piwik no script img

Staat in FinanznotGriechenland wirbt um Vertrauen

Vertrauen ist gut, Regulierung ist besser: Um Griechenland die Rettung aus eigener Kraft zu ermöglichen, müssen die Finanzspekulationen eingedämmt werden.

Erwartet von Berlin kein Geld: Griechenlands Ministerpräsident Georgios Papandreou. Bild: dpa

Finanzhilfe erwartet Griechenlands Ministerpräsident Georgios Papandreou nicht, wenn er nach Berlin kommt. Und er sucht auch nicht nach neuen Ideen, wie einige Unions- und FDP-Politiker meinen. Sie fordern, Griechenland könne doch Staatseigentum wie unbewohnte Inseln verkaufen. "Solche Vorschläge sind derzeit nicht angebracht", hieß es am Donnerstag aus Athen angesichts der wütenden Proteste gegen die ohnehin schon radikalen Maßnahmen der Regierung.

Stattdessen will Papandreou um "Solidarität und Vertrauen" werben. Beides ist nötig, um Spekulationen auf den Finanzmärkten einzudämmen, die Griechenland zuletzt die Aufnahme neuer Kredite erschwerten. Diese haben in den vergangenen Wochen die Zinsen für griechische Staatsanleihen und die Gebühren für Kreditausfallversicherungen, sogenannte Credit Default Swaps (CDS), hoch getrieben. Bei den Staatsanleihen sorgten vor allem Leerverkäufe für Wertverluste. Das sind Wetten auf fallende Kurse, die Abwärtsspiralen in Gang setzen können: Ein Investor verkauft Anleihen, die er noch gar nicht besitzt und erst später nachliefert - in der Erwartung, dass er sie bis dahin billiger bekommt und die Differenz von Verkaufs- und Einkaufspreis als Gewinn einstreichen kann.

CDS dagegen sind eine Art Versicherung: Sie sorgen dafür, dass der Inhaber beispielsweise von Staatsanleihen nicht leer ausgeht, wenn der jeweilige Staat pleitegeht. Die Gebühren sind umso höher, je weniger kreditwürdig der Staat ist. Ihr Niveau zeigt also auch an, wie hoch die Märkte das Bankrottrisiko einschätzen. Problematisch wird es, wenn CDS unabhängig von den Anleihen gehandelt werden, auf die sie sich beziehen - vor allem, da der Handel am grauen Markt stattfindet. Niemand weiß also, ob sich Anleihenbesitzer absichern wollen - oder jemand nur auf steigende Kurse spekuliert. Das Signal für die Märkte aber ist: Die Lage des Landes wird schlechter eingeschätzt. Prompt wird es für dieses wieder schwerer, Geld aufzunehmen.

Nun ist die Finanzaufsicht hellhörig geworden. Die EU-Kommission hat Banken- und Regierungsvertreter für heute nach Brüssel eingeladen, um über mögliche Regulierungen zu sprechen. Mitte der Woche hatte sie schon eine Meldepflicht für Leerverkäufe angekündigt. Deutschland will diese ganz verbieten, wie es in Österreich schon der Fall ist. CDS-Kontrakte könnten auf Investoren beschränkt werden, die die dazugehörenden Anleihen besitzen.

Die Ankündigungen zeigen erste Erfolge: Eine am Donnerstag platzierte griechische Staatsanleihe über insgesamt 5 Milliarden Euro war dreifach überzeichnet. Das Land zahlt zwar rund 6,5 Prozent Zinsen - doppelt so viel wie Deutschland -, Analysten hatten aber mit über 7 Prozent gerechnet.

Kontraproduktiv verhielt sich dagegen Moodys. Gegen den Trend, die griechischen Bemühungen zu unterstützen, warnte die Ratingagentur, sie werde ihre Bonitätsnote herunterstufen, wenn Athen die Sparpläne nicht radikal durchzieht. Moodys ist die letzte große Ratingagentur, die die griechische Kreditwürdigkeit noch mit einer A-Note bewertet. Erhielte das Land nur noch B-Noten, könnten die Staatsanleihen ab 2011 nicht mehr bei der Europäischen Zentralbank verpfändet werden. Für Banken wären sie damit uninteressant.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • WG
    Wir geben Kohle, Ihr Rhodos

    Ganz nebenbei weisen Sie in Ihrem Artikel auf die Unverschämtheit deutscher Politiker der beiden Koalitionsparteien hin. Was sind die Hintergründe? Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler sagte zum Beispiel:Ein Bankrotteur muss alles, was er hat, zu Geld machen, um seine Gläubiger zu bedienen.“

    „Der griechische Staat muss sich radikal von Beteiligungen an Firmen trennen und auch Grundbesitz, zum Beispiel unbewohnte Inseln, verkaufen.“

    Dazu schreibt sogar die "WELT" :Die Empörung ist groß, denn die Griechen denken an die deutsche Besatzung während des Zweiten Weltkrieges zurück. Angela Merkel soll sich jetzt für die Idee entschuldigen." Das fordert zumindest der Lothar Bisky von "Die Linke". Das ist auch meine Meinung und die vieler Griechen.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Vielleicht hat Herr Papandreou bei seinem Besuch in Berlin eine Überraschung im Gepäck. Die Krisenlage ist bizarr und fast von selbst läuft sie auf eine Sensation zu. Hier die Lage:

     

    Die Staatsfinanzkrise Griechenlands ist nach der Pleite von LehmanBrother ein weiterer Krisen- und Aufschaukelungs-Schub im Ancien Régime des 2%Wachstumszwang-Regime der KAPITALSTOCKMAXIMIERER. Die zunehmende finanzielle Dimension und Dramatik der Schübe bereiten den Exodus aus der alten Ordnung vor. Staatliche Finanzierungskrisen sind klassische Auslöser von Ordnungsübergängen, d.h. von machtstürzenden Revolutionen. Ein solches geschichtlich bekanntes Prozessmuster läuft z.Zt. vor unseren Augen ab. Fast alle Abwehroptionen gegen den Sturz sind aufgebraucht.

     

    Um das 2%Wachstumszwang- und X%-Verschuldungs-Regime der KAPITALSTOCKMAXIMIERER (= Ancien Régime) in absehbarer Zeit zu stürzen, benötigt man nach klasssischer Revolutionstheorie jetzt eigentlich nur noch eine sog. revolutionäre Gruppe, die das projektfähige Wissen über die nachfolgende Fortschrittsordnung-des-KREATIVEN-Akzelerlationswegs drauf hat und nutzt. Sollte sie in Griechenland entstehen?

     

    Weil die Regierung Papandreou sich dieses Übergangsprojektwissen (unter dem Namen EPIKUR-Projekt gegoogelt steht es jedermann zur Verfügung) angeeignet hat, könnte sie der EU- und anderen Institutionsspitzen damit drohen, die Rolle der revolutionären Gruppe zu spielen, d.h. die Wahrheit der Lage und das Übergangsprojektwissen in die Öffentlichkeit einzuführen.

     

    Diese Möglichkeit - bei den morgigen Gesprächen in Berlin angedeutet - würde die EU-Spitze und andere Mächte zu einer panikartigen Änderung der bisherigen NEIN-Position zu finanzielle Solidaritäts- und Unterstützungaktion zwingen.

     

    Aber vielleicht ist noch mehr drin. Wenn die griechische Regierung sich vor dem wütenden Volk nicht mehr retten können sollte, d.h. wenn die beschlossenen Sanierungsmaßnahmen gegen die Gewalt-der-Straße nicht durchsetzbar sind, dann wird sich die Regierung P. sogar mit dem EPIKUR-Projektwissen in den Existenzkampf stürzen müssen - und mit dem Volk siegen. Das globale Kapitalbesitzer-Paradies würde wie ein Spuk verschwinden - vergleichbar dem SED-Spuk in der DDR. Auf der Akropolis würde das Spruchband aufgespannt werden: Kapitalisten-Paradies lost!

     

    Dann wäre das altgriechische Befreiungsprojekt des Abendlandes, das ins machtsystemfreie Reich der Freien und KREATIVEN führen sollte, unter dem Namen des geistigen Vaters des Liberalismus 'EPIKUR' vollendbar und bald sicher vollendet. Rd. 2300 Jahre war es unterwegs. Im Jahr 306 v.Chr. startete es in Athen - vom Garten der EPIKUREER aus. Ein Lachen wird es sein, wenn die vorrevolutionäre Lage öffentlich wird.

     

    KREATIVE EPIKUREER aller Länder feiert! Die KAPITALSTOCKMAXIMIERER zittern vor Euch!