Paralympics: Die Russen kommen

Während Gerd Schönfelder sich nach seinem vierten Sieg erfolgreichster deutscher Winterparalympier nennen darf, feiert das russische Team ein Rekordergebnis.

"Das ist eine Rennsau": Die alpine Cheftrainerin Maike Hujara über ihren Topfahrer Gerd Schönfelder. Bild: dpa

An dieses Bild dürfe man sich nicht gewöhnen, sagt Karl Quade. Deutschland und Russland an der Spitze der Paralympischen Winterspiele. 23 Medaillen hatten deutsche Athleten bis Samstag Ortszeit in Vancouver und Whistler gewonnen, 12 in Gold. Die Russen sammelten 30 Medaillen, 11 in Gold. "Wir sind unglaublich zufrieden, wir haben die Erwartungen übertroffen, damit war nicht zu rechnen", sagt Quade, Chef der Mission des deutschen Teams, und denkt sofort an die Zukunft: "Die Russen werden künftig noch mehr investieren und noch besser werden." Ihnen hilft eine besondere Motivation: Sie richten die nächsten Winter-Paralympics aus, 2014 in Sotschi.

Die erfolgreichsten Nationen dieser Spiele stehen für unterschiedliche Fördersysteme im Behindertensport. Es ist davon auszugehen, dass die Russen mit ihrem Modell künftig noch mehr Medaillen gewinnen werden. Die Deutschen haben ihre Chancen aber genutzt. Sie waren effektiv in Sport und Vermarktung. Dennoch werden die zwanzig Amateurathleten, die in Kanada dabei waren, wieder in ihren Berufsalltag zurückkehren. Der Alpine Gerd Schönfelder, der am Samstag durch seinen vierten Sieg bei diesen Spielen in der Superkombination zum erfolgreichsten deutschen Winter-Paralympier aufstieg; die Langläuferin Verena Bentele, fünfmal erfolgreich, und der dreimal siegreiche Alpine Martin Braxenthaler, werden ihre Laufbahnen wahrscheinlich beenden. Wer soll sie beerben? Die Unterstützung des Bundes wird bis 2012 ohnehin in die Sommersportarten fließen, wegen der Paralympics in London. "Die Russen haben es etwas leichter", sagt Karl Quade, und er sieht dabei nicht sonderlich entspannt aus.

Der Behindertensport in Russland ist jung, 1995 wurde das Paralympische Komitee gegründet. "In dieser Zeit haben wir viel erreicht", sagt dessen Präsident Vladimir Lukin. Dreizehn Millionen Behinderte leben in Russland, sie genießen nicht die Standards wie in Kanada oder Deutschland, Sport ist für viele die Möglichkeit zum sozialen Aufstieg. "Wir wollen allen zeigen, wozu Menschen mit Behinderungen fähig sind", sagt Lukin. Die Unterstützung des Kremls hat er. Putin hatte den Paralympiern mitteilen lassen: "Eure Siege werden ein stolzes Kapitel schreiben."

Die Russen hatten bei Olympia im Februar nur dreimal Gold gewonnen. Präsident Medwedjew verglich Funktionäre mit vollgefressenen Katern. Die Spitze des Olympischen Komitees trat zurück. Fürs Renommee sorgen die Paralympier, vor allem in den nordischen Disziplinen, russische Medien berichteten mit jeder Medaille mehr. Es heißt, die Goldgewinner würden mit Unterstützung der Oligarchen jeweils 100.000 Dollar erhalten. Aus Respekt würden sie ihren Trainern schon mal ein Auto kaufen. Deutsche Sieger erhalten 4.500 Euro von der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Demnächst will Friedhelm Julius Beucher, Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), in einem Treffen um mehr werben. Liebesgrüße wie jene aus Moskau wird er nicht erhalten. Dennoch sagt er: "Wir erleben hier ein wunderbares paralympisches Wintermärchen."

Für Beucher wird es darum gehen, verständnisvolle Arbeitgeber für Athleten zu finden. Ob aufstrebende Sportlerinnen wie Andrea Rothfuß oder Andrea Eskau von diesem Klinkenputzen genervt sein werden wie die erfahrenen Verena Bentele oder Frank Höfle? In Russland werden 3 Prozent aller Behindertensportler entlohnt - diese aber fürstlich. Sie sind Vollprofis, dürfen auf Wunsch eine Trainerausbildung absolvieren. Die Regierung hat den Bau von Förderzentren abgesegnet, um in allen Sportarten erfolgreich zu werden. 2009 wurde eine Liga für Schlittenhockey gegründet. "Die Paralympics in Sotschi sollen Standards setzen", sagte Evgeny Bukharov, Direktor der Spiele 2014. Es sind Worte, die Karl Quade Respekt abringen, Angst machen sie ihm aber nicht. Die Deutschen sind in Kanada zur erfolgreichsten Nation der Paralympics aufgestiegen. Sie haben nun insgesamt 289 Medaillen gesammelt. Und die Russen? Abgeschlagen auf Platz 6.

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