piwik no script img

Schwarz-Gelb in NRW abgewähltKlatsche für Merkel und Westerwelle

Nach sechs Monaten verliert Schwarz-Gelb die erste Testwahl und die Mehrheit im Bundesrat. Kanzlerin Angela Merkel muss jetzt auf SPD und Grüne zugehen.

Zwei Ex-Sieger unter sich: FDP-Chef Westerwelle und NRW-FDP-Chef Pinkwart (re). Bild: dpa

BERLIN taz | Sie haben es nur für Nordrhein-Westfalen getan. Sie haben die Steuersenkung nicht abgeblasen, weil es der FDP bei der Wahl in Düsseldorf geschadet hätte. Sie haben die verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke nicht beschlossen, weil es ein Mobilisierungsthema für Rot-Grün gewesen wäre. Sie haben überhaupt nichts entschieden, was kontrovers gewesen wäre und zu einer Schlappe im größten Bundesland hätte führen können. Es hat alles nichts genutzt.

Die Regel hat sich einmal mehr bestätigt: Die Parteien, die in Berlin regieren, wurden bei der ersten Landtagswahl abgestraft. Aber dass die Niederlage für Schwarz-Gelb so deutlich ausfallen würde, damit hatte niemand gerechnet. Die FDP bleibt hinter ihrem Ergebnis von der Bundestagswahl weit zurück, die CDU stürzt auf ihr schlechtestes Ergebnis in der Landesgeschichte ab. Von einem "in jeder Hinsicht enttäuschenden Wahlergebnis" sprach CDU-Politiker Wolfgang Bosbach am Sonntag.

Ein Ergebnis mit Folgen für den Bund: Was die schwarz-gelbe Regierung in den ersten sechs Monaten nicht durchgesetzt hat, wird sie jetzt auch nicht mehr schaffen. Die Mehrheit im Bundesrat wackelte bisher schon, weil immer mehr CDU-Ministerpräsidenten Steuersenkungen nicht mittragen wollten. Jetzt ist sie verloren. Kanzlerin Angela Merkel muss nun versuchen, mit der SPD ins Geschäft zu kommen - oder mit den Grünen, die bereits in Hamburg und im Saarland mit der CDU regieren und die fehlenden Stimmen aus Nordrhein-Westfalen kompensieren könnten. Merkels Regierungsstil könnte das sogar entgegenkommen und eine Domestizierung der FDP erleichtern - für die Union insgesamt ist es jedoch ein Debakel. Den Effekt, dass die schwarz-gelbe Regierung eine Mobilisierung im gegnerischen Lager auslöst, hatte Merkel vermeiden wollen. Es ist jetzt doch dazu gekommen.

Es ist Merkels Glück, dass der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers mit eigenen Sponsoring-Pannen selbst zu seiner Niederlage beigetragen hat. So bleibt die Schuld nicht allein an Berlin hängen. Bei den Finanzhilfen für Griechenland jedoch hat sich Merkel selbst verkalkuliert. Sie hatte gehofft, die Griechen würden erst nach der NRW-Wahl um Hilfe nachsuchen. Jetzt hat das Thema die letzte Wahlkampfwoche dominiert - und die Regierungsparteien Stimmen gekostet.

Die Wut ist groß in den Unionsparteien über die FDP. Aber wie sollen sie sich aus den Fesseln der Liberalen befreien? Für ein Bündnis mit den Grünen gibt es im Bundestag keine Mehrheit, Neuwahlen kommen angesichts der aktuellen Stimmung nicht infrage. Anders als Gerhard Schröder wird Angela Merkel von der Macht so schnell nicht lassen.

Bei der FDP ist die Zeit, in der Kritik an Parteichef Guido Westerwelle nicht möglich war, mit dem Wahlsonntag zu Ende gegangen. Noch vor sechs Monaten schien es, als habe er es allen gezeigt. Die Bundestagswahl war triumphal gewonnen, das ersehnte Bündnis mit der Union gelang. In den Koalitionsvertrag hielt das Versprechen massiver Steuersenkungen Einzug, und Westerwelle selbst zog ins Außenamt. Heute ist die FDP der große Verlierer.

Was bleibt, ist Frustration: Das Versprechen von 16 Milliarden Euro Steuersenkungen wird unerfüllt bleiben. Ähnlich wird es dem Plan von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ergehen, eine einkommensunabhängige Pauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung einzuführen. Für FDP-Chef Westerwelle brechen schwere Zeiten an. Noch auf dem Bundesparteitag vor zwei Wochen dankte er seiner Partei für die Unterstützung in den vergangenen Monaten. Diese Rückendeckung war zu großen Teilen Taktik: "Am Berg wechselt man nicht die Pferde", hat Merkel gesagt. Nun ist die Bergbesteigung mit der NRW-Wahl gescheitert. Die FDP wird nun schauen, welche Pferde sie neben Guido Westerwelle noch im Stall hat.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!