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Unfall in Atomfabrik GronauUrenco offenbar mitschuldig

Dokumente aus Schweden kritisieren mangelnde Sorgfalt in deutscher Uranfabrik. Der deutsche Betreiber Urenco trägt auch einen Teil der Schuld an dem Uranunfall.

Der bei Urenco geöffnete Behälter enthielt noch Uranhexafluorid. Bild: dpa

STOCKHOLM/BERLIN taz | Am Unfall in der Uranfabrik im nordrhein-westfälischen Gronau, bei dem im Januar ein Arbeiter verstrahlt worden war, trägt der deutsche Betreiber Urenco offenbar doch eine Mitschuld. Das geht aus einem Bericht des Uran-Lieferanten "Westinghouse Electric Sweden" (WES) an die schwedische Strahlenschutzbehörde hervor, der der taz vorliegt. Darin heißt es, Urenco habe einen vermeintlich leeren Behälter geöffnet, obwohl kein Dokument vorlag, dass dieser tatsächlich leer und gereinigt war. "Als Urenco das Entleerungs- und Waschprotokoll für diesen Zylinder kontrollierte, erwies sich, dass keine inwändige Reinigung dokumentiert war", schreibt WES.

Bei dem Zwischenfall am 21. Januar, der auf der internationalen Störfallskala der Kategorie "Eilt" entsprach, war ein Arbeiter in der Urananreicherungsanlage von Urenco in Gronau beim Öffnen eines 650 Kilogramm schweren Transportbehälters mit radioaktivem Uranhexafluorid in Kontakt gekommen. Dabei nahm er rund die Hälfte der durchschnittlichen jährlichen Strahlendosis auf und musste ins Krankenhaus.

Bisher hatten Urenco sowie die Staatsanwaltschaft und die Landesregierung erklärt, die Schuld für den Zwischenfall liege in Schweden. "Da es sich um einen mutmaßlich schwedischen Verursacher handelt, werden wir um Verfahrensübernahme bitten", hatte Münsters Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer im Januar der taz gesagt.

Im Bericht vom 5. März räumt der schwedische Lieferant nun zwar eine Mitschuld am Unfall ein: "WES wich von den geltenden Transportbestimmung ab", heißt es. Ein Behälter, der noch 1,6 Kilo Uranhexaflourid enthielt, sei versehentlich zusammen mit leeren verschickt worden. Für den fraglichen Behälter sei jedoch das Waschprotokoll nicht vollständig ausgefüllt gewesen; zudem fehlte die Angabe des Gewichts auf dem Frachtzettel, weil die Behälter erst nach dem Reinigen gewogen werden.

Dass das Fehlen dieser Angaben bei Urenco nicht auffiel, zeige eine "unglaubliche Schlamperei", sagte die atompolische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, der taz. "Da steht ein Behälter in Gronau, bei dem diverse Fragezeichen auftauchen, und kein Sicherheitsmanagement verhindert, dass der einfach geöffnet werden darf." Das Unternehmen Urenco, an dem unter anderem Eon und RWE beteiligt sind, war bis zum Redaktionsschluss nicht zu einer Stellungnahme bereit. Management und Sprecher könnten "nicht gestört" werden, hieß es. WES, das zum japanischen Toshiba-Konzern gehört, stellt in Västerås jährlich 600 Tonnen Brennelemente auch für deutsche Atomreaktoren her.

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1 Kommentar

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  • S
    Sebas

    Ein Vorfall, [Zitat]'der auf der internationalen Störfallskala der Kategorie "Eilt" entsprach' [Zitat Ende]?

    Kleine Anmerkung: Auf der internationalen Störfallskala INES (international nuclear event scale) entsprach der Vorfall der Stufe 2 (und ist damit tatsächlich ein Störfall - der erste seit 2001).

    "Eilt" ist die zweite von dreien (für im Betrieb befindliche Anlagen relevanten) Meldekategorien, die es allerdings nur in Deutschland gibt. Zur Information hier die Meldekategorien:

     

    N (Normal) - Vorfälle mit geringer oder gar keiner sicherheitstechnischen Bedeutung, die jedoch zentral gesammelt werden um Schwachstellen und mögliche Probleme frühzeitig erkennen zu können. Jede Schnellabschaltung aus dem Leistungsbetrieb ist - unabhängig von der Ursache - mindestens Kategorie N. Die Meldefrist beträgt 5 Werktage (Nebenbei: Vattenfall wurde nach der Abschaltung wegen des defekten Trafo eine verspätete Meldung an das Ministerium vorgeworfen. Sie haben von den ihnen per Recht und Gesetz zustehenden 5 Tagen tatsächlch ganze 40 Minuten gebraucht. Das ist natürlich viel zu spät...)

     

    E (Eilt) - Vorfälle, die zwar keine Sofortmaßnahmen erfordern, deren Ursache aus sicherheitsgründen jedoch festgestellt und kurzfristig behoben werden muss. Wird ein Mitarbeiter innerhalb der Anlage kontaminiert ist das automatisch Kategorie E. Die Meldefrist beträgt 24 Stunden.

     

    S (Sofort) - Für Vorfälle, die akute sicherheitstechnisch Mängel aufzeigen. Die Meldung ist unverzüglich abzusetzen. Ich weiss nicht sicher, ob wir in Deutschland je so eine Meldung hatten

     

    Man kann wegen der unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe die deutschen Meldekategorien und die internationalen INES-Stufen nicht direkt zueinander zuordnen, allerdings ist klar, dass Meldungen der Kategorie N maximal INES 0 bis 1 entsprechen können (teilweise auch keine INES Meldung), während INES >= 4 sicher Meldungen der Kategorie S wären.