piwik no script img

Zensur durch Wohnungsgesellschaft?Das falsche Plakat aufgehängt

Städtische Wohnungsgesellschaft Saga kündigt Infoladen in Wilhelmsburg. Die Betreiber hatten sich kritisch über die Internationale Bauausstellung im Stadtteil geäußert.

Vorbereitungen für die "Küche für alle": Der Infoladen am Donnerstagnachmittag. Bild: Hendrik Doose

Für die Betroffenen ist es politische Zensur, für die anderen nur ein rechtlicher Schritt: Die städtische Wohnungsbaugesellschaft Saga hat dem links-alternativen Infoladen der "Initiative für ein soziales Wilhelmsburg" zum 30. Juni gekündigt. "Grund ist, dass wir uns im Netzwerk ,Recht auf Stadt' gegen Gentrifizierung engagieren", sagt Narmin Pientka vom Infoladen. Daher habe man auch eine kritische Haltung zur Internationalen Bauausstellung 2013 (IBA), mit der der Senat Wilhelmsburg "aufwerten" will.

Diese Begründung bestreitet die Saga. "Wir können doch nicht Gesinnungskündigungen aussprechen", gibt sich Saga-Sprecher Mario Spitzmüller entrüstet. Die Kündigung des 28 Quadratmeter großen Ladens sei vielmehr ausgesprochen worden, weil die Betreiber ständig die Klinkerfassade und die Ladentür mit Plakaten und Aufklebern verschandelt hätten. "Wir sind nicht gewillt, das hinzunehmen", so Spitzmüller.

Am 24. November 2009 seien die Betreiber deswegen abgemahnt und aufgefordert worden, die Plakate und Aufkleber bis Mitte Dezember zu entfernen. "Die Tür haben sie auch von Aufklebern frei gerubbelt, die Plakate sind aber drangeblieben." Daraufhin sei dann die Kündigung ausgesprochen worden, sagt Spitzmüller "Bei Gewerbemietverträgen ist das ohne Begründung möglich."

Das ist zwar richtig, dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. "Als wir die Abmahnung bekommen haben, haben wir sofort die Plakate und Aufkleber entfernt", sagt Narmin Pientka. "Wir haben der Saga aber auch gesagt: Die Plakate sind nicht von uns, und wir können nicht garantieren, dass keine neuen Plakate geklebt werden, da Plakate gerne neben unserem Laden angebracht werden", so Pientka. Dann sei es lange ruhig gewesen, bis vorige Woche aus heiteren Himmel die Kündigung gekommen sei - ohne Vorwarnung, mit Datum der ersten Abmahnung.

Pientka vermutet, dass ein kritisches Plakat im Schaufenster Stein des Anstoßes war. Bei dem Plakat ging um die Internationale Bauausstellung 2013 und die dadurch fortschreitende Gentrifizierung Wilhelmsburgs. "Das Plakat muss jemand von der Saga zufällig gesehen haben", sagt Pientka. Denn bei einem Gespräch zwischen ihnen und dem Saga-Verantwortlichen für Gewerbeimmobilien sei deutlich sagt worden, "dass sie uns hier nicht wollen", berichtet Pientka. Die Saga sei "IBA-Kooperationspartner" und könne nicht zugleich den Info-Laden in ihrer Immobilie dulden.

Es sei vor dem Hintergrund der "aktuellen stadtpolitischen Situation haarsträubend, wenn die städtische Saga nicht nur nicht ihrem Auftrag des sozialen Wohnungsbau nachkommt", kritisiert David Kress vom Vorstand der Initiative soziales Wilhelmsburg, "sondern auch noch bereits etablierte soziokulturelle Räume verdrängt". Die Initiative versucht nun, über politischen Druck die Rücknahme der Kündigung durch die Saga zu erreichen und verbreitet ein siebenseitiges Positionspapier, Motto: "Träume brauchen Räume".

Unterstützung bekommt der Infoladen von der Linkspartei. "Wer den Dialog mit jungen Menschen will, die nach Wilhelmsburg gelockt wurden, der muss sich auch auf einen Konflikt mit kritischen Positionen einlassen", sagt der Linkspartei-Bürgerschaftsabgeordnete Joachim Bischoff. Die Kündigung sei Ausdruck "wilhelminischen Obrigkeitsdenkens".

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • PZ
    P. Zimmermann

    Dies ist nicht der einzige Fall, in dem die SAGA auf eine Verdrängung von sozialen Projekten hinarbeitet, die seit Jahren in den Stadtteilen integriert sind. In Altona-Nord hat der Arbeitskreis lokale Ökonomie http://www.ak-loek.de/, der den beliebten Umsonstladen und das Kleinmöbellager in der Stresemannstr. betreibt eine Mieterhöhung von 50% bekommen. Dies ist untragbar. Die SAGA argumentiert damit, dass in der Lage die Nachfrage nach Gewerberäumen sehr groß sei. Man möchte also zahlungskräftige Mieter. Es wird dabei völlig ausser Acht gelassen, dass die Läden und auch Wohnungen in diesen Häuser bis 2002 nicht vermietbar waren. Die Gegend war unattraktiv. Im Erdgeschoß lebten Ratten.

    Es ist Projekten wie dem AKLök zu verdanken, dass die Gegend dort wieder belebt und attraktiver geworden ist. Nun möchte die SAGA mit einer Aufwertung, zu der sie wenig beigetragen hat Geld verdienen. Der SAGA/GWG geht es schon lange nicht mehr um soziale Verantwortung und gute Vernetzungen und Frieden in den Stadtteilen, sondern nur noch um den Profit. Es herrscht ein rein betriebswirtschaftliches Denken, welches sich daran orientiert, wie viel Profit am "Markt" zu realisieren ist. Es geht nicht mehr nur um den Erhalt und vernünftigen Ausbau des Bestehenden. Es müssen jedes Jahr Überschüsse von 80-100 Mio. Euro an die Stadt abgeführt werden. Soziale Belange? Menschliche Bedürfnisse? Verantwortung? Respekt? Das sucht EineR, auch bei der SAGA vergebens. Das ist unerträglich und die Gründer der SAGA würden sich schämen für eine solche Politik.

  • PZ
    P. Zimmermann

    Dies ist nicht der einzige Fall, in dem die SAGA auf eine Verdrängung von sozialen Projekten hinarbeitet, die seit Jahren in den Stadtteilen integriert sind. In Altona-Nord hat der Arbeitskreis lokale Ökonomie http://www.ak-loek.de/, der den beliebten Umsonstladen und das Kleinmöbellager in der Stresemannstr. betreibt eine Mieterhöhung von 50% bekommen. Dies ist untragbar. Die SAGA argumentiert damit, dass in der Lage die Nachfrage nach Gewerberäumen sehr groß sei. Man möchte also zahlungskräftige Mieter. Es wird dabei völlig ausser Acht gelassen, dass die Läden und auch Wohnungen in diesen Häuser bis 2002 nicht vermietbar waren. Die Gegend war unattraktiv. Im Erdgeschoß lebten Ratten.

    Es ist Projekten wie dem AKLök zu verdanken, dass die Gegend dort wieder belebt und attraktiver geworden ist. Nun möchte die SAGA mit einer Aufwertung, zu der sie wenig beigetragen hat Geld verdienen. Der SAGA/GWG geht es schon lange nicht mehr um soziale Verantwortung und gute Vernetzungen und Frieden in den Stadtteilen, sondern nur noch um den Profit. Es herrscht ein rein betriebswirtschaftliches Denken, welches sich daran orientiert, wie viel Profit am "Markt" zu realisieren ist. Es geht nicht mehr nur um den Erhalt und vernünftigen Ausbau des Bestehenden. Es müssen jedes Jahr Überschüsse von 80-100 Mio. Euro an die Stadt abgeführt werden. Soziale Belange? Menschliche Bedürfnisse? Verantwortung? Respekt? Das sucht EineR, auch bei der SAGA vergebens. Das ist unerträglich und die Gründer der SAGA würden sich schämen für eine solche Politik.