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Wie Kommunen sparen könnenKaputtsanierung - so geht's

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Viele Städte und Gemeinden müssen sparen - so, dass es möglichst wenig wehtut. Dafür gibt es mehrere Verfahren. Eine Typologie mit neun Vorschlägen.

Unkraut? Einfach wuchern lassen - ist billiger! Bild: ffwd!/photocase

D ie Stadt Solingen geht in die Offensive. Um das Sparkonzept der Stadt von den Wählerinnen und Wählern absegnen zu lassen, startet die Verwaltung demnächst eine dreiwöchige Abstimmung im Internet. Auf dieser Plattform, dem sogenannten "Bürgerhaushalt", dürfen die Leute ganz basisdemokratisch kundtun, welchen Kürzungen sie zustimmen und welche sie ablehnen. "Da heißt es gewissermaßen: Feuer frei!", sagt Thomas Koch, zuständiger Mitarbeiter der Stadtverwaltung Solingen.

In fünf Jahren werde jede dritte Kommune den internetgestützten "Bürgerhaushalt" benutzen, erwartet Oliver Märker, Geschäftsführer der Beratungsfirma "zebralog", der Gemeinden bei der Einführung der Internetplattformen berät.

Der Bürgerstreit ist praktisch auch für die Politik: Wenn WählerInnen miteinander streiten und dann im Internet abstimmen, wo gekürzt werden darf und wo nicht, dann lenkt das Aggressionen ab von den Stadtoberen. Und um Gefühle geht es immer beim Sparen.

Wer sich die Haushaltssicherungskonzepte der hochverschuldeten Kommunen anschaut, dem fallen psychologisch recht unterschiedlich wirkende Sparverfahren auf.Aber gerade solche Maßnahmen, die auf den ersten Blick besonders harmlos daherkommen, können längerfristig schlimme Folgen haben …

Methode 1: Personal ausschleichen

Das Verfahren ist wirksam und unauffällig, hat aber schlimme Auswirkungen auf den Jobmarkt einer Stadt. Man lässt Stellen im öffentlichen Dienst unbesetzt, wenn Leute in Altersteilzeit wechseln, in den Ruhestand gehen oder selbst kündigen. 12 Millionen Euro will die Stadt Wuppertal bis zum Jahre 2014 durch die "strukturelle Senkung der Personalkosten" an Haushaltsmitteln sparen.

Im Bedarfsfall soll bereits vorhandenes Personal auf eine freie fachfremde Stelle umgesetzt werden. Wuppertaler sollten also freundlich sein zum nervösen Ansprechpartner im Bürgerbüro: Es könnte sein, dass der Mann zuvor 15 Jahre nur Akten wälzte und zwangsumgesiedelt wurde.

Methode 2: Nischenservice unauffällig abbauen

Zum Beispiel Friedhofsgärtner. Braucht man die? Tja. 750.000 Euro im Jahr will die Stadt Bochum sparen, indem man 15 Friedhofswärter wegkürzt. Allerdings müssten dann bestimmte Tätigkeiten, wie etwa "Standfestigkeitskontrollen" der Grabsteine, "von anderen Mitarbeitern übernommen werden", heißt es im aktuellen Haushaltssicherungskonzept der Stadt Bochum. Vielleicht können dann ja KollegInnen, die sich in Altersteilzeit befinden, ab und an ein bisschen zur Kontrolle an den Grabsteinen rütteln. Friedhofswärter war übrigens immer auch ein Schonjob für gesundheitlich angeknackste Kollegen und daher entfielen mit der Streichung auch Arbeitsplätze für "leistungsgeminderte" Mitarbeiter, heißt es bedauernd im Bochumer Sparkonzept.

Methode 3: Standards absenken und auf Gewöhnung hoffen

Geht meist zusammen mit Methode 1. In Bochum beispielsweise sollen öffentliche Rasenflächen nur noch selten gemäht, von "Intensiv"- auf "Extensivpflege" umgestellt werden. In vielen Städten müssen sich die Bürger schon länger an mehr Schmuddel gewöhnen. Im geltenden Haushaltssicherungskonzept der Stadt Castrop-Rauxel etwa lieferte die in den vergangenen zwölf Jahren verschlechterte und umstrukturierte "Intervallreinigung" an Schulen mit gekürzten 4,3 Millionen Euro den größten einzelnen Sparposten.

Methode 4: Die Bevölkerung abhärten

So was geht in den Medien ab wie eine Rakete, die Symbolik ist offensichtlich. Einige Kommunen haben die Wassertemperatur in den Hallenschwimmbädern reduziert. Es wird kälter in Deutschland! Die neue Absenkung um ein Grad bringt in Bochum beispielsweise 127.000 Euro im Jahr an gesparten Heizkosten. Zuvor lag die Temperatur mit 28 bis 29 Grad nach Angaben der Stadtverwaltung "überdurchschnittlich hoch". Und wer will schon eine Stadt der Warmduscher sein, wo sich doch alle durch harte Zeiten kämpfen müssen? Es gibt auch hier Opfer: In Solingen beispielsweise protestierten Behindertenverbände gegen die abgesenkte Temperatur, weil das therapeutische Schwimmen dadurch nicht mehr so entspannend sei.

Methode 5: Die Ecken auskratzen

Echte Centfuchser entdecken in einem Kommunalhaushalt jede Menge Kleinposten, auf die man verzichten kann. In Bochum beispielsweise sollen die Plattenwege in den Freibädern laut Haushaltssicherungskonzept künftig nicht mehr mit Frischwasser, sondern mit gebrauchtem Beckenwasser abgespritzt werden. Die Maßnahme würde 10.000 Euro jährlich einsparen. Kann man nur hoffen, dass das Wasser anschließend nicht wieder ins Becken zurückgekippt wird.

Methode 6: Kultur verzichtbar erscheinen lassen

Bei der Kultur fängt vielerorts das Sparen an, in der Hoffnung, dass die Mehrheit der Wähler kaum noch ins Sprechtheater geht oder sich in der örtlichen Stadtteilbibliothek etwas ausleiht. In Wuppertal sollen bei den städtischen Bühnen 2 Millionen Euro Zuschuss eingespart werden, ein Sprechtheater müsste dann mittelfristig schließen. Auch im ehemals wohlhabenden Stuttgart gibt es in diesem und im nächsten Jahr 5,8 Millionen Euro weniger für Kultur. Ein Bücherbus und eine Mediathek werden abgeschafft, das Schriftstellerhaus bekommt weniger Geld. In anderen Städten werden Zuschüsse für Musikschulen und Volkshochschulen gekürzt und Stadtteilbibliotheken dichtgemacht. In Bochum soll unter anderem das Orchester auf zwei bis drei Musiker verzichten, was 140.000 Euro im Jahr bringt.

Kürzungen in kulturellen Einrichtungen haben allerdings soziale Folgen. Wenn etwa auch akademische Mitarbeiter an Musikschulen, Bibliotheken und Volkshochschulen ihre ohnehin schon schlecht bezahlten Honorarjobs verlieren, landen viele von ihnen auf Hartz IV.

Methode 7: Einsparung durch Umwandlung

Mehr Jugendliche in Pflegefamilien, weniger in Pflegeheimen. Kleinstkinder lieber in Tagespflegestellen statt in Kindertagesstätten unterbringen - die Verlagerung sozialer Aufgaben in private Räume kostet weniger öffentliche Gelder. Laut Sparkonzept Wuppertal kostet ein Platz bei der Tagespflegemutter im Jahr mit 3.655 Euro weniger als ein Platz in der öffentlichen Krippe. Dementsprechend sollen eher die billigeren Tagespflegeplätze ausgebaut werden. Dort sind die Frauen aber auch weniger gut ausgebildet und schlechter sozial abgesichert.

Methode 8: Die Preise hochsetzen

Die Benzinpreise steigen schließlich auch immer mal wieder - und wer sagt, dass öffentliche Dienstleistungen billig zu haben sind? In einigen Städten will man die Elternbeiträge in den Kitas erhöhen, desgleichen die Kursentgelte in den Volkshochschulen, die Eintrittspreise in Konzerte.

In Wuppertal kostet die Hundesteuer künftig nicht mehr 114, sondern 144 Euro pro Hund und Jahr. Die höhere Tiersteuer soll 360.000 Euro im Jahr bringen. Da einige Hundebesitzer die Abgabe als eine Art Bürgersteig-Reinigungsgebühr betrachten, werden sie vielleicht dann erst recht die Kothaufen liegen lassen.

Methode 9: Neue Einnahmequellen entdecken

Städtische Immobilien lassen sich vermieten, wenn sie nicht anderweitig genutzt werden. In Bochum, wo man die Friedhöfe schon als Chance zur Konsolidierung entdeckt hat, schlagen die Haushaltsplaner vor, Trauerhallen künftig gegen Gebühren für kulturelle Zwecke zu vermieten. "Die Trauerhallen sind teilweise groß und haben eine gute Akustik", heißt es im Haushaltssicherungskonzept.

Auch die nicht benutzten Leichenzellen könne man an Bestatter vermieten. Die neue Einnahmequelle brächte etwa 20.000 Euro im Jahr.Aber vielleicht entdecken ja auch Eventmanager, das man in Leichenzellen prächtig chillen kann.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

9 Kommentare

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  • IS
    IBettina Stratmann

    Wir können uns weigern den Posten Zinsbelastung weiter zu führen, das kann uns schnell helfen (ich meine natürlich die Liquiditätsprämie)!

    Die leistungslos empfangenen Riesenvermögen wachsen dann auch nicht mehr wie bislang.

    Ein weiterer Vorschlag: der Negativzins hilft bei der Rückverteilung dieser Megaguthaben. Als friedliche Lösungsmöglichkeiten unschlagbar.

    Für einen Superreichen müssen Millionen Leute sehr arm sein. Wie lange das noch "gut" geht?

  • A
    Alban_der_Weise

    Bis vor wenigen Jahren hatten viele Städte noch die Möglichkeit, ihren Haushalt, insbesondere aber den öfftl. Nahverkehr, mit Einnahmen aus den Stadtwerken (Energie-/Wasserversorgung, Abwasser/Entsorgung) querzusubventionieren.

    Infolge der von der EU initiierten und von der Bundesregierung noch zusätzlich verschärften Regulierung des Netzbetriebes und der Netzdurchleitegebühren haben die Stadtwerke nun selber jede Menge Mühe, die vielen bürokratischen Zusatzaufwände und Zusatzkosten (v.a. IT-Kosten) schwarze Zahlen zu schreiben.

    Die Folgen der Energie-Regulierung:

    * geringere Spielräume der Kommunen infolge geringerer Gewinne der Stadtwerke, da die Bundesnetzagentur den Netzbetreibern Erlösobergrenzen vorgibt.

    * die Großen der Energiebranche (e.on, RWE, EnBW, Vattenfall) haben genügend Personal und "abtrainierbaren Speck", um auf die Regulierungsfolgen reagieren zu können. Die ohnehin eher etwas dünner besetzten Stadtwerke (speziell die kleineren) kommen hier in eine gefährliche Klemme: Midnest-Anforderungen bzgl. der Rendite seitens der Kommune und Umsatzbegrenzung seitens der Regulierungsbehörde

     

    ==> Was lernen wir daraus? In den letzten Jahren ist vermehrt eine Entmachtung der regionalen Strukturen (Städte, Gemeinden) zugunsten der zentralen Bundesregierung zu bemerken, die bei konsequenter (ignoranter?) Weiterführung immensen Sprengstoff in sich trägt.

  • E
    elmar

    das mit den trauerhallen ist echt cool! die angrenzende gruft würden den erlebniswert von death-metal-konzerten und schwarze messen erheblich eindringlicher gestalten. und das sprechtheater, also hamlet hätte da auch einen super-rahmen . . .

  • M
    Mitmacher

    Es mag ja sein, dass die Sparvorschläge der überschuldeten Stadtverwaltungen den bitteren Beigeschmack der Hilflosigkeit haben. Aber den hämischen Taz-Ton gegenüber dem Instrument Bürgerhaushalt rechtfertigt das nicht. Die Schulden sind nun mal da und Schuldzuweisungen (so berechtigt und verständlich sie auch sein mögen) helfen nun niemandem weiter - der Karren muss aus dem Dreck gezogen werden, so oder so.

     

    Nun haben sich die Stadtväter und -mütter entschieden das mit und nicht gegen die Bürger zu machen. Das steigert zwar bei keinem Beteiligten/Betroffenen den Spass an der Sache, aber ist immer noch besser als an der Entmündigung der Bürger über die Verwendung ihrer Abgaben festzuhalten.

     

    Ein Gutes hat das Ganze schließlich... wenn der Karren dann in einigen Jahren wieder aus dem Dreck ist, wird man den krisengestählten und haushaltserfahrenen Bürgern schlecht vermitteln können, dass man nun beim Geldverteilen im Rathaus wieder gerne auf sie verzichten möchte. Die Schulden gehen, die Bürger bleiben. Also: anpacken!

  • S
    SaschaZ

    toller beitrag über ein sehr trauriges thema!!

  • A
    Alex

    "In Wuppertal kostet die Hundesteuer künftig nicht mehr 114, sondern 144 Euro pro Hund und Jahr."

     

    ?

  • DN
    Dr. No

    Ihre Sparvorschläge sind eine Lachnummer! Was wirklich etwas bringen würde, wäre die sinnlosen Megaprojekte zu stoppen, mit denen sich gernegroßen Lokalpolitiker in Szene sezten möchten. Beispiel Darmstadt, 140.000 Einwohner:

    Vor einigen Jahren wurde für knapp 90 Millionen ein Kongresszentrum gebaut, davon 60 Millionen auf Kredit. Defizit des laufenden Betriebs: 4 Millionen pro Jahr, Zinsen nicht eingerechnet.

     

    Dann wollen unsere Stadtväter eine Umgehungsstraße bauen. Kosten: 200 Millionen, 50 Millionen für die Stadt. Es gab letztes Jahr einen Bürgerentscheid. 54.7% (knapp 26.000 Wähler) stimmten gegen die Straße, aber weil 204 Stimmen zu dem Quorum (25% der Wahlberechtigten müssen in Hessen dem Bürgerentscheid zustimmen), musste das Stadtparlament nochmal drüber abstimmen - und SPD/CDU/FPD stimmten für die Straße. 1.5 Mio sollen dafür in den nächsten 3 Jahren aus dem städtischen Haushalt bereitgestellt werden - obwohl Darmstadt eine halbe Milliarde Schulden hat und seinen Haushalt vom Regierungspräsidenten nicht genehmigt bekommt.

     

    So wird es in anderen Städten auch aussehen.

     

    Und da kommen Sie mit Friedhofsgärtnern und mit dem Wasser zur Reinigung von Schwimmbädern. Da kann ich nur den Peter-Harry machen: "Ihr habt sie doch nicht alle!"

     

    Und was die Internet-Abstimmung anbelangt: Das geht diesen gewissenlosen, strunzdummen Verschwendern doch am Ar... vorbei.

  • K
    kuwer.twoday.net

    Wenn nach Abbau der "Dienstleistungen" mehr Eigenverantwortung beim Bürger ankommt, bitte gerne. Vielleicht hält sich die Zahl an vom Grabstein Erschlagenen auch in Grenzen. Geldmangel provoziert womöglich ein Hinterfragen des Ordnungswahns in unseren komatös erstarrten Gemeinwesen.

  • UF
    Uwe Friedel

    Ein bisschen grünes Kraut und gelbe Blüten können doch vor dieser grauen Mauer nicht schaden!

    Ach stimmt ja, wir Deutschen sind ja ordentlich. Also weg mit dem Unkraut und die Wiesen 10 mal pro Jahr auf Einheitshöhe gestutzt.

    ... und bald kennen unsere Kinder Blüten nur noch von "Löwenzahn" aus dem Fernsehen und vom Valentins-Blumenstrauß....