Rocker im Fokus: Nicht jeder Rocker fährt Moped
Bei den Gangs Bandidos und Hell's Angels eskaliert die Auseinandersetzung. Innenministerkonferenz diskutiert demnächst über ein Verbot der Organisationen.
Der Rockerkrieg zwischen den verfeindeten "Hells Angels" und "Bandidos" hört nicht auf - im Gegenteil. Die Clubs "zeigen weitere Expansionsbestrebungen", sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch am Montag im Innenausschuss. Nach außen würden sich die Clubs gern als Folkorevereine darstellen, tatsächlich lebten sie aber in Teilen von der organisierten Kriminalität. Aber nicht nur die Polizei hat die Repression verstärkt. Es mehren sich auch die Anzeichen, dass Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) ein Verbotsverfahren gegen die Rockerbanden einleiten könnte.
Auf der Ende Mai stattfindenden Konferenz (IMK) werden sich die Innenminister von Bund und Ländern mit den kriminellen Aktivitäten von Rockerbanden befassen. Wenn die Fakten ausreichen, werde man ein Verbot erwägen, sagte Innenstaatssekretär Ulrich Freise (SPD) am Montag. Aber ähnlich wie bei der Diskussion um ein NPD-Verbot mache es keinen Sinn vorher "zu lange" laut nachzudenken. "Über Verbote redet man nicht. Man macht sie, wenn alles zusammengeschnürt ist", zitierte Freise den Bundesinnenminister.
Die Hells Angels und Bandidos sind bundesweit aktiv. Darum wäre es Sache de Maizieres, die Organisationen zu verbieten.
Dass sich die Rocker spinnefeind sind und sich die Vorherrschaft im Rotlichtmileu und beim Drogenhandel streitig zu machen versuchen, ist nicht neu. Nach dem Übertritt von 70 Bandidios zu den Hells Angels im Februar sind die Auseinandersetzungen weiter eskaliert. Bei den Überläufern handelte es sich um türkischstämmige Mitglieder des Clubs "El Centro", der sein Vereinshaus in der Residenzstraße in Reinickendorf hat. Diese hätten bei den Angels den Verein "Hells Angels Nomads Türkye" gebildet, wußte das Nachrichtenmagazin Spiegel zu berichten. Ein Berliner Beamten wurde in dem Artikel mit den Worten zitiert: "Die Türken sind ausgesourct und machen die Drecksabeit".
In den Augen der Bandidos ist der Übertritt zu den Hells Angels Hochverrat. Einen angeblichen Waffenstillstand, über den in Medien berichtet wurde, habe es "bisher so nicht gegeben", sagte Polizeipräsident Glietsch. Auch in Zukunft sei mit wechselseitigen Angriffen unter Einsatz von Waffen und mit Verletzten, wenn nicht gar schlimmerem, zu rechnen. Im August 2009 war ein Rocker in Hohenschönhausen erschossen worden.
Laut Glietsch gibt es in Berlin zurzeit 17 Rockerclubs mit rund 800 Mitgliedern. 2008 waren es 13 Clubs mit 650 Mitgliedern. Aber die intensive Strafverfolgung zeige Wirkung. In den letzten fünf Jahren seien 789 Strafverfahren bearbeitet worden, 432 Festnahmen und 105 Haftbefehle erfolgt. "Ingesamt sind 325 Jahre Haft verhängt worden", so Glietsch. Beschlagnahmt worden seien 443.000 Euro Bargeld, Rauschgift im Wert von über einer Million Euro und Vermögenswerte - auch in Form von Motorrädern - im Wert von 860.000 Euro. Aber nicht jeder Rocker fahre Motorrad geschweige denn, dass jeder einen Führerschein habe, so der Polizeipräsident. "Das verdeutlicht, dass es in den Clubs auch noch ganz andere Interessen gibt."
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