piwik no script img

Google attackiert FacebookDas totale Soziale Netz

Schritt für Schritt rollt Google den Markt auf. Nach Suche, Mailer, Maps, Browser und Handy kommt nun der nächste große Sprung: Das total integrierte Soziale Netzwerk "Buzz".

Will als nächstes Facebook vernaschen: Google-Gründer Sergey Brin. Bild: reuters

BERLIN taz | Google ist eifersüchtig. Da betreibt das Unternehmen die größte Internet-Suchmaschine der Welt und schreibt die höchsten Gewinne aller Web-Firmen, doch im Bereich der so genannten "Sozialen Netzwerke", wo sich Dienste wie Twitter, Facebook oder StudiVZ tummeln, spielt man nur keine Rolle.

Das will das Google-Management nun schlagartig ändern: Wie der Konzern auf einer Pressekonferenz am Firmensitz in Mountain View am Dienstag bekannt gab, will man nun auch zur Anlaufstelle für alles Soziale werden. Gründer Sergey Brin ließ es sich nicht nehmen, beim großen Google Webcast am Dienstag mit vor die Öffentlichkeit zu treten, denn Google erfindet mit "Buzz" seine Angebote neu. Nach der Suche, nach Google Earth und Maps, nach Office-Programmen, Bowser und Handy könnte diese Innovation der nächste ganz große Schritt Googles sein.

Problematisch an Buzz ist der Automatismus, den Google integriert hat: Jeder Google Mail-Nutzer folgt sofort und ohne Bestätigung jenen Usern, mit denen er am häufigsten zu tun hat – egal ob per Mail oder Chat. "Kein Setup notwendig", blinkt einem die Buzz-Website dazu fröhlich entgegen.

Wer mitspielt, der publiziert ab sofort alle im RSS-Leseprogramm Google Reader als "geteilt" markierten Neuigkeiten, alle öffentlichen Web-Alben im Fotodienst Picasa, Videos bei YouTube oder Statusbotschaften bei Google Chat im von Google ausgewählten Freundeskreis – beziehungsweise macht sie im Web über die Google-Suche zugänglich.

Damit nicht genug: Auf Wunsch krallt sich Buzz auch Twitter-Nachrichten oder Flickr-Fotos und soll über offene Schnittstellen weitere Web-Dienste integrieren – selbst an Facebook, dem man ja mit dem neuen Universaldienst jetzt direkte Konkurrenz macht, denkt man bei Google.

Wer bei Buzz eine neue Statusbotschaft, einen Link oder ein Foto einstellt, tut das standardmäßig in aller Öffentlichkeit – erst ein zusätzlicher Klick beschränkt die Daten auf einen einstellbaren Freundeskreis. Google betonte bei der Vorstellung des Dienstes, man erfasse öffentliche Informationen aus Buzz "in Echtzeit" und stelle sie dann in seiner Hauptsuche dar.

Zudem landen alle bei dem Service eingestellten Inhalte auf einer eigenen Profilseite, die Google inzwischen für jeden seiner Nutzer automatisch einrichtet. Wer will, kann dieses Mini-Facebook auch mit einem Foto verschönern.

Bei so viel Offenheit wunderte es wenig, dass die erste Frage der Presse bei der Buzz-Vorstellung lautete, wie Google denn Stalker und Datenschutzverletzungen vermeiden wolle. Dazu hieß es von dem zuständigen Produktmanager, man habe "adäquate Kontrollmechanismen" eingebaut. So könne ein Nutzer beispielsweise anderen verbieten, ihm zu folgen.

h6>Buzz integriert auch Maps und GPS

Ziemlich unheimlich wird Buzz, wenn der Dienst auf Smartphones mit Apple-, Android- oder Symbian-Betriebssystem trifft. Für diese Plattformen liefert Google entweder eine eigene Software oder eine optimierte Web-Anwendung aus. Wer die einsetzt, kann mit einem Knopfdruck nicht nur irgendeinen Kommentar bei Buzz abgeben, sondern überträgt die aktuelle Position inklusive Kartendarstellung mit ins Netz. (Auch Twitter arbeitet an einem solchen Geo-Dienst.) Und in einer Google Maps-Ansicht zeigen kleine Sprechblasen an, wann und wo ein anderer Buzz-User sich zu einem Ort geäußert hat.

Noch ist unklar, wie hoch die Erfolgschancen von Buzz sind. Googles bisherige Versuche, "soziale" Funktionen in seine Dienste zu integrieren, scheiterten in den meisten Märkten.

Wer kennt zum Beispiel "Orkut"? Dieses Programm war Googles erste Antwort auf Facebook, gehört hat davon kaum ein, nur in Brasilien konnte sich dieser Web 2.0-Dienst etablieren. "Google probiert das schon länger und hat sich nicht durchgesetzt", kommentierte der US-Suchmaschinenexperte Danny Sullivan. "Es gibt keine Garantie dafür, dass das bei Buzz anders sein wird."

Aber deshalb ist das Vorgehen ja dieses Mal auch anders. Deshalb geht Google dieses Mal über Gmail. Damit trifft der Dienst – zumindest theoretisch – auf Abermillionen potenzielle Kunden.

Einen Vorgeschmack darauf gibt es in den nächsten Tagen, wenn alle Google Mail-Nutzer ganz ohne Nachfrage zu Buzz-Usern werden. Einen Account muss dazu nämlich niemand einrichten, die neue Funktion taucht einfach in der Menüleiste auf. Menschen, die Google nicht noch mehr Infos in den Rachen werfen wollen, können nur hoffen, dass man sie auch abschalten kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

19 Kommentare

 / 
  • IE
    IT Experte

    Am GANZ unteren Rand des google fensters (also wirklich ganz unten unter allen mails) gibt es einen Link "turn of buzz" (bzw entsprechend auf Deutsch), denn sollte man m.E. in jedem Fall klicken.

     

    Als durchaus qualifizierter IT Fachmann ohne größeren google-Hass würde ich behaupten, es geht einfach zu weit: Zu viele Dienste integriert, zu wenig Kontrolle, zu Personengebunden... allein die Gefahr, dass man mit versehentlich "veröffentlichten" Picasa-Alben irgendwelche Rechte (Urheber, Marken, Persönlichkeit) verletzt ist enorm. Das Stichwort lautet nicht "Hypochonder" sondern bedauerlicherweise die spezifisch deutsche Krankheit des höchst lukrativen Abmahnwahns... irgendein Abmahn-A#### findet sich immer...

     

    Wer Bock auf "Chit Chat" hat, sollte das in einem nicht identifizierbaren Facebook account tun.

    (jedenfalls einem ohne Klarnamen, ohne Anschrift und sonstige Details, die es einem anonymen dritten allzu schnell ermöglichen, die Realperson zu ermitteln.) Sowas hält nicht nur Saufbilder vom nächsten Bewerbungsgespräch fern, sondern auch freie Meinungsäußerung von allzu leichter Juristen-abzocke...

  • D
    Dahaniel

    @Mário: Nein, es wird niemand gezwungen, man kann es einfach abschalten (am Ende der Seite)

  • D
    deguo_dabizi

    Da kann ich nur @Gerd beipflichten. Macht es wie in anderen Ländern. Es gibt noch andere Anbieter mit etwas massvolleren Ansprüchen. Es soll ja (sehr große) Länder geben, wo GOGGEL nur die Nummer Zwei ist.

    Nicht bei GOOGLE anmelden, eigene Internetseiten für GOOGLE sperren. Legt man den Kraken aufs Trockne geht er ein.

    Wenn nicht bekommt die "Gemeinde" was sie verdient. Nicht jammen, handel!

  • M
    Majo

    Wer von Google was bekommt, noch dazu vermeintlich gratis, muss was hergeben, nämlich seine Daten, seine Gewohnheiten, seine ganze Persönlichkeit muss er oder sie letztlich preisgeben, via DATA MINING!

  • M
    Mário

    Wie jetzt? werde ich als gmail kunde gezwungen bei buzz dabei zu sein?? wenn ja werde ich mir ernsthaft überlegen mein gmail-account zu kündigen!!!!

  • CA
    Christian Alexander Tietgen

    Google sammelt mir zwar zu viele Daten, aber ihre Dienste sind schon unschlagbar.

  • E
    eee

    Der Bowser wurde von Nintendo entwickelt, Google hat unter anderem einen Browser zur Verfügung gestellt ;)

  • K
    Korkie

    "... erst ein zusätzlicher Klick beschränkt die Daten auf einen einstellbaren Freundeskreis."

     

    Da muss man doch glatt einmal klicken. Sauerei.

     

    Wens stört der sollte protestieren indem er Googles Service einfach nicht nutzt.

  • G
    gerd.

    "Menschen, die Google nicht noch mehr Infos in den Rachen werfen wollen, können nur hoffen, dass man sie auch abschalten kann."

     

    Entweder hat man erst gar kein Gmail-Konto oder es ist eh schon zu spät.

  • F
    frage

    Glaubt man bei der taz wirklich, dass Google damit erfolgreich sein wird? Wenn ja: Warum?

     

    Wegen "ist innovativer" oder "ist böser" oder warum genau?

  • DS
    Danny Schweizer

    Noch sind diese Dienste und Funktionen optional - was diese Art der Kritik so obsolet und angreifbar macht. Die "Gefahr" sehe ich in der Gewöhnung. Mit der Zeit werden solche Praktiken immer mehr Usus und potentieller Widerstand bei verpflichtender Auflösung des Privaten schrumpft.

    Und wenn es nur die "dumme Masse" ist, die "ja" sagt - da kann man ironischerweise nur "danke" sagen, daß unsere Demokratie gar nicht so funktioniert, wie sie soll - als letzte Hoffnung sozusagen.

    Wenn es denn irgendwann mal soweit ist.

     

    Ausserdem gilt: "wenn man zu oft "Feuer" schreit, weil man glaubt es brennt, glaubt einem irgendwann niemand mehr wenn dem wirklich so ist". Man sollte also genau überlegen, wie man kritisiert.

  • DS
    Danny Schweizer

    Noch sind diese Dienste und Funktionen optional - was diese Art der Kritik so obsolet und angreifbar macht. Die "Gefahr" sehe ich in der Gewöhnung. Mit der Zeit werden solche Praktiken immer mehr Usus und potentieller Widerstand bei verpflichtender Auflösung des Privaten schrumpft. Und wenn es nur die "dumme Masse" ist, die "ja" sagt - da kann man ironischerweise nur "danke" sagen, daß unsere Demokratie gar nicht so funktioniert, wie sie soll - als letzte Hoffnung sozusagen.

    Wenn es denn irgendwann mal soweit ist.

  • E
    Ein.Kommentar

    Before participating in Buzz, you need a public profile with your name and photo. It's visible on the web so friends can find and recognize you.

     

    At a minimum, you only need to include your first and last name to use Buzz.

     

    Ich finde es gerade nicht mehr, aber vorhin wurde mir angezeigt, dass wenn ich Vor- und Nachnamen beim Google Profile anzeigen lassen werde ich auch über die Google Suche und so weiter gefunden.

     

    Nein, Danke!

  • D
    Dahaniel

    Naja, ich finde mittlerweile wird Google gerne etwas zu schnell vorverurteilt.

     

    RSS Artikel die man im GoogleReader teilt und öffentliche Picasa Webalben sind ja auch bisher schon öffentlich, man hat sie ja "geteilt" oder "öffentlich" gemacht. Was man nicht preisgeben will gibt man eben einfach nicht frei.

     

    Das Buzz sich "auf Wunsch" auch Twitternachrichten und Flickr Bilder "krallt" ist auch nichts neues in sozialen Netzwerken, darauf basieren diese ja quasi, nämlich dem Teilen von allen möglichen Onlineaktivitäten mit Freunden. Wie im Text zu lesen geschieht dies "auf Wunsch", genauso wie man auch bei Facebook und Co. bereits seinen Twitter-, Flickr-, oder Blogaccount einbinden kann.

     

    Ich denke jeder muss selber wissen was er mit wem teilen möchte, sollte genau das aber auch überblicken können. Hier sind die Anbieter der Netzwerke gefragt die Privatsphäreneinstellungen so transparent&einfach wie möglich zu gestalten, und Eltern bzw. Schulen Ihren Kindern eine bestmögliche Informations-/ Internetkompetenz zu vermitteln.

  • Z
    Zitierer

    "Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun."

     

    (Google-CEO Eric Schmidt)

  • S
    Schulz

    Die neue Stasi-Zentrale der BRD, oder was sonst?

  • W
    wespe

    SF-Autoren, die eine mögliche Zukunft, entwickeln müssen sich anstrengen.

    Die "sanfte Diktatur" des Internets nimmt ihren Fortgang, und Millionen spielen mit und lassen die Hose oder den Rock runter.

    Was wird als nächstes kommen?

    Rathäuser werden aufgelöst, weil die ganzen Ämter in G***le integriert werden, die Polizeidatenbanken ebenfalls, Banken, Versicherungen, Verfassungsschutz u.v.m.

    Dann wird ärztlich verordnet, dass jeder Bürger einen Chip eingesetzt bekommt, der mit Computer und Handy gekoppelt wird. -- Dann drücken die Politiker vor den Wahlen auf die Knöpfe, die Signale sorgen dafür, dass jeder verchipte Bürger zur Wahl geht. usw. usf.

    Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

    Die Lämmer bzw. Lemminge machen freiwillig mit.

    Ein Ausbruch wird immer schwieriger für schwache Geister.

  • J
    Jasmin

    big brother is watching you!

  • D
    Datenwut

    Äh, Sozial?