Pro und Kontra: Ist wenigstens Kochs Abgang sauber?
Roland Koch tritt ab, ganz freiwillig und ohne Skandal. "Respekt" heißt es sogar beim politischen Gegner. Doch nicht alle glauben, dass der Politjunkie Koch die ganze Wahrheit erzählt.
P ro
Ausgerechnet Roland Koch! Es fällt mehr als schwer, über den Nachlassverwalter der Stahlhelmer in der Union etwas Positives zu vermerken. Dennoch: Seine Ankündigung vom vergangenen Dienstag nötigt Respekt ab.
Er sei der erste Ministerpräsident Hessens, "der aus souveräner, eigener Entscheidung das Amt aufgibt", sagte Koch auf seiner Abschiedspressekonferenz. Er hat recht. Alle seine Vorgänger verließen nicht freiwillig ihren Posten. Koch hingegen hat alle Krisen und Skandale überstanden.
Dabei wäre er eigentlich schon vor zehn Jahren "fällig" gewesen, als der "brutalstmögliche Aufklärer" zugeben musste, Parlament und Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den "jüdischen Vermächtnissen" der hessischen CDU belogen zu haben. Aber Koch überlebte - dank sozialdemokratischer Unfähigkeit - sogar noch das negative Wählervotum vom Januar 2008.
Jetzt also tritt der Politjunkie Koch ab - ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem ausnahmsweise niemand diesen Schritt von ihm verlangt hat. Das unterscheidet seinen Rückzug von dem so vieler anderer Politiker.
Von Peter Altmeier, den einst der aufstrebende Helmut Kohl als rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten aufs Altenteil beförderte, bis Kurt Biedenkopf in Sachsen: Sie schafften es nicht, sich einen würdigen Abgang zu verschaffen. Von ungeduldigen Jüngeren unsanft ins Abseits geschoben, gingen sie, weil sie gehen mussten.
Er sei "unwürdig fortgejagt" worden, klagte Baden-Württembergs Erwin Teufel 2005 in seiner Abschiedsrede. Das ist der Normalfall - nicht nur bei der Union.
Er wolle "nicht mit den Füßen zuerst aus dem Rathaus getragen werden", begründete der Bremer Henning Scherf 2005 seinen überraschenden Rücktritt. Aber damals war Scherf auch schon 66 Jahre alt. Koch ist 52, also im besten Politikeralter.
Dass er an das Ende seiner politischen Karriereleiter gelangt war, schmälert die Größe seiner Entscheidung nicht. Stoiber und Johannes Rau harrten trotzig auf ihrem Posten aus, nachdem sie ihre Kanzlerambitionen begraben mussten. Koch nicht. Chapeau! Trotz alledem.
Pascal Beucker ist Autor von "Endstation Rücktritt: Warum deutsche Politiker einpacken.
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Kontra
Jeder Mensch ist ein Universum, nie können wir alles über einen anderen wissen. Oft kennen wir uns ja selbst nicht. In diesem Sinne gibt es vielleicht sogar gute Seiten an Koch.
Genau genommen ist sogar zu vermuten, dass er daheim ein Freundlicher, ein Grundguter ist. Denn wer den ganzen Tag über mit Hochdruck intrigant und machtbesessen agiert, der muss nach Feierabend mal ausspannen dürfen.
Wir müssen nur den Politiker Koch beurteilen, denn das ist der Beruf, den er seit seinem vierzehnten Lebensjahr ununterbrochen ausübt. Tief verstrickt in konservative Seilschaften, mit Sympathie für Umerziehungscamps in der Wüste und privatisierte Gefängnisse, die gern auch mit Atomstrom betrieben werden sollen, auf der antisemitischen genauso wie auf der scheinmoralischen Querflöte spielend und die Augen immer steif und geil auf die Macht gerichtet.
Wenn Forscher verkünden, dass wir 98 Prozent der Gene mit der Klapperschlange teilen, werden sich viele wundern, dass die Übereinstimmung so groß ist. Aber sieht man Roland Koch, fragt man sich: Nur 98 Prozent?
Bei der Bundestagswahl 2005 stand Koch neben Angela Merkel. Schwitzend schaute er zu den Hochrechnungen, weil er sich noch nicht entscheiden konnte, was er mit der rechten Hand machen sollte: der neuen Kanzlerin auf die Schulter klopfen oder der Unterlegenen ein Messer in den Rücken rammen?
Dass er jetzt freiwillig geht, ist so glaubhaft wie die Beteuerung, nichts mit den schwarzen Kassen zu tun gehabt zu haben. Vielleicht hat er gut verhandelt, dann erfahren wir es erst in zehn Jahren, vielleicht schlecht, dann wissen wir es schon früher. Aber die zeitliche Nähe von Eurokrise und Rücktrittsankündigung des diensthöchsten Politikers der Bankenhauptstadt Frankfurt - da ist noch oberhalb der Hochhäuser ein Gerüchle wahrzunehmen.
Wie ein noch so guter Schiedsrichter kein gültiges Tor schießen kann, so kann auch der schwarze Mann aus Hessen nicht sauber agieren im politischen Raum. Und Obacht! Scheinbar verschwunden war Koch schon mehr als einmal.
Jakob Hein ist Arzt und Schriftsteller in Berlin.
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