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Versöhnung mit den TalibanSpäte Genugtuung für Beck

Das Auswärtige Amt begrüßt den Versöhnungsplan – und verschafft Kurt Beck damit späte Genugtuung. Damals geißelten Politiker der CDU/CSU seinen Vorschlag noch als "abstrus".

Kurt Beck hat gut lachen: Jetzt sind seine "abstrusen" Vorschläge Regierungspolitik. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Auswärtige Amt in Berlin befürwortet eine Reintegration gemäßigter Taliban und dass diese dafür Angebote erhalten. Dies sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Donnerstag der taz. Außenminister Guido Westerwelle habe sich dafür bereits Ende November ausgesprochen. Als Bedingung nannte die Sprecherin die Anerkennung der afghanischen Verfassung und grundlegender Menschenrechtsstandards.

Als der damalige SPD-Vorsitzende Kurt Beck im April 2007 Verhandlungen mit "gemäßigten Taliban" vorgeschlagen hatte, war er dafür von Politikern der CDU/CSU kritisiert und verspottet worden: Dem Pfälzer fehle es an außenpolitischer Kompetenz, sein Vorschlag sei "abstrus", hieß es damals. Der heutige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erklärte damals, die Situation in Afghanistan sei komplexer, als es die "Beckschen Lösungsansätze" widerspiegelten.

Doch längst entspricht Becks Vorschlag der Politik der afghanischen Regierung. Und auch Guttenberg sprach sich Ende Dezember plötzlich nicht nur für Verhandlungen mit "gemäßigten" Taliban aus, sondern gar für deren Regierungsbeteiligung. Man könne in einem Land mit so einer großen regionalen Vielfalt nicht einen ganzen Volksstamm wie die Paschtunen außen vor lassen, wenn es um tragfähige Lösungen gehe, so die Begründung des Ministers. "Gespräche und eine Einbindung dürften freilich nicht ohne Bedingungen vorgenommen werden." Seinen Sinneswandel begründete er damit, dass auch "steinige Wege" beschritten werden müssten, um den Realitäten in Afghanistan gerecht zu werden.

Bei der Londoner Afghanistankonferenz am 28. Januar werden die afghanischen Vertreter um politische und finanzielle Unterstützung ihrer geplanten Reintegration "gemäßigter", oder wie es jetzt bei ihnen heißt "versöhnlicher", Taliban werben. Zurzeit wird die deutsche Position für die Konferenz in einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts, des Verteidigungsministeriums und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) ausgearbeitet. An der Konferenz nimmt Westerwelle teil. Ob noch ein weiterer Minister nach London fährt, sei noch nicht klar, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Mittwoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel will am Tag vor der Konferenz eine Regierungserklärung abgeben.

Wahrscheinlich wird Deutschland eine starke Erhöhung seiner Entwicklungshilfe für Afghanistan anbieten. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, sprach in einem Interview von einer "Verdoppelung". Der Sprecher des BMZ konnte diese Größenordnung der taz am Donnerstag weder bestätigen noch dementieren. Doch befürworte das Ministerium eine "deutliche Verstärkung" der Hilfe, die 2009 144 Millionen Euro betragen habe.

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6 Kommentare

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  • SW
    S. Weinert

    "Gemäßigte" Taliban mit in die afghanische Regierung... Kommt einem in Deutschland seltsam bekannt vor.

    Mit der politischen Einbindung der NSDAP sollte 1933 der radikale Kurs in "gemäßigte" Bahnen gelenkt werden.

    "In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht" (von Papen). Hat damals ja nicht so wirklich geklappt...

    Die Taliban - ob "gemäßigt" oder nicht, lehnen ein demokratisches System aus religiösen Gründe ab - die Macht darf nicht vom Volke, sie muss von allein von religiösen Führern ausgehen. Wie dieses Dilemma (ganz abgesehen vom Konflikt demokratischer Rechte für Frauen) zu lösen sein soll, haben bislang auch die Befürworter dieser Annährung nicht wirklich erklären können. Ich bin gespannt, vielleicht gibt es ja tatsächlich noch einen fähigen Politiker, dem die Quadratur des Kreises gelingt! Allein, es fehlt der Glaube mir...

  • A
    AndyG

    Nun sind ja die Al Aksa Brigaden inzwischen gemäßigte Palästinenser und Rudolf Heß dann wahrscheinlich ein gemäßigter Nationalsozialist gewesen. Viel Spaß also mit den moderaten Taliban.

  • S
    Sonne

    Wenn es um die Unterdrückung von Frauen geht, steht das globale Patriarchat im engen Schulterschluß. Die Frauen in Afghanistan haben mit gutem Grund die Burka nicht abgelegt. Und auch die afghanische Frauenvereinigung RAWA blieb im Untergrund, wohl wissend, daß die Taliban wiederkommen werden. Haben nicht die RAWA-Frauen unter Einsatz ihres Lebens die schrecklichen Bilder der Hinrichtung von Zarmeena außer Landes gebracht und müssen jetzt erleben, daß die Verbrecher von gestern die Herren von heute sind ? Für jeden Menschen von Anstand und Mitgefühl ist das ein Schlag ins Gesicht. Herr Beck und andere sollten mal eine Unterredung mit Frau Malalai Joya, Ex-Abgeordnete des Parlaments aus der Provinz Farah, führen.

  • K
    Konrad

    Ich fand Beck's Vorschlag, mit gemäßigten Taliban zu verhandeln, damals schon vernünftig. Man muss ja bei den Taliban unterscheiden: Es gibt darunter religiöse Fanatiker, die ein Steinzeit-Scharia-System herbeisehnen, aber eben auch viele regionale Stammeskräfte die einfach um politischen Einfluß in ihrer Heimat ringen und einen fanatischen Islam ablehnen.

    Beck wurde damals einfach niedergeprügelt, weil er aus der Provinz kommt. Tenor: Da kommt so ein Hinterwäldler aus der Pfalz und will uns Berliner Weltbürger erklären, wie es in Afghanistan weiter gehen soll... Hochmut kommt vor dem Fall. Freut mich für Kurt Beck.

     

    MFG

  • V
    vantast

    Frage mich schon lange, warum man nicht nach den Gründen sucht, weshalb so viele junge Menner einen solch großen Haß auf den Westen haben. Ich denke an viele mögliche Gründe, das Resümee: der Westen ist zum größten Teil selber schuld. Erniedrigung, Ausbeutung, Gier, Verletzung religiöser Gefühle, Pornografie, anstößige Zurschaustellungen von Westlern, Angriffe auf Zivilisten, brutale Behandlung und Ermordung von Familienmitgliedern, Folter.

    Hätte Bush nicht seinen desaströsen Rachefeldzug begonnen, sähe die Welt jetzt friedlicher aus.

  • FG
    Friedrich Grimm

    Auch hier gilt wie so oft: "Was geht mich mein dummes Geschwätz von gestern an?" Im Grunde zeugen solche Vorgänge doch nur davon, dass es sehr, sehr oft nicht um die Sache sondern um Personen, um die Wirkung für den Moment geht. Beck, der Hinterwäldler, der Bauer aus der Pfalz, der von Nichts eine Ahnung hat. Dieser Eindruck wurde so lange bemüht, bis auch viele in der SPD, die es aber besser hätten wissen müssen, auf diesen Zug mit aufgesprungen sind. Über die weitere Demontage von Beck brauche ich wahrscheinlich nichts mehr hinzuzufügen. Jetzt müssten, der Ehrlichkeit halber, intensiv die dummen und zum Teil arroganten Aussagen von all denen gedruckt werden, um dem Wähler vielleicht doch noch zu einem gerechteren Urteil über Kurt Beck zu verhelfen.