piwik no script img

Geely-Konzern kauft VolvoDas Herz soll in Schweden bleiben

Ford verkauft den Autobauer Volvo an den chinesischen Geely-Konzern. Die Trauer in Schweden hält sich in Grenzen, doch sorgen sich viele Mitarbeiter um ihre Jobs.

Geelys Vorstandschef Li Shufu jongliert ab jetzt mit zwei Marken. Bild: ap

STOCKHOLM taz Begeisterung sieht anders aus. Volvo-ArbeiterInnen, die am Montagmorgen zu Beginn der Frühschicht am Werkstor in Göteborg von Fernsehteams erwartet wurden, zeigten sich zwar zufrieden, dass die monatelange Unsicherheit über die Zukunft ihres Arbeitgebers endlich zu Ende ist. Dass dieser ab dem Spätsommer einen chinesischen Eigentümer bekommen wird, kommentierten sie zurückhaltend. "Naja, wollen wir mal abwarten", lautete eine häufige Reaktion.

Mikael Sällström von der schwedischen Industriegewerkschaft IF Metall begründet die Skepsis mit "nicht unbedingt Unruhe, doch mit einer gewissen Ungewissheit". Kein Wunder, haben die 22.000 Mitarbeiter bislang doch keine konkreten Beschäftigungsgarantien erhalten.

Volvo ist die erste große westliche Automarke, die von einem chinesischen Konzern gekauft wird. Zugleich ist der Deal die bislang größte Auslandsinvestition der chinesischen Automobilindustrie. Geely-Automotive, das zu einer verschachtelten Unternehmensgruppe gehört und zu 51 Prozent im Eigentum seines Gründers Li Shufu steht, produziert erst seit zwölf Jahren Autos, vorwiegend Billigmodelle für den heimischen Markt.

Mit Volvo will man nun offenbar in das gehobene Segment vorstoßen und mehr auf den Export setzen. Die kühnen Pläne: Bis 2015 will Geely seine Produktion mehr als versechsfachen und 50 Prozent statt bisher fünf Prozent exportieren. Dabei ist Geely deutlich kleiner als Volvo. Der Konzern liegt mit jährlich rund 300.000 verkauften Autos unter den zahlreichen Autofabriken des Landes nur auf Platz zehn und belegt unter den privaten chinesischen Autoherstellern hinter BYD-Auto den zweiten Platz.

Geely ist hoch verschuldet und gilt finanziell als schwachbrüstig. Offenbar muss nahezu der gesamte Kaufpreis durch Kredite finanziert werden. Die Hälfte kommt von staatlichen chinesischen Banken. 400 Millionen Euro werden von der Europäischen Investitionsbank erwartet. Dafür muss aber der schwedische Staat bürgen. Im Gegenzug bekommt Li Shufu den größten schwedischen Autohersteller zu einem Schnäppchenpreis. 1999 zahlte Ford 50 Milliarden Kronen für die Prestigemarke. Elf Jahre später verkauft der US-Konzern sie für 13 Milliarden (1,3 Milliarden Euro).

Die schwedischen Gewerkschaften bewerteten den Verkauf bis zuletzt skeptisch. Mit Ford verschwindet nicht nur technisches Know-how, sondern auch ein starker Kapitalrückhalt. Auch Geelys Kompetenz zur Entwicklung neuer attraktiver Modelle wird in Frage gestellt. Profitieren könnte Volvo von besseren Absatzmöglichkeiten auf dem schnell wachsenden chinesischen Markt. Derzeit verkauft Volvo zehn Prozent der Produktion nach China. Die Hälfte davon wird wegen der hohen Einfuhrzölle bereits vor Ort montiert.

Geely-Chef Li Shufu sprach bei der Vertragsunterzeichnung am Sonntag von Volvo als einem Tiger, dessen Herz in Schweden bleiben, der sein künftiges Jagdrevier aber in Asien haben solle. Vor allem mit Hilfe des chinesischen Marktes will Shufu den Autobauer innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder in die Gewinnzone bringen. Seine Zusage, die Volvo-Produktion werde erst dann und nur in dem Umfang von Schweden und Belgien nach China verlagert, wenn die europäischen Kapazitäten nicht mehr ausreichten, versehen Beobachter allerdings mit einem großen Fragezeichen.

Lange Zeit waren Schweden und Volvo fast synonym. "Was gut ist für Volvo, ist gut für Schweden", hatte der damalige Finanzminister Gunner Sträng 1968 formuliert. Jahrzehntelang war es das größte schwedische Unternehmen. Volvo expandierte in die Finanz-, Öl- und Pharmabranche. Ende der neunziger konkurrierten Fiat, Volkswagen und Ford um den Volvo-Kauf. Und für "Gewinner" Ford war Volvo jahrelang ein Goldesel mit Milliardengewinnen.

Die Zeiten sind vorbei. Seit 2006, nachdem sich die ersten Verluste eingestellt hatten, gab es Gerüchte um Verkaufsabsichten. Im Dezember 2008 machte Ford sie offiziell. Außer Geely gab es keinen anderen ernsthaften Interessenten. Die Trauer über den Verkauf nach China hält sich in Schweden in Grenzen. Die Zeitung Göteborgs-Posten meint, nach 42 Jahren sei es eben an der Zeit den Satz von Finanzminister Sträng ganz unsentimental den neuen Verhältnissen anzupassen: "Was gut ist für China, ist gut für Volvo."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • LB
    Laif Bröselmayr

    Warum wurde denn seinerzeit Volvo überhaupt an Ford verkauft, wer waren die Vorbesitzer ?

     

    Das wäre mal tatsächlich interessant gewesen zu erfahren.

     

    Lag es an der Kombination aus hohem Qualitätsanspruch und hohen Lohnkosten in Schweden ?

     

    Wenn Ford an Volvo später angeblich viel Geld verdiente, was machten sie dann anders, was die Schweden vorher selbst nicht konnten ?

     

    Etwas mehr gedanklichen Tiefgang bitte im Wirtschaftsteil und weniger ideologische Voreingenommenheit.

  • N
    Neuling

    Schon wieder geht ein guter Konzern denn Bach runter. Erst von Ford kaputt gespart und jetzt der Ausverkauf nach China.

     

    Wann merken die Europäischen Konzerne (vor allen die Eigentümer, bzw die sogenannten Konzernlenker) wenn sie sich immer mehr von sich nach Amerika verkaufen es auf Dauer nur negativ ist.