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Kolumne ModelsFettfreie Wesen

Kolumne
von Julia Grosse

Normale Frauen will im Modezirkus niemand. "Kein Essen ist so gut wie das Gefühl, dünn zu sein", sagte Kate Moss. Endlich schaut man wieder in den hungrigen Schlund der Modeindustrie.

Kate Moss bei Dolce & Gabbana. Bild: ap

K ate Moss spricht nicht gern. Doch ihre kürzliche Einsicht muss der Modewelt auf der Zunge zergangen sein wie Zero-Zucker-fat-free-Bonbons: "Kein Essen ist so gut wie das Gefühl, dünn zu sein." Dabei hatte sich die britische Modepresse in den letzten Monaten so enthusiastisch darum bemüht, üppige Starlets zu den neuen Rollenmodellen des realen Lebens zu küren. Auf der ersten Ausgabe des Magazins Love, entwickelt von Englands legendärster Stylistin Katie Grand, erschien die sehr kurvige Gossip-Frontfrau Beth Ditto auf ihrem Cover, als Manifest wahrer Schönheit.

Ein Jahr später kehrt man auch bei Love nüchtern zurück zum wahren Kerngeschäft. Titelgeschichte: "Die schönsten Frauen der Erde ziehen sich aus und sagen uns, wie sich das anfühlt." Zu sehen ist eine Armee aus fettfreien 1,80 Meter großen Wesen, die in brutalster Helmut-Newton-Manier mit rasierter Scham und auf Killerheels ihre grotesk perfekte Nacktheit präsentieren.

Eigentlich ist es fast heilsam. Denn endlich schaut man wieder ungefiltert in den hungrigen Schlund der Modeindustrie. Niemand wollte jemals normale Frauen, sie passten der Industrie nur gerade gut ins Konzept von neuer Bescheidenheit während der saftlosen Krisenmonate. Doch Teenager mit Armen wie Trommelstöcke sind wieder da; und um die damit zu erwartenden Angriffe abzuwehren, hält das ein oder andere Magazin gern die Autonomie von Kunst wie ein Schutzschild vor sich.

Julia Grosse

ist taz-Kulturreporterin in London.

So wurden für die aktuelle Ausgabe der Londoner Hochglanzfibel Pop, inzwischen geleitet von Roman Abramowitschs Model-Mode-Kunst-Freundin Dasha Zhukova, Künstlersenioren wie Allen Jones oder Richard Prince eingespannt, die sich in der Welt aus Model-Karteikarten scheinbar bedienen durften wie im Bonbonbladen.

Für das Cover fotografierte Prince nun ein Mädchen, das laut ihrem Pass 22 ist. Sie steht breitbeinig auf einer Höllenmaschine, trägt einen winzigen Bikerfetzen und sieht aus wie zwölf. Neben das Bild hat Meister Prince sein Autogramm gesetzt, begleitet von den Worten "Bang Bang". Sexualisierung? Das ist Kunst! Pop-Art-Comic-Versätze à la Rauschenberg!

Diese Kollaboration von Prince und Pop soll provozieren, doch sie ist nur peinlich. Im vergangenen Jahr wurde eine Arbeit von Richard Prince, die Abbildung der nackten, zehnjährigen Brooke Shields, aus einer Ausstellung in der Tate Modern entfernt. Daraufhin, so wirkt es, versucht sich Pop nun in der Rolle des aufgeschlossenen Kunstförderers. Richard, wenn der Whitecube zu feige ist, kannst du dich zumindest in der Modewelt austoben! Wir stellen dir sogar das Material!

Doch im Gegensatz zur Tate geht Pop nicht das geringste Risiko ein und schummelt sich mit Hilfe von Photoshop und anderen Spielereien an der möglichen Zensur relativ dreist vorbei: Das Coverfoto mit Motorrad ist noch einmal im Heft zu sehen, doch auf dieser Version blitzt plötzlich der kindliche Schambereich des Models hervor. Zumindest glaubt man das, richtig erkennbar ist es nicht, denn das Bild wurde bewusst auf die Größe von zwei Briefmarken geschrumpft. Auf dem Cover ist dieses winzige Detail scheinheilig und dank Fotoshop auf einmal verschwunden. Was bleibt, ist der an sich schon irritierende Anblick eines 40-Kilogramm-Mädchens. Kein Essen ist so gut wie das Gefühl, dünn zu sein.

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8 Kommentare

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  • A
    aso

    @ swan:

    „...vielleicht sogar eine fremdbestimmung durch männliche ansichten...“:

     

    dazu gehören immer zwei. Und Frauen, die meinen, Männern mit Silikon-Busen besser zu gefallen, liegen mit dieser Einschätzung völlig daneben, und zeigen damit lediglich ihren unterdurchschnittlichen IQ.

     

    Was fehlt ist der Zwang zum Waschbrettbauch bei Männern...keine Männerzeitschrift ohne Tipps, wie er zu erlangen wäre...um den Girls zu imponieren...

    Fazit:

    Modells sind nur interessant für reiche Männer, die sie als modisches Accessoire benutzen:

    Kein normaler Mann möchte eine Frau die „zu“ schön ist...

    Denn im Prinzip sucht jeder auf seinem Level, deshalb haben Modells allenfalls eine Vorbildfunktion, wie Sportwagen, die schön anzuschauen sind, die man aber nicht besitzen kann und will.

  • S
    swan

    hormone lieben es zu schwimmen.das bei einer frau das gewebe weicher ist ,liegt daran ,daß zum beispiel bei einer geburt genug hormone transportiert werden .kein mann würde mit seinen festen gewebe die schmerzen einer geburt überleben!

    von den ganzen hyperdünnen frauen würde ich mich interessieren,wieviele davon noch einen normalen monatszyklus haben.

    fett im gewebe,was der körper braucht zum verbrennen und zum bauen.sind die mädels zu dünn ,fängt der körper fatalerweise an das baufett der organe zu ziehen.

    das kann dann z.bsp. bedeuten das sich die nieren senken und dabei die harnleiter abknicken(harnstau--bestimmt nicht angenehm und sexy)

    auch werden weniger sexualhormone gebildet,da diese auf fettbasis gebaut sind-was das wohl bedeutet.

    das ist keine wirkliche und gesunde schönheit.

    sondern eine tiefe spaltung zu seinen eigenen körper,vielleicht sogar eine fremdbestimmung durch männlicher ansichten.

    macht euch frei davon ,eßt gesunde sachen,man kann sich satt essen ohne dick zu werden,ohne seine lebensenergie zu dezimieren.schon bei kohlehydratmangel versucht der körper aus dem baustoff eiweiß zucker zu bauen(glukonneogenese),was dann aber zellulite verursacht.ui.

    doch solange es solche modezeitschriften gibt,die auf

    blutjung und superdünn setzen,wird der mensch kaum zu seiner natürlich schönen ästhetik zurückfinden oder sie erkennen.

    ein hoch auf biologische sackgassen und auf alte sappernde typen ,für die diese zeitschriften sind.

    mädels eßt ordentlich,seid euch bewußt ,laßt euch nichts von männern vorschreiben und hört auf eure eigene intuition,ihr,die frauen seid die lebewesen auf diesen planeten mit dem meisten chromosomen,also wer kann euch was vorschreiben?

  • G
    Gerrit

    Sicher ist es sinnvoll und richtig, die Propagierung von Untergewicht anzuprangern. Die Frage, die sich mir stellt, ist aber, ob dies im richtigen Verhältnis zu den durch Übergewicht hervorgerufenen Gefahren und Todesfällen steht.

     

    Wahrscheinlich ist es der Niedlichkeitsfaktor, der dafür sorgt, dass fast jedermann Mitleid mit den heruntergehungerten Mädchen empfindet, aber niemand Mitleid mit den Fettsäcken empfindet, die sich hier im Ruhrgebiet in Massen aus der Straßenbahn zur nächsten Trinkhalle wälzen um dort einen Liter Zuckerlimonade auf ex in ihre herzinfarktgefährdeten Körper zu kippen.

     

    Die freiwillig hungernden Mädchen werden als kranke Opfer der Gesellschaft nun mit Recht in Schutz genommen. Die hundert- oder tausendfach größere Zahl der fetten Fresser hingegen haben keine Lobby; sie sind in der öffentlichen Meinung selbst schuld an ihrem Zustand: Die brauchen doch einfach nur weniger und gesünder essen!

  • D
    Dresden

    hier gibts das passende Video zum Cover:

    http://www.youtube.com/watch?v=DWmVkXfLzSo

  • S
    sinDY

    Wobei Kate Moss recht hat. Dürre Models sind und waren nie aus der Mode.

     

     

    Traurig, aber wahr. Beth Dito wirkt in meinen Augen nur wie der verzweifelte Versuch, einer " Ja,aber..." Attitüde der Magazine. So ungefähr " Ja, du bist schön, aber so eins,zwei, fünf Kilo weniger wären noch schöner"

    Und trotz Beth Dito- Models in solchen magazinen sind immer so, wie wir sie eigentlich wollen: dürr, Heroinchick, unrealistisch.

  • A
    atypixx

    "Kein Essen ist so gut wie das Gefühl, dünn zu sein."

     

    Das ist ein uralter Slogan, mit dem sich Diätende zum Durchhalten anspornen. Eine Erfindung von Kate Moss ist dieser Spruch wahrlich nicht.

     

    Übrigens, auch wenn meine Freundin etwas molliger ist (und damit meine ich nicht Kleidergröße 36/38), hätte ich mir die erwähnten Bilder dünner Mädchen gerne angeschaut. Ich vermisse die Verlinkung, ich fieses Schwein.

  • FB
    Fr. Bantroop

    Es wäre ja mal ein echter Fortschritt, wenn das Thema aus der femizentrierten Perspektive gehoben würde: Normale MÄNNER will im Modezirkus auch niemand!

     

    Nun ja, es besteht ja noch ein kleiner Unterschied: Für Frauen wiegt das Äußere des Mannes bei der Partnerwahl deutlich geringer, solange der mit wirtschaftlicher Potenz und Status aufwarten kann. Mithin ist das eigene Aussehen für Frauen noch einmal in anderer Weise identitätsstiftend ... sonst könnte sie ja über den ganzen Schmonz erhaben sein?

     

    Ungeachtet der Problematik um Esstörungen in der Modelbranche, die Männlein wie Weiblein betrifft: Mir kommt dieses Gejammere um die weiblichen Models bisweilen vor wie ein scheinheiliger Appell an die Männer, doch endlich "hässlich" als "schön" zu empfinden. Dabei hat es doch jede Frau selbst in der Hand, ihre physische Attraktivität zu gestalten? Wer das nicht tut, hat im Rattenrennen des Partnerschaftswerbens dann halt nicht die günstigste Ausgagnsposition. So wie der normalverdienende Mann eben auch.

  • R
    ralf

    Von einem Extrem ins Nächste.

    Magersucht und Fresssucht, die beiden Seiten einer Medaille, nämlich gestörtes Essverhalten.

    Wie gesund ist das denn?