Jelewas Glaubwürdigkeit infrage stellten. Die liberale Bulgarin Antonia Parwanowa sagte, gegen Jelewa sei ein Verfahren anhängig, da sie seit 2007 gleichzeitig Europaabgeordnete und Beraterin gewesen sei. Das sei nach bulgarischem Recht nicht zulässig. Jeleva betonte, sie habe diese Tätigkeit aufgegeben, bevor sie das Abgeordnetenmandat annahm.
Der konservative Abgeordnete Werner Langen sprang seiner Parteifreundin bei und ließ die belastenden Dokumente wieder einsammeln. Der sozialistische Abgeordnete Norbert Neuser kündigte an, er könne über Jelevas Kandidatur erst entscheiden, wenn Juristen des Europaparlaments die Anschuldigungen geprüft hätten. "Mehr als seltsam war die Aufforderung der Kandidatin Jeleva, jeder Abgeordnete solle doch in ihr schönes Bulgarien kommen, um mit ihr gemeinsam die betreffenden Dokumente in den bulgarischen Behörden zu studieren", so Neuser. Auch Jelewas fachliche Fähigkeit zogen liberale und sozialistische Abgeordnete in Zweifel.
Der Aufruhr um die Bulgarin verstärkt die Kritik an Kommissionspräsident Barrosos Ressortaufteilung. Mit Entwicklungshilfekommissar Andris Piebalgs, dem für Erweiterung und Nachbarschaftspolitik zuständigen Stefan Füle und Jeleva hat er insgesamt drei Posten geschaffen, die der neuen Außenministerin Catherine Ashton ins Handwerk pfuschen können. Außenpolitische Experten wie die grüne Franziska Brantner fürchten, dass so das neue Konzept einer einheitlichen europäischen Außenpolitik in sein Gegenteil verkehrt werden könnte.
Wie schon bei ihrem ersten Auftritt im Dezember vor dem Auswärtigen Ausschuss blieb Ashton auch am Montag in ihren Antworten sehr vorsichtig und allgemein. Bessere Noten erhielt der tschechische Europaminister Stefan Füle. Konservative Abgeordnete kritisierten allerdings, dass er sich für ein zügiges Tempo bei den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aussprach und die von Bundeskanzlerin Merkel gewünschte Alternative einer "privilegierten Partnerschaft" ablehnt. Der Europäische Rechnungshof ECA stellte gestern der Türkei für die Verwendung von EU-Beihilfen allerdings ein gutes Zeugnis aus. Am Donnerstag muss sich der designierte EU-Kommissar für Energiepolitik Günther Oettinger dem Fachausschuss stellen.
Am 26. Januar wird das EU-Parlament die Anhörungen bewerten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Kommissionspräsident Barroso einzelne Kommissare zurückziehen oder deren Zuständigkeit ändern muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen