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Radfahren in DeutschlandAuf dem Weg zur Fahrradnation

Dank der Imageprobleme des Autos wird das Zweirad wieder mehr als ein Freizeittema. Der Staat will mit 100 Millionen Euro für neue Radwege die wachsende Branche unterstützten.

Vom Freakthema zur Fahrradnation: Radfahren wird deutlich populärer. Bild: ap

BERLIN taz | Fahrradgeschäfte haben Hochkonjunktur: Läden, die ihre Kundschaft intensiv beraten, konnten ihren Umsatz 2009 um 10 Prozent steigern. Über 4 Millionen neue Drahtesel für insgesamt 5 Milliarden Euro rollten auf die Straßen. Besonders gut läuft das Geschäft mit Rädern, die durch eine Elektrobatterie unterstützt werden: 140.000 Stück wurden davon im vergangenen Jahr verlangt - doppelt so viele wie noch 2007.

Galt Fahrradfahren lange Zeit als Freizeit- und Freakthema, proklamiert inzwischen sogar die Bundesregierung, Deutschland zu einer "großen Fahrradnation" machen zu wollen. Das versicherte der selbst mit dem Auto angereiste Verkehrsstaatssekretär Jan Mücke auf einem Branchenkongress in Berlin.

100 Millionen Euro sollen in den Bundeshaushalt für neue Radwege eingestellt werden. Auch wenn das im Vergleich zu anderen Verkehrsprojekten wenig ist, reagiert die Politik damit doch auch auf einen Imagewandel, den Trendforscher beobachten. "Früher war das Auto Symbol für Sieg, Prestige und Macht - heute steht es für Übertreibung, Verschwendung und das Ewiggestrige", sagt Jeanette Huber vom Zukunftsinstitut.

Zugleich zeigt eine repräsentative Umfrage des Allgemeinen Fahrradclubs Deutschland, dass der Faktor "Spaß" beim Rad heute deutlich höher bewertet wird als beim Auto. Ein Problem ist allerdings die mangelnde Sicherheit, die über ein Drittel der Nutzer beklagen.

Andreas Knie, Verkehrsexperte am Wissenschaftszentrum Berlin, warnt davor, beim Fahrrad die gleichen Fehler zu begehen wie beim Auto. Schon heute gebe es 3,8 Millionen "Metromobile", die gleichmäßig Bus und Bahn, Fahrrad, Auto und die eigenen Füße nutzten. Diese Gruppe auszuweiten, sei sinnvoll - und mit frei zugänglichen Auto- und Fahrradverleihsystemen auch zu machen. Nicht jeder, der ein Fahrzeug nutze, müsse dies auch besitzen. "Wenn bei Regen alle ihr eigenes Rad mit in die S-Bahn nehmen, ist sie sofort überfüllt."

Derzeit läuft in Hamburg ein Feldversuch mit 700 Leih-Fahrrädern. Schon jetzt zeichnet sich ab: Die Verkehrsteilnehmer lassen ihre Autos deutlich öfter stehen und nutzen die öffentlichen Angebote.

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7 Kommentare

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  • DP
    dirk puderbach

    ...es geht doch eher darum, die vorhandenen bedingungen zu verbessern. radfahren macht spass und ist gesund. mein arbeitgeber sollte nur ein wenig toleranz mitbringen und schon habe ich das rad als alltagsverkehrsmittel teiletabliert. nicht jeder ist ein supersportler,aber einige kilometer sind nach kurzer übungszeit zu schaffen>das (eigene) auto bleibt stehen.

    eine so gestalte tendenz wäre der erste schritt.

    natürlich hat ein schneller rennradler auf dem radweg nichts verlohren.

    hier gilt es auf autofahrerseite rücksicht und vielleicht solidarität zu schulen.

    die schrecksekunde und sturzgefahr beim unerwarteten anhupen kennen alle.

    für die grossen zeiteinsparer ist die radlerei problematisch>(auf dem land wohnende) und erwächst zur Glaubensfrage, sollte dann auch so behandelt werden.

    kurzum- eine ganze nation zu etwas machen zu wollen ist vermessen und erreicht als aufruf das gegenteil vom vielleicht gewollten.

    um begeisterung für eine alternative mit rad zu wecken, benötigt man ein positive kommunikation mit allen ihren verfügbaren instrumenten.

    ..den radurlaub mal als diashow festhalten..,.die freude über das sich zurückentwickelnde ränzlein ruhig eimal ausdrücken.. bei fahrten kontakt suchen.etc. sind ganz kleine konstituirende dinge..die radfahren natürlich machen> das ist eigentlich gar nichts besonderes!

    den hinweis auf die veränderung des bewusstseins durch die etwas andere fortbewegungsart kann man sich eigentlich schenken!..> man sieht anders..

    und vieles ist stiller (und) wird anders erlebt.

    aber! es muss auch "rüberkommen">.....kommunikation.>.akzeptanz.

     

    di.

    ehemaliger taz-austräger in ottensen etc.mit rad bei nacht- und mit vielen trainingskilometern behaftet....die den europ. vergleich mögl. machen..

  • B
    Benj

    ich als Radkurier erfahre tagtäglich, wie unsicher die Radwege sind.

    Das Fördergeld soll und muß für AUtofreie Innenstädte, verkehrsberuhigte Stadtzonen ausgegeben werden,

    aber bestimmt nicht um den Autofahrern nach wie vor den größten Platz auf der Strassse einzuräumen.

     

    es lebe die CO² Neutrale Fortbewegung- Klimaschutz fängt bei jedem selbst an!!!!

  • IN
    Ihr NameLukas

    Demographiebedingt steigt jedes Jahr ein starker

    Jahrgang vom Rad und unten kommt wenig nach.

  • D
    DenkSchlächter

    25.02.2010 14:18 Uhr: von Dirk : und

    25.02.2010 22:16 Uhr: von flueggus:

    Ich stimme Ihnen inhaltlich voll zu. Mir erscheint die Gesetzgebung im Allgemeinen und der Fahrradnutzung im Besonderen von so gut wie keiner Sachkenntnis getrübt. Als Rennradfahrer habe ich besondere Probleme:

    Es geht nicht an, daß Rennradfahrer mittels verschiedener Verkehrsschilder ( Zeichen 237; 240; 241) auf den Radweg gezwungen werden und dann – ihrem Sport gemäß – mit 30 km/h und mehr diese Wege benutzen, auf denen Familie und ältere Radfahrer ihre gemütliche Radtour unternehmen. Teilweise sind diese Schilder nicht rechtskonform aufgestellt.

    Das ist unverantwortlich.

    Ich möchte nicht vor einem Richter stehen, der mich des gefährlichen Rasens beschuldigt oder gar mich wegen einer Körperverletzung verurteilt, nur weil ich diesem behördlichen Zwang gefolgt bin.

    Wer sich diesbezüglich näher informieren möchte, dem kann ich die Homepage des ADFC oder die Seite: http://cycleride.de/cms/ wärmstens empfehlen.

  • J
    JedenTagRadfahrer

    Ich verstehe nicht, warum in Zeitungen nach "Radverkehrsförderung" immer gleich "Radwegbau" stehen muß. Radwege sind keine Radverkehrs- sondern eine Autoverkehrförderungsmaßnahme. Die Radfahrer sollen dem Autoverkehr aus dem Weg geräumt werden.

     

    Alltagsradfahrer wissen seit Jahrzehnten, daß die Fahrbahn - und nicht der Radweg - der sicherste, bequemste und schnellste Straßenteil ist. Auch Unfallstatistiken und Untersuchungen der BAST belegen diese Tatsache.

     

    Aber wenn man soundsoviel KM Radweg gebaut hat, kann man sich auf die Schulter klopfen und behaupten, etwas für den Radverkehr getan zu haben.

     

    Die Autofahrer und Sonntagsradler glauben das ja auch (noch).

  • F
    flueggus

    Geld in straßenbegleitende Radwege zu stecken, ist nicht nur die reinste Verschwendung von Steuermitteln, sondern auch massive Gefährdung aller Verkehrsteilnehmer, und zuallererst der Radfahrer! Die Unfallstatistiken sprechen da eine eindeutige Sprache.

    Gute Radverkehrsförderung ist ein komplexes Ding und leider für die POlitiker nicht so einfach abzurechnen wie der hunderttausendste Rad-weg!-Kilometer.

    Dazu zählen der vernünftige Unterhalt der Nebenstraßennetze ebenso wie der Mut, Radfahrer auch auf größeren Straßen als gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer zu akzeptieren, d.h. sie nicht von der Fahrbahn zu verbannen.

  • D
    Dirk

    Ich kann nicht nachvollziehen, wie bei der Förderung des Fahrradverkehrs die gleichen Fehler begangen werden könnten, wie in den 70er Jahren beim Auto. Das Problem ist doch immer noch die atombombenartige und rein auf Autos ausgerichte Bauweise von Straßen in den 70ern. Andere Verkehrsmittel wurden so an den Rand gedrängt und das ist immer noch der status quo.

    Interessant ist die Sicherheitsfrage. Die Autos müssen langsamer fahren und mehr Rücksicht auf die FahrradfahrerInnen nehmen, sonst gibt es nicht mehr Sicherheit. Aber wie kriegt man die AutofahrerInnen dazu?