Kommentar Lufthansa-Streik: Früchte der Unternehmenspolitik
Das Problem beim Lufthansa-Streik: Die Piloten kämpfen nur für ihre eigenen Interessen. Auf der Strecke bleiben dabei die weniger hoch qualifizierten Angestellten.
H och qualifizierte Arbeit verdient auch einen überdurchschnittlichen Lohn. Die Forderungen der Flieger sind in der Sache nicht unberechtigt: Die Piloten tragen hohe Verantwortung, sie haben eine lange Ausbildung hinter sich und sie werden ihrem Unternehmen in diesem Jahr nach den Prognosen der Analysten wieder einen ordentlichen Gewinn erfliegen.
Das Problem liegt anderswo: Die Piloten kämpfen nur für ihre eigenen Interessen und lösen sich damit aus der Solidarität mit dem restlichen Lufthansa-Personal. Sie folgen damit einem allgemeinen Trend. Auch anderswo schließen sich die Funktionseliten in Spezialgewerkschaften zusammen. Lokführer, Klinikärzte oder Fluglotsen haben hohe Forderungen und eine noch höhere Konfliktbereitschaft. Auf der Strecke bleiben dabei die Interessen der weniger hoch qualifizierten Angestellten und vor allem die der ungelernten oder angelernten Arbeiter. Auch sie haben ein Recht darauf, an den Unternehmensgewinnen beteiligt zu werden - aber sie können dieses Recht nicht durchsetzen, weil sie leichter ersetzbar sind.
Die Ursache dieser Entwicklung liegt in der Flucht der Unternehmen aus den Flächentarifverträgen. Früher kämpften alle Arbeitnehmer einer Branche gemeinsam für höhere Löhne. Doch die Unternehmen hofften, den Lohn drücken zu können, wenn sie nur mit ihren eigenen Angestellten verhandeln. In Westdeutschland ist nur noch jedes zweite Unternehmen über die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an den Flächentarifvertrag gebunden, in Ostdeutschland jedes vierte. Doch das Kalkül für die Unternehmen ging nicht auf. Der Streik bei der Lufthansa zeigt die Zukunft des Arbeitskampfes: einzelne kleine Berufsgruppen, die der Reihe nach den ganzen Betrieb lahmlegen.
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